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11-Line feiert Geburtstag: Teetrinkende Rocker und Schokotarte in der Nacht

Das Café 11-Line in der Charlottenstraße feiert am Samstag zum 10. Geburtstag ein Straßenfest. Die Inhaber zurück auf kuriose Veranstaltungen und Italien in Potsdam.

Von Valerie Barsig

Potsdam - Neulich nachts um halb eins klingelte Giancarlo Arcieris Handy. Als der Gastronom abhob, forderten zwei Mädchen Schokotarte. „Sofort!“ Vielleicht ist es genau diese Anekdote, die das Café 11-Line in der Charlottenstraße am besten beschreibt. Es ist ein bisschen so, als würde man von seinen großen Brüdern bewirtet werden – und die darf man auch nachts um halb eins nach Schokotarte fragen, wenn sie so gut ist. Und wie große Brüder eben so sind, sagt auch Arcieri: „Natürlich wäre ich nicht aufgestanden, um ihnen Tarte zu geben, ich hatte doch schon geschlafen.“ Seit zehn Jahren führt der 44-Jährige das helle Lokal mit den breiten Schaufensterfronten an der Ecke zur Hermann-Elflein-Straße bereits, seit gut vier Jahren ist Alessandro Cotroneo sein Partner. Am Freitag wird im 11-Line mit einer großen Party Geburtstag gefeiert.

Ein Journalist und ein Philosoph aus Italien

Cotroneo und Arcieri kommen aus Neapel, beide hat die Liebe nach Potsdam gebracht. Arcieri arbeitete vorher in Italien als Journalist, der 33-jährige Cotroneo kam durch das europäische Austauschprogramm Erasmus und sein Philosophiestudium nach Potsdam. Nietzsche und Heidegger haben es ihm angetan. Beide blieben. 

„Ich wollte Menschen kennenlernen“, sagt Arcieri – und deshalb habe er eben das 11-Line eröffnet. Als Journalist konnte er in Potsdam wegen der anfänglichen Sprachbarriere nicht arbeiten, in der Gastronomie hatte er ein wenig Erfahrung. „Der Laden hat sich dann schnell etabliert.“ Und das nicht nur als italienisches Café mit Schokotarte, Quiche und Pasta, sondern auch als Tatort-Rudel-Guck-Kneipe, Kunstgalerie und Erasmus-Treffpunkt – und mit diversen kuriosen Veranstaltungen. 

„Wir hatten schon Massage-Abende hier“, erzählt Arcieri. Gern erinnert er sich auch an die regelmäßigen Flutschbrett-Abende. Bei dem niederländischen Spiel, das man auch Jakkolo nennt, muss man einen Puck auf einem Holzbrett durch Tore schießen. Im 11-Line fanden die Spielbegeisterten eine Trainingsstätte. Auch ein argentinisches Kakerlakenrennen hat in dem Café einmal stattgefunden. „Da konnte man dann tippen, welche Kakerlake gewinnt“, erinnert sich Arcieri und muss schmunzeln. Das 11-Line war schon immer eine Begegnungsstätte. „Viele Stadtinitiativen treffen sich hier, außerdem regelmäßig Potsdamer und Migranten“, sagt Arcieri. Das ist beiden Inhabern wichtig.

Die 11-Line-Inhaber haben Italien nach Potsdam gebracht 

„Wir haben festgestellt, dass Potsdam ein bisschen mehr italienische Wärme braucht“, sagt Cotroneo. Die spürt man im 11-Line, nicht nur im Kaffee. Cotroneo und Arcieri kennen die meisten Gäste, die am Vormittag hereinkommen beim Vornamen. Das 11-Line soll ein bisschen zu Hause sein für jeden, der es betritt. Gleichzeitig wollen die beiden Inhaber auch ein wenig mehr italienische Kultur nach Potsdam bringen. Das funktioniere gut, sagt Arcieri. „Wenn ich in Potsdam auf der Straße unterwegs bin, werde ich auf Italienisch begrüßt.“ Eine kleine 11-Line-Gemeinschaft sei über die Jahre entstanden. Anfangs habe er sogar Italienischkurse angeboten, dafür fehle jetzt aber die Zeit. 
Immer gemütlich war es allerdings nicht im 11-Line. Denn einst war schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite das Potsdamer Hauptquartier der berüchtigten Rockertruppe „Hells Angels“. „Ach, die waren nicht oft hier“, wiegelt Arcieri ab, wenn man ihn danach fragt. Und erzählt dann doch: Einmal seien acht große muskulöse Typen mit Tattoos ins 11-Line eingekehrt. „Die haben dann acht Kräutertees bestellt.“ Einmal habe es auch eine handfeste Prügelei zwischen einem Kunden und den Rockern gegeben – dabei sei die Tischtennisplatte kaputtgegangen, auf der im 11-Line regelmäßig die Bälle fliegen, die Polizei musste schlichten. „Ansonsten ist jeder auf seiner Straßenseite geblieben.“

Alle zwei Monate eine andere Ausstellung

Einen besonderen Höhepunkt der vergangenen zehn Jahre kann Arcieri nicht benennen, es gibt einfach zu viel, was im 11-Line passiert ist. „Besonders viel Spaß macht es mir aber, die Ausstellungen zu organisieren.“ Unbekannte und bekanntere Künstler zeigen ihre Werke an den Wänden des Cafés. Derzeit sieht man Ölbilder von Silvian Sternhagel, die Warteliste ist voll bis März. Für Cotroneo sind es die vielen Begegnungen, die er in den vergangenen vier Jahren hatte. „Die Sommerabende, die Gitarrenmusik und das gemeinsame Singen“, sagt er. 

Nächstes Jahr soll im 11-Line renoviert werden, der Bereich hinter der Theke ist ein wenig eng, einige Geräte veraltet. Fragt man Arcieri, was er sich sonst für das Café wünscht, ist die Antwort simpel: „Eine autofreie Charlottenstraße.“ Cotroneo denkt eher an die Feier morgen: „Wir organisieren gerade ein Zelt – falls es regnet“, sagt er. Bei der Eröffnung des 11-Lines vor zehn Jahren sei es warm gewesen und schön, erinnert sich Arcieri. Und wirft einen beschwörenden Blick nach oben. So soll es auch am Freitag werden. 

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Der 10. Geburtstag des 11-Line wird mit einem großen Straßenfest an der Charlottenstraße/Hermann-Elflein-Straße gefeiert. Der Eintritt ist frei, die Hermann-Elflein-Straße wird bis zur Brandenburger Straße abgesperrt. Es gibt unter anderem Maccaroni-Frittata und weiteres Essen und Getränke, ab 17 Uhr legt Zackamoto auf der Bühne draußen auf. Von 18.30 Uhr bis 19 Uhr gibt es eine Pause, dann tritt der Potsdamer Kneipenchor auf. Ab 20 Uhr gibt es anderthalb Stunden Swing von The Great Blue Yonder, ab 21.30 Uhr treten Planet Obsolescence (The Godfathers of Gump) auf. Ab 23 Uhr wird die Party nach drinnen verlegt – Phil Flash sorgt dann für die Musik.

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