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17. Etage im Hotel Mercure in Potsdam geöffnet: Träume und Erinnerungen

In der obersten Etage des Hotels Mercure fand am Samstag ein besonderes Event statt: Für einen Tag und eine Nacht war dort eine Bar eingerichtet. Die Besucher schwelgten zwischen Zukunftsplänen und Anekdoten des Interhotels.

Potsdam - Volker Sauerzapf scheint diesen Tag richtig zu genießen. Immer wieder begrüßt er am Samstagmittag alte Bekannte. Menschen kommen auf ihn zu und schütteln ihm die Hand. Oft hat man sich lange, ja sehr lange nicht mehr gesehen. Dass ihm einmal nicht gleich ein Name einfällt, das ärgert den 72-Jährigen. Sauerzapf steht im Erdgeschoss des Hotels Mercure. An der Wand neben ihm hängen Bilder und Texttafeln, die an eine Zeit erinnern, in der er hier im einstigen Interhotel als Kellner arbeitete. 1970 trat der Potsdamer seinen Job im Hochhaus an der Havel an. 1991 musste er gehen. Stellenabbau. „Die große Kündigungswelle nach der Wende Deutschlands“, sagt er.

Sauerzapf ist an diesem Samstag ins Hotel gekommen, um an einem besonderen Event teilzunehmen: Einen Tag und eine Nacht ist die 17. Etage geöffnet – für eine Sause hoch über den Dächern der Stadt. 150 Menschen können dort oben rein. Die Nachfrage nach Karten für die Veranstaltung in der obersten Etage des Hotels war im Vorfeld riesengroß. Man musste schon etwas Glück haben, um Tickets zu ergattern. Das Motto der Fete: „In der 17. hat man noch Träume.“

Gewissermaßen eine Schnapsidee

Der Nachmittag beginnt mit Kaffee und Kuchen. Und abends dann Barbetrieb, ein DJ legt auf. Wer will, der tanzt. Die Bar wurde extra für diesen einen Abend hier eingebaut, erzählt Mitorganisatorin Claudia Thom-Neumann. Die Hoteletage steht sonst zwar auch für Tagungen und private Feiern zur Verfügung, doch eine Bar gab es dort lange nicht mehr. Gemeinsam mit Ingo Opitz und dem Potsdamer Gastronom Ronny Rammelt hat Thom-Neumann die Veranstaltung aus der Taufe gehoben. Es war gewissermaßen eine Schnapsidee, wie Thom-Neumann schmunzelnd anmerkt.

Keine Schnapsidee im herkömmlichen Sinne, sondern eine beim Schnaps entstandene Idee. Der Gedanke für die Veranstaltung sei den drei Initiatoren bei einem Gespräch in der Bar Fritz’n gekommen, die Rammelt in der Dortustraße betreibt. Als ein politisches Statement in der seit Jahren anhaltenden Debatte über den möglichen Abriss des Hotelhochhauses sieht Thom-Neumann die Veranstaltung nicht. Aber Potenzial stecke nun einmal in dieser Location. Tanzveranstaltungen für die 30- bis 50-Jährigen gebe es in Potsdam kaum. In der 17. Etage des Mercure, so findet Thom-Neumann, könnte man so etwas künftig etablieren.

Private Feier im 17. Stock musste lange geplant werden

Das Publikum am Samstagabend ist vom Alter her durchmischt. Nur die ganz Jungen fehlen. Viele der Gäste haben persönliche Erinnerungen an die Zeit, als oben auf dem Dach noch der Schriftzug „Interhotel Potsdam“ prangte. Edeltraud und Kurt Paersch zum Beispiel kennen die Gastronomie in der 17. Etage noch von früher. Zu DDR-Zeiten gab es hier ein Café und eine Tanzbar. Wer mit seiner Familie und Freunden da feiern wollte, musste lange im Voraus planen. Nur mit Anmeldung Monate im Voraus konnte man in der 17. Etage seine private Feier starten, erzählt Kurt Paersch. Oder man hatte Beziehungen, ergänzt der Potsdamer. „Ganz viele liebe Erinnerungen“ habe sie an die Feiern mit Bekannten und Verwandten in der 17. Etage des Interhotels, sagt Edeltraud Paersch. „Das war immer ein voller Erfolg.“ Auf die Frage, was sie von einem möglichen Abriss des Hauses halte, sagt Paersch mit Nachdruck: „Auf jeden Fall stehen lassen!“ Vermutlich sind an diesem Abend so gut wie alle Gäste dieser Meinung. „Das ist ja eigentlich so ein Wahrzeichen von Potsdam gewesen“, meint Petra Bieneck, die gemeinsam mit ihrem Mann an einem Stehtisch verweilt. Sie finde es schade, dass die Stadt das Hotel am liebsten abreißen würde.

Bei Disco-Musik in mäßiger Lautstärke unterhalten sich die Gäste, tauschen Erinnerungen aus oder genießen einfach den Blick auf das nächtliche Potsdam. „Die Gelegenheit des genialen Ausblicks wollte ich mir nicht entgehen lassen“, sagt etwa Annett Ullrich. Und Volker Sauerzapf, der Kellner von damals, ist mitten unter den Gästen und gibt Medienvertretern bereitwillig Interviews. Den ersten deutschen Raumfahrer Sigmund Jähn habe er einst im Haus bewirtet. Ebenso die finnische Bildungsministerin, die im Hotelrestaurant mit ihrer DDR-Amtskollegin Margot Honecker zu einem Arbeitsessen zusammenkam.

„Die Hotelzimmer waren alle abhörbar“

Doch eine Geschichte, die erzählt Sauerzapf besonders gern: Mitte der 1980er- Jahre muss es gewesen sein, da kam der bekannte westdeutsche Fernsehjournalist Hanns Joachim Friedrichs gemeinsam mit zwei Begleitern ins Hotelrestaurant. „Sie wollten gern unter sich sein und ich hatte einen Tisch im lauschigen Eckchen“, erinnert sich der ehemalige Kellner. Dort nahmen die Gäste Platz. Sauerzapf kam zurück mit seinem mit Vorspeisen gefüllten Servierwagen und sagte in Anspielung auf einen westdeutschen Werbeslogan: „Bevor der kleine Hunger kommt.“ Kurz darauf, als Sauerzapf mit seinem Servierwagen wieder wegfahren will, klopft ihm jemand auf die Schulter und begrüßt ihn mit „Guten Tag, Herr Professor der Servierkunst!“. Sauerzapf kennt den Schulterklopfer. Er weiß, es ist ein Stasi-Mann, der im Hotel arbeitet. Und da rutscht es ihm heraus: „Guten Tag, Herr Geheimrat!“ Das vom Spitzel angedrohte Nachspiel blieb jedoch aus.

Und dann erzählt der frühere Kellner etwas, was er selbst erst nach dem Zusammenbruch der DDR erfahren habe: „Die Hotelzimmer waren alle abhörbar.“ Sogar Wirtschaftsräume seien belauscht worden. „Nach der Wende kam das ans Licht“, so Sauerzapf. Auch Hoteldirektor Marco Wesolowski, seit 2009 am Haus, hat von dem Spuk aus DDR-Zeiten gehört: „Teile von eventuellen Abhöranlagen haben wir noch gefunden.“ 

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Unser Autor hat eine Nacht im Mercure verbracht. Und war überrascht. Hier gibt es seine Reportage zum Nachlesen >>

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