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Die Hochhäuser auf dem Marktplatz am Schlaatz sollen durch Sockel mit Geschäften und Restaurants ergänzt werden. 

© Ottmar Winter

1000 neue Wohnungen für Potsdamer Viertel: „Wir wollen den Schlaatz weiterbauen“

Der Stadtteil steht vor einer umfassenden Umgestaltung. Stadtplaner Henry Fenzlein über Quartiersgaragen statt Parkplätze, Neubau und Abriss.

Herr Fenzlein, über Ihren Plänen für den Masterplan Schlaatz 2030 steht das Wort Stadtreparatur. Ist der Schlaatz kaputt?
Nein, der Schlaatz ist nicht kaputt, aber er hat gewisse Defizite. Der Stadtteil hat aber auch Qualitäten, die es zu stärken gilt. Wir suchen in unseren Plänen Ansatzpunkte mit Verbesserungspotenzial.

Sie planen Nachbarschaftsbänder. Was heißt das?
Wir haben den Versuch gestartet, den Stadtteil mit dem Wäldchen und der Nutheaue zu verbinden. Die angrenzenden Naturräume sollen in den Schlaatz hineingezogen werden. Die stärkere Durchgrünung wollen wir mit nachbarschaftlichen Qualitäten verbinden. Die Nachbarschaftsbänder sollen Orte werden, die für die Bewohner freiräumliche Angebote für Spiel, Sport oder Treffen bieten, für das Leben außerhalb der Wohnung.

So könnte es im Schlaatz bald aussehen.
So könnte es im Schlaatz bald aussehen.

© Octagon Architekturkollektiv

Sie schlagen den Bau zusätzlicher Wohngebäude vor. Was haben Sie vor?
Wir haben ungefähr 1000 zusätzliche Wohnungen vorgesehen. Die Vorgabe seitens der Landeshauptstadt und der Grundstückseigentümer war es, mindestens 600 bis 800 zusätzliche Wohnungen zu planen und dabei auch sozialen Wohnungsbau zu berücksichtigen. Unser Entwurf sieht etwas mehr vor als das Mindestmaß. Unser Plan ist nicht als etwas Absolutes zu betrachten, sondern als Strategie. Es müssen nicht alle Gebäude genau dort entstehen und schon gar nicht alle auf einmal.

Wie sind Sie vorgegangen?
Es war eine ziemlich schwierige Aufgabe, diese Wohnungen zu ergänzen, ohne den Schlaatz komplett zu verändern. Das Wesentliche unseres Entwurfes ist eine sensible Suche nach Räumen. Wir haben versiegelte Flächen identifiziert, beispielsweise die vielen Parkplätze, aber auch Lücken oder Brandwände, an die man anbauen kann. Unser Motto ist: den Schlaatz weiterbauen. Es handelt sich um kleinteilige Maßnahmen, nicht um die eine große Geste. Wir setzen in jedem Block neue Impulse. Davon versprechen wir uns eine größere Vielfalt, eine bessere bauliche und soziale Mischung.

Sie planen auch „behutsamen Rückbau“. Was wird abgerissen?
Wir haben ungefähr 200 Wohneinheiten weggenommen. Bei einigen war es auch explizit von den Auftraggebern aufgrund des baulichen Zustandes gewünscht. Wir haben immer dann einen Rückbau geplant, wenn Gebäude stadträumlich oder für unser Konzept sehr schwierig zu erhalten waren. Die beiden Punkthäuser am Magnus-Zeller-Platz stehen zum Beispiel sehr schwierig da, wenn wir den Stadtteil durch unser Mobilitätskonzept besser erschließen wollen. Im Vergleich zur gesamten Baumasse handelt es sich um einen geringen Rückbau, den wir für verträglich halten. Es werden auch Ersatzbauten errichtet. Außerdem geht es um eine extrem langfristige Planung. Niemand muss Angst haben, dass ihn das heute oder morgen betrifft.

Die beiden Häuser auf dem Magnus-Zeller-Platz sollen abgerissen werden. 
Die beiden Häuser auf dem Magnus-Zeller-Platz sollen abgerissen werden. 

© Ottmar Winter PNN

Warum sollen in der Käthe-Kollwitz-Siedlung in der Waldstadt mehrere Wohngebäude abgerissen werden?
Die Käthe-Kollwitz-Siedlung hat nicht die bauliche Qualität wie der Schlaatz. Die Häuser wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren nach dem Krieg unter finanziellem Druck errichtet. Der Auftraggeber hat uns mitgegeben: Es wird schwierig, diese Gebäude dauerhaft zu erhalten. Deshalb war es gewünscht, darüber nachzudenken, wie die Siedlung aussehen könnte. Wir haben ein Bild entwickelt, wie der Bestand in 50 oder 60 Jahren Schritt für Schritt ersetzt wird. Es gibt dort im Bereich Barrierefreiheit, Energetik und Wohnungsgrößen große Defizite. Man kann diese Gebäude nicht in den nächsten 50 Jahren so stehen lassen. Aber das Wort Langfristigkeit ist hier noch wichtiger als am Schlaatz, wo der Schuh kurz- und mittelfristig stärker drückt.

Die Straßen sollen zu „zwei effizienten Erschließungsloops“ werden. Was heißt das?
Der Schlaatz ist ein sehr autofreundliches Quartier. Man kann überall durchfahren und das Auto abstellen. Das macht die Situationen unübersichtlich, man kann sich nur schwer orientieren und es werden viele Flächen für das Auto verbraucht. Diese vielen Parkplätze sind öffentliche Räume mit wenig Qualität. Wir wollen den Verkehr neu ordnen, indem zwei Hauptstraßen in Schleifenform entstehen, die alle Blöcke anbinden. So bleiben die Gebäude erreichbar. Alle anderen Straßen werden sukzessive zurückgebaut. Sie könnten erst einmal Einbahnstraßen werden, mit weniger Parkplätzen, und irgendwann zu grünen Nachbarschaftsgassen werden. Das schafft eine größere Aufenthaltsqualität und mehr Sicherheit, auch für Kinder und ältere Leute.

Der Magnus-Zeller-Platz soll umgestaltet werden, auch ein Neubau ist geplant.
Der Magnus-Zeller-Platz soll umgestaltet werden, auch ein Neubau ist geplant.

© Octagon Architekturkollektiv

Bei der Mobilität setzen Sie auf Quartiersgaragen. Ist das mehr als ein Parkhaus?
Die Garagen sollen dem Quartier mehr bieten als ein Parkhaus. Dort können mehrgeschossig Autos geparkt werden, was die Fläche effizienter nutzt. Aber wir wollen das mit sozialer Infrastruktur und mit Nahversorgung kombinieren. In der Garage könnte eine Paketstation sein, damit das Paketauto nicht mehr zu jedem Haus fährt, sondern die Pakete in die Packstation abgegeben werden. Das verringert das Verkehrsaufkommen. Die Garagen sollen auch Mobilitätspunkte sein, die Umstiegsmöglichkeiten bieten auf Fahrrad, E-Roller oder Lastenrad.

Architekt Henry Fenzlein.
Architekt Henry Fenzlein.

© PROMO

Wie viele Parkplätze fallen dadurch weg?
Wir streben einen Stellplatzschlüssel von 0,5 bis 0,7 Parkplätzen pro Wohnung an. Nicht jeder wird dort sein Auto abstellen können. Aber wir gehen davon aus, dass aus Umwelt- und Kostengründen nicht mehr jeder ein Auto besitzen wird. Derzeit hat der Schlaatz einen Schlüssel von mindestens eins, die Anzahl der Parkplätze wird sich also ungefähr halbieren.

Auf den Dächern dieser Garagen planen Sie Kitas. Wie stellen Sie sich das vor?
Wir sehen Dachflächen als Potenzialflächen. Es sind attraktive Orte mit Ausblick und Ruhe. Auf den Quartiersgaragen entstehen Flächen von 2000 bis 3000 Quadratmetern, das passt gut zu den Anforderungen einer Kindertagesstätte mit ihren Außenflächen. Der Plan ist ambitioniert. Aber wir wollen jede Fläche effektiv nutzen. Das Konzept wird aktuell schon in dichteren Großstadtgebieten umgesetzt und funktioniert ganz gut.

Wie soll der Magnus-Zeller-Platz aussehen?
Wir wollen den Magnus-Zeller-Platz zum Eingang des Schlaatzes machen. Das war in den ursprünglichen Plänen schon so vorgesehen, hat aber hat nie funktioniert. Das hat mit den beiden Gebäuden zu tun, die etwas verloren darauf stehen. Es hat aber auch mit der fehlenden Nutzungsmischung zu tun. Es fehlt an Angeboten in den Erdgeschossen. Wir wollen eine bessere Orientierung und Hereinführung in das Quartier. Am Magnus-Zeller-Platz soll eine Adresse mit Charme entstehen. Man soll Lust bekommen, in den Schlaatz einzutauchen.

Welche Kritik aus der Bürgerbeteiligung im Prozess haben Sie aufgenommen?
Wir hatten zunächst einen wesentlich radikaleren Umbau des Verkehrs geplant. Wir wollten noch viel mehr Stellplätze rausnehmen, eine stärkere Transformation machen. Aber uns wurden große Sorgen mitgeteilt von Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind. Deshalb haben wir einen gewissen Prozentsatz an Stellplätzen nah an den Wohnungen erhalten. In den Innenhöfen hatten wir familiengerechte Reihenhäuser geplant. Aber viele fanden, dass das nicht der richtige Ort dafür ist, das haben wir verworfen.

Welche Anregungen sind eingeflossen?
Es gab immer wieder Wünsche nach mehr Angeboten zum Einkaufen und Restaurants. Damit haben wir uns beschäftigt. Außerdem gab es viele Klagen über eine fehlende Sicherheit, die die Menschen in der Dunkelheit spüren. Eine Unzufriedenheit mit Müll. Deshalb planen wir eine sehr intensive Aufwertung der Freiräume. Das soll und wird dazu beitragen, dass der Schlaatz sicherer wird, und die Identifizierung stärken. Es kamen auch Familien, die größere Wohnungen suchen oder Ältere, die Barrierefreiheit brauchen. Wir wollen andere Wohnungstypologien anbieten. Die Beteiligung hat uns sehr geholfen, unsere Ideen zu entwickeln.

Wie geht es jetzt weiter?
Unser Entwurf wurde ausgewählt und soll für die Masterplanung weiterverfolgt werden. Wir arbeiten noch weiter daran, im Oktober gibt es eine finale Präsentation. Dann übergeben wir die Planung dem Auftraggeber. Wir wünschen uns, dass wir weiter in den Planungsprozess involviert werden. Der nächste Schritt ist, diesen Masterplan weiter zu detaillieren, technische und baurechtliche Fragen zu klären. Die Stadt und die Grundstückseigentümer möchten dahin kommen, einen Beschluss in Form eines Bebauungsplanes zu fassen. Ich rechne mit einer sehr langfristigen Perspektive, eher 2050 als 2030. Einzelne Maßnahmen könnten sicher bis 2030 umgesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass noch ein paar Jahre ins Land gehen werden, bis sich dort was tut.

Das Gespräch führte Sandra Calvez

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