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Landeshauptstadt: 100-jähriger Lack und Königslocken

Hunderte Potsdamer beim Tag der offenen Tür im Wissenschafts- und Restaurierungszentrum der Schlösserstiftung

Das Goldblatt ist so dünn, dass es unter der Berührung fast zu zerfallen droht: Behutsam nimmt Verena Göttel die zitternde, acht mal acht Zentimeter große Folie mit dem Pinsel auf, den sie zuvor mit etwas Hautcreme betupft hat, damit das Blättchen auch hält, und trägt es auf das grün-goldene Metallgebilde auf. „Das ist einer der Fußsockel der Sonnenlaube aus dem Park Sanssouci“, erklärt die Fachbereichsleiterin für Architekturfassung und Wandbild der Schlösserstiftung.

Eine Geduldsarbeit, denn gleich nebenan stehen noch zwei Dutzend weiterer Sockel, die allesamt etwas von ihrem Goldglanz verloren haben und dringend saniert werden müssen. Eine Kontroll-Palette gibt Auskunft über den rechten Farbton: Die Auswahl reicht von „Citron Gold dunkel“ über „Mondgold“ bis „Dukatengold“ oder „Traumgold“.

Sechs Besucher schauen Göttel neugierig bei der Arbeit über die Schulter – ausnahmsweise, denn am Freitag öffnete die Stiftung für ein paar Stunden die Pforten ihres Wissenschafts- und Restaurierungszentrums (WRZ) zu einem Tag der offenen Tür. Mehr als 100 Potsdamer nutzten das Angebot und erkundeten die fünf Gebäude, die vor vier Monaten hinter dem alten Hans Otto Theater in der Zimmerstraße entstanden sind: Bibliothek, Fotothek und Archiv sowie Restaurierungsateliers für Gemälde, Architekturfassung, Wandbild, Textilien, Papier und Grafik. 70 Restauratoren der Stiftung werkeln hier an täglich eingerissenen Polsterbezügen, vergilbten Urkunden und beschädigten Gemälden.

Anders als die alten Werkstätten, die sich im Neuen Palais befunden hatten, sind die Neubauten mit der beigen Klinkerfassade innen hell, modern und geräumig: Im Atelier für Stoffe und Wandbespannungen erreicht man über eine Wendeltreppe sogar eine Empore, vor der aus man schwere, meterlange Prunk-Gardinen herablassen kann, gleich daneben befinden sich hohe Regale, beladen mit Rollen von Damast, Atlas und Brokatell in verschiedenen Farben. Ein paar Räume weiter steht ein fragiler Holzstuhl mit geblümtem Bezug auf dem Tisch, ein mehr als 100 Jahre altes Stück aus dem Schloss Cecilienhof. „Wie haben Sie den Lack auf dem Holz wieder so gut hinbekommen?“, möchte eine Besucherin wissen. „Wir haben einfach Lack aus der damaligen Zeit benutzt“, sagt Nadja Kuschel, Fachbereichsleiterin für Textilrestauration. „Der ist 100 Jahre alt, aber man kann ihn immer noch benutzen.“

Die meisten Besucher zieht es in die großen Werkstätten, doch eine der spannendsten Entdeckungen kann man tatsächlich in den engen, fensterlosen Räumen des Archivs machen, denn hier kann man den Preußenkönigen so hautnah kommen wie sonst nirgendwo: „Dies ist das Haar von Friedrich Wilhelm IV“, sagt Archivar Olaf Oehlsen und hält ein unscheinbares Papierbriefchen hoch. „Haar seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des Kronprinzen des deutschen Reiches und Preußen“, steht staatstragend in dünner Tintenschrift auf dem Umschlag, und tatsächlich: Im Innern steckt eine blonde Locke Seiner Majestät, geschnitten am 14. Oktober 1826 vom Kammerdiener Wetterling, übergeben an Hermann Sello, den königlichen Hofgärtner.

„Das war sozusagen ein Geschenkartikel, viele Leute haben damals Haarlocken verschenkt oder aufbewahrt“, erklärt Oehlsen. Ein Brauch, der nicht aus der Mode gekommen zu sein scheint: „Von meinen Großeltern und meinen Kindern habe ich auch noch Haare aufbewahrt“, sagt eine Besucherin. Und es gibt noch weitaus mehr Haarproben im Archiv: „Klontechnisch könnten wir hier Preußen wiederauferstehen lassen“, scherzt Oehlsen.

Weiter geht es in den Trakt für Gemälderestauration: Bereits die gewaltigen Außentüren lassen die Größe der Werkstätten dahinter erahnen, immerhin werden hier bis zu fünf Meter hohe Wandbilder angeliefert. Große Fenster, die Richtung Park Sanssouci weisen, sorgen für ein gleichmäßiges, diffuses Nordlicht, das für die Arbeiten im WRZ optimal ist.

„Das ist die ,Venus im Pelz’“, sagt Restaurateur Daniel Fitzenreiter und zeigt auf ein gut zwei Meter hohes Gemälde, das auf einer gewaltigen Staffelei steht. „Das ‚Pelzchen’, wie wir es manchmal nennen“, fügt Fitzenreiter hinzu. Das zwischen 1640 und 1660 entstandene Bild eines unbekannten Malers hat leider einige Blessuren erlitten: „Es hatte einige Löcher und Risse und der Bildträger war durch Stöße verbeult“, sagt Fitzenreiter. Die Restauration des Gemäldes begann also erstmal bei der Rückseite: Durch das Aufkleben von Fasern wurden Risse geflickt und die Leinwand durch das Spannen auf einen Arbeitsrahmen geglättet. Rund ein Jahr dauert die Arbeit an diesem einen Bild: Begonnen wurde im März dieses Jahres, für März 2018 rechnen die WRZ-Mitarbeiter mit der Fertigstellung.

Etwa doppelt so viel Zeit nimmt das Paradebett Friedrichs I. in Anspruch: Das repräsentative Schlafmöbel mit dem steilen Baldachin war das erste große Projekt, dass im WRZ in Angriff genommen wurde. Rund 110 000 Euro kostet die Aufarbeitung des königlichen Bettes, das normalerweise im Berliner Schloss Charlottenburg steht. Restauratorin Sabina Müller zeigt, wie sie den beschädigten „Lambrequins“ – die silberbestickten Stoffstücke, die den Baldachin schmücken – wieder zu alter Pracht verhilft. „Das schwere Silbergewebe zieht natürlich am Stoff, sodass es zu Rissen kommt“, sagt Müller und hält ein rostbraunes Stoffteil hoch. „Ich nehme ein Stützgewebe aus Tüll, färbe es ein und befestige es unter den alten Stoffen.“

Eine Besucherin beugt sich über den reparierten Lambrequin und beschwert sich: „Das sieht man ja gar nicht!“ Müller strahlt: „Soll man ja auch nicht!“

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