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30 Jahre Aids-Hilfe Potsdam: Tod ist nicht mehr das Hauptthema

Vor 30 Jahren wurde die Aids-Hilfe Potsdam gegründet. Mit den Fortschritten in der Behandlung von HIV-Infizierten hat sich auch die Arbeit der Beratungsstelle verändert. Dabei spielt die Prävention eine größer werdende Rolle.

Von Birte Förster

Potsdam - Einst war sie unweigerlich Todesurteil, heutzutage gilt eine HIV-Infektion in frühem Stadium erkannt und in Therapie als durchaus beherrschbar. Kaum eine Krankheit hat dermaßen vom medizinisch Fortschritt der vergangenen Jahre profitiert wie die HIV-Infektion. Diesen Prozess begleitet die Aids-Hilfe Potsdam mit Beratung, Prävention und Aufklärung. An diesem Samstag feiert die Einrichtung ihr 30-jähriges Bestehen.

Noch zu DDR-Zeiten waren HIV und Aids kaum ein Thema, großflächige Beratungsangebote waren damals nicht vorhanden, aber auch nicht in dem Ausmaß notwendig, da im Osten die Zahl der Infektionen durch mangelnde Reisemöglichkeiten und Abschottung zum Westen gering blieb. Die Aids-Hilfe selbst bezeichnet die deutsch-deutsche Mauer im Nachhinein als „größtes Kondom der Welt“.

Sabina Frank und Hortense Lademann (v.l.) von der Aids-Hilfe Potsdam.
Sabina Frank und Hortense Lademann (v.l.) von der Aids-Hilfe Potsdam.

© Andreas Klaer

Mit der Wende gerieten HIV und die Immunschwäche-Erkrankung Aids stärker in den Fokus. Am 6. Februar 1991 gründete sich der lokale Ableger der deutschlandweit aktiven Organisation Aids-Hilfe. Mithilfe des Brandenburger Gesundheitsministeriums und der Stadt Potsdam konnte die Aids-Hilfe zwei Jahre nach Vereinsgründung ihr Büro in der Berliner Straße beziehen. Zunächst sei dort von zwei Ehrenamtlichen vor allem Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben worden, berichtet Hortense Lademann, die seit 1994 erst als Freiwillige und seit 1998 als Sozialarbeiterin in der Aids-Hilfe Potsdam arbeitet. Ihre Kollegin Sabine Frank ist seit 1995 dabei, war erste Sozialarbeiterin der Potsdamer Aids-Hilfe.

HIV-Tests vor Ort

In den ersten Jahren habe es nur wenige Fälle gegeben, erzählt Frank. Ihre Hauptarbeit lag in der Präventions- und Aufklärungsarbeit. Erst mit der Zeit hätten sich Betroffene an sie gewendet. „Da fing die Sozialarbeit mit Menschen an, die mit dem Virus leben“, sagt Frank. Mittlerweile ist die Aids-Hilfe Potsdam, die ihr Büro seit 2005 in der Kastanienallee 27 hat sogar in ganz Brandenburg aktiv: Seit der Gründung der „Initiative Brandenburg – Gemeinsam gegen Aids“, deren Landesgeschäftsstelle sie führen, organisiert die Potsdamer Dependance landesweite Fachtagungen und Bildungsangebote. „Wir sind eine große Vernetzungsstelle geworden“, sagt Frank. Seit zehn Jahren bieten sie in ihren Räumen HIV-Tests und Tests für andere sexuell übertragbare Krankheiten an. „Wir wissen, dass die Hemmschwelle für Menschen in ein Amt zu gehen, um sich testen zu lassen, sehr hoch ist“, meint die Sozialarbeiterin.

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Vor allem die Beratung von Betroffenen, die befürchten, sich mit HIV infiziert zu haben oder bereits mit der Diagnose leben, hat sich über die Jahre stark weiterentwickelt. Die Behandlung habe sich deutlich verbessert. HIV-Infizierte hätten heutzutage eine normale Lebenserwartung, sagt Lademann. Der Tod sei nicht mehr das Hauptthema. „So hat sich auch die Arbeit der Aids-Hilfe sehr verändert“, sagt sie.

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Prävention und Öffentlichkeitsarbeit seien heutzutage wichtiger denn je. Das liegt vor allem an der Diskrepanz zwischen den Fortschritten in der Behandlung einerseits und dem großen Unwissen in der Bevölkerung andererseits. Laut Zahlen der Aids-Hilfe wissen nur 18 Prozent der Bevölkerung über die heutigen Behandlungsmethoden Bescheid: Etwa, dass eine HIV-infizierte Person, die medikamentös behandelt wird, das Virus nicht mehr weitergeben kann. Oder, dass nicht nur Kondome, sondern auch die sogenannte Präexpositionsprophylaxe, kurz Prep, vor einer HIV-Infektion schützt. Doch Unwissenheit in der Bevölkerung führt noch immer zu Ausgrenzung und Diskriminierung von Betroffenen. „Es ist das Thema, das am intensivsten bearbeitet werden muss“, berichtet Lademann.

Bis zu sieben Jahre bleibt das Virus unbemerkt

Mit der Prävention wollen sie aber auch erreichen, dass sich Menschen, die befürchten sich mit HIV infiziert zu haben, frühzeitig testen lassen. Etwa vier bis sieben Jahre könne man mit dem Virus leben, ohne dass man etwas merkt, sagt Lademann. Dann habe das Immunsystem aber oft schon „ein großes Tief erlebt“. Die medikamentöse Therapie könne dann nicht mehr so gut wirken, sagt sie. Daher gebe es in Deutschland noch immer Menschen, die an Aids sterben. Laut Schätzungen des Robert-Koch- Instituts lebten Ende 2019 insgesamt etwa 370 Menschen mit einer HIV-Infektion in Brandenburg. Bei lediglich 95 von ihnen sei die HIV-Infektion demnach diagnostiziert worden. Die Dunkelziffer ist also hoch.

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Die Aids-Hilfe Potsdam wird also auch weiterhin gebraucht. Auch während der Corona-Pandemie bietet sie in ihren Räumlichkeiten in der Kastanienallee Beratung an, wie überall aber unter besonderen Hygienevorkehrungen und nur mit festem Termin. Die Präventionsarbeit an Schulen und in anderen Bereichen ist derzeit hingegen nur eingeschränkt möglich. Für die Prävention haben sie neue Formate gefunden: Kürzlich veranstalteten sie ein Web-Seminar mit einer Schule für Physiotherapie. Einmal im Monat veröffentlichen sie derzeit einen Podcast rund um HIV und Aids. Auch das Jubiläum der Potsdamer Aids-Hilfe wird zunächst nur digital gefeiert – mit einem Youtube-Video, in dem sich an die Arbeit in den drei Dekaden erinnert wird.

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