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"Zum ersten Mal vernünftig behandelt": Ausländerbehörde und Flüchtlingshelfer nähern sich an

Nach einem Brandbrief von Flüchtlingshelfern verbessert sich die Situation in Potsdam-Mittelmarks Ausländerbehörde langsam.

Von Eva Schmid

Michendorf - Die Geschäftsführer der Michendorfer Firma „meetB“ sind Experten für Medizintechnik – und Experten im Asylrecht. Die drei Firmenchefs haben in den vergangenen Jahren darum gekämpft, Flüchtlinge ausbilden zu dürfen. Es sei nicht nur der Fachkräftemangel in der Logistikbranche, der das Unternehmen zwinge, neue Wege zu gehen, sagt Geschäftsführer Ulf Stolte. Ihr Engagement sei eben auch „eine menschliche Sache“. Wieso sollen junge, motivierte Menschen in Flüchtlingsheimen die Zeit totschlagen, wenn es doch genügend Arbeit gibt, fragt sich der „meetB“-Chef.

Angefangen hat es vor zwei Jahren: Die Firma mit 75 Mitarbeitern bot jungen Flüchtlingen, die im Caputher Ankerhaus untergebracht waren, Praktika in ihrem Großhandellager für Medizintechnik an. Stoltes Fazit: „Die Jungs sind unglaublich motiviert, zuverlässig und eine Bereicherung für unseren Betrieb.“ Zuvor hatte es die Firma erfolglos mit Zeitarbeitsfirmen probiert, doch viele Zeitarbeiter hörten vorzeitig auf, die Arbeit war ihnen körperlich zu anstrengend, sagte ein weiterer Chef, Dietrich Mantei.

Stolte und Mantei wissen mittlerweile, weshalb sie nach Feierabend lange E-Mails an Landrat Wolfgang Blasig und Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) verfassen. Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie sehr sich die in der Kritik stehende Ausländerbehörde des Kreises mit Sitz in Werder (Havel) querstellen kann.

Keine Antworten

Resonanz auf die Protestschreiben gab es bis heute nicht. Und bei der Ausländerbehörde „war zwei Jahre lang Funkstille“. Die Behördenmitarbeiter reagierten weder auf Briefe, noch auf E-Mails und Anrufe. Dabei brauchte die Firma dringend eine Arbeitserlaubnis für ihre angehenden Azubis. Zuletzt unterzeichneten die Geschäftsführer von „meetB“ zusammen mit weiteren mehr als 100 Unterstützern einen Brandbrief. Darin werden wie berichtet schwere Vorwürfe gegen die Ausländerbehörde erhoben, von „Missständen“ ist die Rede. Sachbearbeiter sollen „geradezu serienmäßig Ausbildungs- und Beschäftigungserlaubnisse verweigern“, heißt es in dem Brief. Geflüchtete müssten häufig mehrmals vergeblich vorsprechen, würden ohne Auskunft wieder weggeschickt, Anträge innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen nicht beantwortet. Wer versuche, telefonisch durchzukommen, scheitere.

Verfasser des Brandbriefs ist der Runde Tisch Asyl und Migration Potsdam-Mittelmark. Das Netzwerk aus Flüchtlingshelfern, Politikern und Unternehmen ist erst im Sommer dieses Jahres zusammengekommen. „Die meisten von uns waren bisher Einzelkämpfer, bei unseren ersten Treffen haben wir gemerkt, dass alle die gleichen Probleme mit der Ausländerbehörde haben“, erzählt Ruth Koschel aus Bad Belzig. Sie hat, nachdem sich Flüchtlinge in ihren Deutschkursen immer wieder beschwerten, die Initiative ergriffen und zusammen mit dem Belziger Forum im Juli ein erstes Treffen einberufen – es kamen 30 Interessierte.

Gemeinsam gegen die Ausländerbehörde

Das Netzwerk wurde schnell größer, per Schneeballsystem sprach sich im Kreis herum, dass man jetzt gemeinsam gegen die Ausländerbehörde vorgehen, und politischen Druck erzeugen wolle. Das Ergebnis des zweiten Treffens mit mehr als 50 Teilnehmern: der Brandbrief. Die Mitstreiter des Netzwerks wollen erreichen, dass Flüchtlinge in Arbeit gebracht werden, und ihnen und den Unternehmen deshalb nicht zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden.

Doch das wird auch in Zukunft nicht einfach zu realisieren sein, auch nicht mit der neuen Leiterin der Behörde. Nadine Dornblut ist seit Anfang September im Amt, ihr Vorgänger ist in Ruhestand gegangen. Eine Anfrage für ein Gespräch mit Dornblut zu der Kritik an der Behörde wurde kurzfristig abgelehnt. Im Januar kommenden Jahres sei die Leiterin eingearbeitet und für ein Gespräch bereit, wie es aus der Pressestelle des Kreises hieß.

Bessere Organisation versprochen

Unterdessen zeigen sich jedoch erste Fortschritte. So bestätigen Mitglieder des Runden Tisches, das ihnen die bisher personell unterbesetzte Behörde auf Schreiben fristgerecht antwortet. Zudem soll es zwischen den Kritikern und der Behördenleitung ein Gespräch gegeben haben, in dem versprochen wurde, dass sich zumindest organisatorisch einiges ändern wird. „Die Mitarbeiter der Behörde sind jetzt an manchen Tagen besonders nett“, sagt Ruth Koschel. Man munkelt, dass an diesen Tagen die Chefin im Haus sein soll. Man werde mit der neuen Leiterin weiterhin das Gespräch suchen, heißt es von Mitgliedern des Runden Tisches.

Auch die Geschäftsführer des Michendorfer Unternehmens machen Unterschiede zu früher aus. Nach einer zweiten, recht wütenden E-Mail, adressiert an die neue Leiterin, hat eine Behördenmitarbeiterin angerufen und mehrere Terminvorschläge gemacht, sagt „meetB“-Chef Stolte. „Als wird dort ankamen, mussten wir keine Nummer ziehen und sie haben uns zum ersten Mal vernünftig behandelt.“

Das nächste Treffen des Runden Tisches Asyl und Migration findet am heutigen Donnerstagabend um 18 Uhr im Haus „Polygon“, dem Michendorfer Flüchtlingsheim, Potsdamer Straße 96, statt.

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