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Auf der Plantage. Jochen Fritz im Frühjahr 2017 vor seinen mobilen Hühnerställen.

© Sebastian Gabsch

ZUR PERSON: „Die Preise werden immer weiter gedrückt“

Der Werderaner Bauer Jochen Fritz über die heutige Tierwohl-Demonstration und die Lage der Landwirte

Herr Fritz, sie leiten die Kampagne „Meine Landwirtschaft“, führen die „Wir haben es satt“-Demonstration heute in Berlin an. Sie sind aber auch Bauer. Fahren Sie selbst mit dem Traktor nach Berlin?

Das schaffe ich leider nicht. Aber mein Kompagnon, mit dem ich in einer Betriebsgemeinschaft den Hof in Werder (Havel) betreibe, kommt mit dem Traktor. Ich würde es gern machen, bin hier aber mit der Kampagne ordentlich eingespannt.

Sie fahren aber schon mal Traktor?

Ja klar, sonst könnte ich unsere Wasserbüffel nicht füttern.

Was genau machen Sie?

Wir haben 18 Wasserbüffel für die Naturschutzpflege, die in Plessow und Töplitz stehen. Dann haben wir noch 400 Hühner in Weidehaltung auf unserer Kirschbaumplantage am Obstpanoramaweg in Glindow. Zudem haben wir im vergangenen Jahr 130 Apfelbäume auf unserer Streuobstwiese dort gepflanzt.

Und das Fleisch verkaufen Sie wo?

Die Leute kommen direkt zu uns. Wir haben erst vor drei Jahren, als wir den Hof gestartet haben, mit den Wasserbüffeln angefangen. Die wachsen sehr langsam, fressen nur Gras auf der Weide. Erst im vergangenen Jahr hatten wir unseren ersten Fleischverkauf. Die Nachfrage ist natürlich größer als das Angebot. Aber unser Ziel ist es, den Hof aufzubauen, um langfristig damit auch ein Einkommen daraus erzielen zu können.

Nennen sie sich Bauer oder Landwirt?

Ich bin Bauer, ich bewirtschafte nicht nur das Land. Ich mach das auf Generationen hin, wir wollen eine langfristige Perspektive für den Hof.

Aber Kampagnenchef sind sie auch?

Ich habe drei Standbeine: Die Familie mit vier Kindern, den Hof und die Kampagne. 2011 bin ich nach Berlin gekommen und habe die erste Demonstration organisiert, dann kam erst der Hof in Werder dazu. Noch bin ich Bauer im Nebenberuf, das Haupteinkommen kommt von „Meine Landwirtschaft“. Ich pendle von Werder nach Berlin.

Wo Sie heute die Demonstration anführen, eine der größten jedes Jahr in Berlin.

Mich beeindruckt, dass es so konstant ist. Jedes Jahr sind es mehr als 20 000 Teilnehmer, immer neue Menschen kommen hinzu. Das macht Mut. Und die Kollegen kommen mit dem Traktor aus Franken, aus Friesland, sogar aus Köln, viele aus Niedersagen und Brandenburg.

Plump gefragt: Ist das nur eine Öko-Demo?

Nein, es sind nicht nur Ökobauern, auch konventionelle Bauern, die neue Strategien wollen, also weniger Pestizide, artgerechte Haltung der Tiere. Es geht aber auch grundsätzlich ums Essen: Wir sollten weniger, dafür aber gutes Fleisch essen. Die Bauern müssen einen direkteren Kontakt mit den Verbrauchern in den Städten haben: in der Markthalle, im Bioladen, über den Lieferservice, die solidarische Landwirtschaft. Dann sind sie auch bereit, höhere Preise zu bezahlen. Selbst in normalen Supermärkten zeigt sich, dass die Verbraucher wissen wollen, woher ihr Essen kommt. Essen ist eben politisch.

Warum ist es für Sie so schwer am Markt?

Wir haben die Tendenz, dass die Preise immer weiter gedrückt werden, immer größere Betriebe entstehen. Wie in Brandenburg mit Mastställen für 400 000 Hühnchen oder Schweineställe für 65 000 Tiere. Um diese Entwicklung zu durchbrechen, brauchen wir eine Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik, damit auch die kleineren und mittleren Höfe leben können und umweltfreundliche Tierhaltung möglich ist. Durch die EU-Agrarpolitik bekommt ein Prozent der Betriebe, also die Großen, genauso viel, wie 62 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe. Weil es nach Flächengröße geht.

Was ist die Alternative?

Wir brauchen ein System, das die Betriebe belohnt, die Tiere artgerecht halten, weniger Pestizide einsetzen und den ländlichen Raum beleben - und nicht die Großen oder die Konzern, die sich einkaufen.

Die Fragen stellte Alexander Fröhlich

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Jochen Fritz, 43, ist Vater von vier Kindern, Agraringenieur und hat Biolandwirte in Baden- Württemberg beraten. Seit 2015 züchtet er auf dem Werderaner Biohof gemeinsam mit dem Werderaner Roland von Schmeling und der Töplitzer Bauernfamilie Querhammer Wasserbüffel. Zudem hat der Hof mehrere Flächen für mobile Hühnerställe in Töplitz und Glindow. Verkauft werden die Produkte vor Ort bei Roland Schmeling in der Eisenbahnstraße 158 in Werder. In Werder ist der Biohof der erste Versuch, im größeren Stil ökologische Landwirtschaft zu betreiben.

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