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Pressekonferenz der Gemeinde Stahnsdorf zu den Ergebnissen der Online-Umfrage über die Zukunft des ehemaligen Speisen-Restaurants "Waldschänke".

© Andreas Klaer

Zukunft der Waldschänke: Kritik an Stahnsdorfs Online-Befragung

Nicht nachvollziehbar und nicht sicher, monieren Experten. Wo die Schwachstellen liegen und was die Verwaltung dazu sagt.

Von Eva Schmid

Stahnsdorf - Die Stahnsdorfer Online-Befragung zur Zukunft der Waldschänke steht in der Kritik. Als einen „wohlmeinenden, aber fundamental unbrauchbaren Versuch zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung“ hat die Landtagsabgeordnete Marie Schäffer (Grüne) das Abstimmungsverfahren bezeichnet. Onlineabstimmungen würden „Modernität, Schnelligkeit und Niedrigschwelligkeit“ suggerieren, „opfern dafür aber grundlegende Anforderungen an die Überprüfbarkeit demokratischer Prozesse“, so die Landtagsabgeordnete aus Potsdam. Kommunen, die ihre Einwohner konsultieren, sollten von Auslagerungen an externe Dienstleister und dem Einsatz von Software ohne Verifikationsmöglichkeiten absehen, rät Schäffer. 

Wurde korrekt ausgezählt? Was passiert mit den persönlichen Daten?

Problematisch sei, dass ein großer Teil des Abstimmungsprozesses in den Händen einer privaten Firma liege. Weder für Bürger noch für die Verwaltung sei dadurch die korrekte Auszählung und die Verwendung der personenbezogenen Daten verifizierbar. Schäffer ist Informatikerin und hat vor dem Einzug ins Landesparlament bei der brandenburgischen Landesdatenschutzbeauftragten gearbeitet. 

Die Gemeinde hat wie berichtet für die Befragung die Software des Unternehmens Polyas genutzt. Polyas ist ein Anbieter für Wahlsoftware und hat mit Stahnsdorf nun seinen ersten kommunalen Kunden. Das Unternehmen mit Sitz in Kassel und Berlin verspricht, dass das Abstimmungsverfahren den Wahlgrundsätzen entspreche, so dürfe nur einmal abgestimmt werden, die Wahl findet geheim statt. Auch verspricht das Unternehmen die Umfragen vor größeren Manipulationen zu schützen und verweist darauf, dass die Polyas Software vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert ist. Bürgermeister Bernd Albers (BfB) plant weitere Online-Befragungen.

Hacker spricht von Sicherheitsmängeln

Mängel an der IT-Sicherheit sieht indes Sven Köhler, Mitglied des Potsdamer Ablegers der Hackervereinigung Chaos Computer Club. Wichtig sei, dass jeder Bürger das Wahlgeschehen nachvollziehen könne, auch ohne besondere technische Expertise. Zudem könnten Online-Wahlsoftwareanbieter noch so zertifiziert sein, so Köhler, ein Zertifikat beschreibe nur einen ausgewählten Aspekt. „Das heißt mitnichten, dass das gesamte System mit allen Komponenten sicher ist.“ Die in Stahnsdorf genutzte Variante von Polyas lief in der öffentlichen Cloud der Telekom, „was die Komplexität des Systems weiter erhöht und somit möglicherweise weitere Fehlerquellen und Sicherheitslücken eingeführt hat“.

Ehemaliges Speisen-Restaurant "Waldschänke" in Stahnsdorf
Ehemaliges Speisen-Restaurant "Waldschänke" in Stahnsdorf

© Andreas Klaer

Konfrontiert mit den Vorwürfen erklärte Polyas, dass das Wahlergebnis mit einem „externen Verifikationstool“ überprüfbar sei. Damit könne unter Wahrung des Wahlgeheimnisses eine Nachzählung vorgenommen werden, so Polyas-Sprecherin Anna-Maria Palzkill. Zudem könne ein Wahlvorstand Protokolldateien zur Wahl erhalten. Zu Bedenken an der Telekom-Cloud sagte Palzkill, dass die Plattform ausschließlich in deutschen Rechenzentren bereitgestellt werde und deren Anbieter über viele Zertifikate verfügen würden, „die belegen, dass die Daten datenschutzkonform verarbeitet werden“.

Laut Datenschutz muss Stahnsdorf seine Einwohner informieren

Die Datenschutzbeauftragte des Landes Brandenburgs, Dagmar Hartge, unterdessen sieht bei der Verarbeitung der Daten durch Dritte weniger Probleme. Allgemein gelte, dass die Kommune für die Datenverarbeitung verantwortlich bleibe. So müsse Stahnsdorf die betroffenen Personen über den Umgang mit den erhobenen personenbezogenen Daten informieren. Bürger hätten zudem einen Auskunftsanspruch sowie unter Umständen einen Anspruch auf Löschung von Daten.

Stahnsdorf hat an Polyas für die Erzeugung und Zustellung der Nutzer-ID und des Passworts – was zum Einloggen in die Online-Befragung benötigt wird – den Namen und die Postadresse der 12 629 Wahlberechtigten übermittelt. „Ins Wahlsystem sind nur anonymisierte Informationen ohne personenbezogene Daten übernommen worden“, so Gemeindesprecher Stephan Reitzig. Zudem regle die Kommunalverfassung des Landes, dass Gemeinden in wichtigen Angelegenheiten auch durch eine Einwohnerbefragung die Bewohner beteiligen und unterrichten kann. Auf die Frage, ob die Online-Befragung ausgeschrieben wurde, sagte Gemeindesprecher Stephan Reitzig, „dass laut Gesetz Aufträge auch ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden können, wenn die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann. Das ist hier der Fall.“

Nach Hinweisen zu Schwierigkeiten mit der Befragung in dem sozialen Netzwerk Facebook heißt es jetzt auf der Webseite Stahnsdorfs, dass „aus den gemachten Vorerfahrungen heraus es unabdingbar ist, den jeweiligen Browser in seiner aktuellen Version zu benutzen“.

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