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Die Trauben sind schon groß, die Reben auf dem 6,2 Hektar großenWeinberg hängen voll. Geerntet wird früher als üblich. Wenn Starkregen ausbleibt, erwartet Manfred Lindicke aber einen guten Jahrgang mit einer Ernte zwischen 70 und 75 Tonnen vom Wachtelberg.

© Sebastian Gabsch (Archiv, 2018)

Winzerfest am Wochenende: Winzer in Werder (Havel) blicken hoffnungsvoll auf die Reben

Die Trauben in Werder (Havel) machen einen guten Eindruck. Die Winzer rechnen mit einem starken Jahr. Die Weintrinker müssen sich jedoch umgewöhnen – und eines darf im August nicht passieren.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Inmitten voll hängender Reben wird ab Freitag das Werderaner Winzerfest auf dem Wachtelberg gefeiert. „Die Traubengröße derzeit ist sehr gut, ebenso die Zahl der Trauben an den Reben“, sagt Winzer Manfred Lindicke am Mittwoch gegenüber den PNN. Aufgrund der hohen Temperaturen werde die Ernte wohl mindestens eine Woche früher beginnen können als üblich, genau könne er das aber noch nicht abschätzen. „Jetzt müssen wir nur noch den August gut überstehen, wo es häufig Gewitter gibt.“ Bei zu viel Regen könnten die fast reifen Trauben platzen. Für die Weinherstellung wären sie dann wertlos.

Sollte der Starkregen ausbleiben, rechnet Lindicke mit einer Erntemenge von 70 bis 75 Tonnen. Das liegt zwar unter dem Rekord von 80 Tonnen aus dem vergangenen Jahr, sei aber immer noch ein guter Wert. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre habe man 50 bis 60 Tonnen geerntet. Allerdings sind die Reben inzwischen auch älter und tragen dementsprechend mehr Früchte. Aus einem Kilogramm Trauben kann man etwa eine Flasche Wein herstellen.

Durch die vielen Sonnenstunden der vergangenen Wochen müssen sich Lindickes Stammkunden aber womöglich wie schon im vergangenen Jahr umgewöhnen, der Wein wird lieblicher. Die Pflanzen betreiben bei dem Wetter mehr Photosynthese, dementsprechend wird mehr Zucker in den Trauben eingelagert als in Jahren mit einem durchwachsenen Sommer. Daher entstehen nach dem Keltern statt trockener Weine eher halbtrockene. „Man muss sich entscheiden: Entweder erhöht man den Alkoholgehalt im Wein oder die Süße“, beschreibt Lindicke. Da die Kunden eher leichte Weine bevorzugen würden, habe er sich für die Süße entschieden.

Zehn Rebsorten wachsen auf dem Wachtel- und dem Galgenberg, die Lindicke bewirtschaftet. Daraus werden gut 20 verschiedene Weine gekeltert, so gibt es die Sorten auch jeweils als Roséweine, dazu entstehen in der Kelterei am Plessower Eck noch Cuvés aus verschiedenen Rebsorten. Doch der Favorit ist klar: Jeder fünfte von Manfred Lindicke verkaufte Wein ist ein Müller-Thurgau. Diese Weißweinrebe war die erste, die ab 1985 wieder auf dem Wachtelberg angebaut wurde, damals noch von der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft. Vorher war der Weinbau Jahrezehnte lang aus Werder verschwunden.

Den 2018er-Jahrgang können die Besucher auf dem Winzerfest probieren. Alle im Vorjahr gekelterten Weine sind inzwischen in Flaschen abgefüllt – doch nicht alle gibt es bereits zu kaufen. Denn auch 2017 war ein gutes Jahr für den Winzer, noch immer seien viele Flaschen auf Lager. Lindicke rechnet damit, dass sie im Herbst verkauft sind. „Die Hochzeit des Weintrinkens kommt ja jetzt erst noch.“

Weine aus Werder selten im Restaurant

Im Einzelhandel und am Hof läuft der Absatz: Etwa ein Drittel aller Flaschen verkauft Lindicke im eigenen Laden oder im kleinen Lokal auf dem Wachtelberg, dass von Frühjahr bis Herbst geöffnet ist. Der Rest geht über den Handel – und laut Lindicke noch zu wenig über die Gastronomie. In Werder (Havel) seien seine Weine zwar etwa im Inselhotel oder im Café Jakob erhältlich, in Potsdam im Fischrestaurant Der Butt, am Drachenhaus oder auf dem Campingplatz. Doch noch sei Luft nach oben. Neuere Sorten wie Muscaris, einen kräftigeren Weißwein oder der Rotwein Pinotin würden von der Gastronomie fast gar nicht nachgefragt. Lindicke glaubt, es liegt daran, dass sich die Kellner mit den neuen Sorten nicht auskennen und sie den Gästen nicht beschreiben könnten. Er habe auch versucht, dies durch Informationsblätter zu ändern. Doch das werde kaum nachgefragt. „Ein Riesling verkauft sich eben eher von selbst“, sagt Lindicke.

Dabei seien die neuen Sorten besonders ökologisch: Sie seien resistenter gegen Pilze, er müsse deshalb deutlich weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen. Einige Winzer versuchen, die neuen Sorten in Cuvés mit bekannten zu vermischen, um die Akzeptanz zu erhöhen, so Lindicke. Noch hoffe er aber, dass die Weine auch so, im Laufe der Zeit, beliebter werden.

Dass sich der Geschmack von Kunden verändern kann, hat der Winzer bereits erleben müssen: „Vor Jahren war Rotwein im Kommen, das ist jetzt aber wieder gekippt.“ Auf etwa einem Drittel der 6,2 Hektar großen Anbaufläche des Wachtelbergs wachsen drei Rotweinsorten. In den vergangenen Jahren wurden aber einige Stöcke gerodet, um entsprechend der Nachfrage wieder mehr Platz für Weißweinreben zu schaffen.

Die Rebstöcke vertragen auch den zweiten extrem trockenen Sommer in Folge gut, so der Werderaner Winzer. Zwar gebe es erste Hitzeschäden, wie verbrannte Blätter und Triebe, auch einzelne Wurzeln hätte es erwischt. Die Pflanzen würden das aber überleben. „Große Schäden gibt es bei uns nicht. “

Problematisch ist die Hitze allerdings aus anderer Sicht: Die Gästezahl auf dem Wachtelberg lasse bei über 30 Grad stark nach. Nur ein Teil der Sitzplätze an der Weintiene ist überdacht, ein Großteil auf einer Terrasse in der Sonne. Da gehe der Umsatz zurück. „Für uns sind die optimalen Temperaturen zwischen 23 und maximal 28 Grad.“

Das Programm

Bereits zum 18. Mal wird auf dem Wachtelberg ab Freitag, 26. Juli 2019, für zwei Tage das Winzerfest gefeiert. Neun Winzer aus sieben Anbaugebieten werden ihre Weine präsentieren, unter ihnen ist auch Jens-Uwe Poel. Der Gastronom baut auf dem Phöbener Wachtelberg selbst Reben an. Die Weinstände öffnen am Freitag ab 15 Uhr, am Samstag kann man bereits ab 13 Uhr die verschiedenen regionalen Weine probieren.

Offiziell eröffnet wird das Winzerfest von Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) am Freitag um 18 Uhr. Auch Baumblütenkönigin Madeleine Reichelt und der Weingott Bacchus werden vor Ort sein.

An beiden Tagen spielt ab 17.30 Uhr die Band Megasixties zwischen den Reben. Neben Wein und nichtalkoholischen Getränken gibt es vor Ort Stände mit Flammkuchen, Käse und Fisch sowie Spezialitäten vom Grill. Das Fest wird vom Weinverein Werder organisiert. Er wurde 1995 gegründet und will den historischen Weinbau in der Region fördern. Der Verein hat knapp hundert Mitglieder und präsentiert die Weine der Blütenstadt Werder unter anderem auf der Grünen Woche.

Neben dem Winzerfest organisiert der Verein mehrere Veranstaltungen rund um den Werderaner und den Phöbener Wachtelberg, den Werderaner Galgenberg und den Königlichen Weinberg Potsdam. Nach dem Winzerfest wird am 18. August beim Tag des Galgenberges Kunst auf dem Gelände unter der Werderaner Bismarckhöhe präsentiert.

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