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Potsdams OB Jann Jakobs (SPD) hat sich nach seiner Abstimmung im Kuratorium der Garnisonkirche-Stiftung gerechtfertigt.

© A. Klaer

15 Jahre "Potsdam bekennt Farbe": Jakobs: „Rechtzeitig gegen rechte Kräfte wehren“

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, der Vorsitzende des Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“, spricht im PNN-Interview über Hassmails, den Kampf gegen Rechtsextremismus und einfache Wahrheiten.

Herr Jakobs, bekommen Sie Hassmails?

Ja, aber ich lese die nicht. Da gibt es Konjunkturen, an manchen Tagen bekomme ich 40 oder 50 solcher Nachrichten, insbesondere, wenn es um kontroverse Diskussionen geht. Also beispielsweise um meine Haltung gegenüber Muslimen oder die Unterbringung von Flüchtlingen. Ich kann beobachten, dass diese Reaktionen von der rechten Szene organisiert werden. Das sind keine spontanen Äußerungen, denn manche Nachrichten kommen auch aus ganz anderen Städten.

Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ feiert 15-jähriges Bestehen. Es hat sich von Anfang an gegen Rechtsextremismus engagiert. Hat sich die Szene seither verändert?

Der Rechtspopulismus hat sich während diesen 15 Jahren gewandelt. Wir hatten es in Potsdam zuerst mit der NPD zu tun, dann mit der DVU, wieder mit der NPD und dann mit Pogida. Wir müssen diesem Thema mit der nötigen Sensibilität begegnen. Das ist eine ständige Herausforderung. Das merkt man auch daran, dass wir in jeder der vierteljährlichen Sitzungen von „Potsdam bekennt Farbe“ darüber gesprochen haben, auch wenn gerade keine NPD-Kundgebung stattfand. Wir können uns hier über den Zustand der Stadt verständigen, um schwierigen Tendenzen schnell begegnen zu können.

Was kann das Bündnis konkret leisten?

2012 ist es uns beispielsweise gelungen, eine angesagte NPD-Kundgebung durch eine Blockade zu verhindern. Das war eine machtvolle Präsenz in der Stadt. Die NPD hat versucht, gegen meinen Aufruf als Bündnisvorsitztender zur Gegendemonstration juristisch vorzugehen, aber wir haben Recht bekommen.

Besonders aktiv waren Sie 2016 im Kampf gegen Pogida. Gehen Sie mit einem Siegergefühl aus dieser Erfahrung?

Siegergefühl nicht, aber ich habe schon den Eindruck, dass wir sehr eindrucksvoll deutlich gemacht haben, dass es sich bei Pogida nur um eine Handvoll Leute handelt. Ich bin heilfroh, dass wir hier keine Bilder hatten wie beispielsweise in Dresden. Auch für die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, ist das eine wichtige Botschaft. Sie können sich hier angenommen fühlen.

Was hat das Bündnis bei der Ankunft der vielen Flüchtlinge getan?

Wenn es das Bündnis nicht gegeben hätte, weiß ich nicht, wie das hier in der Stadt gelaufen wäre. Wir haben sehr aktiv für eine Willkommenskultur geworben. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber es ist auch auf ehrenamtlicher Seite das Verdienst des Bündnisses, dass so schnell und so friedlich reagiert wurde. Zum Beispiel haben wir bei der Schaffung der dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten fast 30 Bürgerversammlungen abgehalten, wo die Menschen auch ihre Sorgen und Nöte äußern konnten. Das lief alles friedlich ab.

Also ziehen Sie eine positive Bilanz?

Ja, ich bin sehr stolz darauf, dass alle 38 Mitglieder, darunter alle Parteien der Stadtverordnetenversammlung, außer die AfD – aber auf deren Mitgliedschaft legen wir auch keinen Wert – sowie viele Vereine und Firmen, sich über alle Differenzen im politischen Alltag hinweg auf Werte verständigen können, wenn der Zusammenhalt in Gefahr gerät. Dafür steht auch eine eigene Verwaltungseinheit zur Verfügung. Darum beneiden uns viele. Einige Städte aus Brandenburg haben auch schon angefragt, da stehen wir als Berater zur Verfügung.

Welche Themen werden für das Bündnis in der nächsten Zeit besonders wichtig?

Machen wir uns nichts vor. Es gibt die politische Tendenz, dass einfache Wahrheiten immer mehr Verbreitung finden, auch in Potsdam. Davor muss man auf der Hut sein. Es wird immer wieder dazu kommen, dass rechtsextreme Kräfte hier den Boden bereiten, dagegen müssen wir uns rechtzeitig wehren. Da geht es beispielsweise auch um Alltagsrassismus bei Mitarbeitern, man muss sich durchaus auch mal einen Spiegel vorhalten. Auch mit dem Thema Integration müssen wir uns intensiv auseinandersetzen, definieren, was wichtig ist. Dabei ist es auch zentral, die provisorische Unterbringungsstruktur zu verändern. Wir müssen im Rahmen der Wohnungsbauförderprogramme für zwei Zielgruppen Wohnraum schaffen: Für Flüchtlinge, aber auch für die Bedürftigen, die seit langer Zeit auf eine Wohnung warten.

Das Gespräch führte Sandra Calvez


ZUR PERSON: Jann Jakobs, 63, gebürtiger Ostfriese, ist gelernter Sozialarbeiter. 1993 übernahm der SPD-Politiker die Leitung des Jugendamtes Potsdam. Seit 2002 ist er Oberbürgermeister.

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