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Windpocken in Kleinmachnow: Nur geimpfte Schüler dürfen Schule betreten

In Kleinmachnow hatte eine Schülerin Windpocken. Das Gesundheitsamt rückt deshalb in der Schule an. Rein durfte nur, wer eine Impfung nachweisen konnte.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Aufregung an der Waldorfschule in Kleinmachnow: Mit Einlasskontrollen haben am Donnerstagmorgen gegen 7.30 Uhr sechs Mitarbeiter des mittelmärkischen Gesundheitsamtes den Impfstatus der Schüler geprüft. Hintergrund ist ein Windpockenfall, der bereits Ende vergangener Woche den Behörden von der Schulleitung gemeldet wurde.

Kontrolliert wurden Schüler der ersten bis achten Klasse. Konnten sie keinen vollständigen Windpocken-Impfschutz oder ein Attest vorweisen, wonach sie die Krankheit bereits hatten, wurden sie bis zum Ende des Monats vom Schulbetrieb ausgeschlossen. Wie viele Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden, blieb am Donnerstag zunächst offen. Die Auswertung der Impfpässe und Atteste dauere noch an, hieß es aus der Behörde.

Gegen das Vorgehen des Gesundheitsamtes protestierten die Schulleitung sowie Eltern.

„Diese Maßnahme halten wir für völlig überzogen“, sagte Katrin Falbe, Geschäftsführerin der Kleinmachnower Waldorfschule. In einem Schreiben kündigte die Schule an, rechtliche Schritte zu prüfen. Die Schule mit derzeit 400 Schülern besteht seit 1990, Falbe leitet sie seit zwölf Jahren. Seitdem seien einige Fälle von Windpocken oder Masern aufgetreten. Kontrollen wie die am Donnerstag jedoch habe es noch nie gegeben; auch von anderen Schulen habe Falbe davon noch nicht gehört. Sie fragt sich, ob das Vorgehen der Behörden verhältnismäßig ist. Bisher habe die Schule bei ansteckenden Krankheiten immer sofort das Gesundheitsamt informiert. Zudem würden die Eltern benachrichtigt, auf dem gesamten Schulgelände gebe es Aushänge.

Von der kurzfristigen Anordnung der Impfbuchkontrolle sei sie völlig überrascht gewesen, sagte die Schulleiterin. Ihr sei nichts anderes übrig geblieben, als den Behördenmitarbeitern am Donnerstagmorgen Zutritt zu gewähren. Erst am Mittwochnachmittag, nach einem Gespräch mit dem Gesundheitsamt, konnte sie die Eltern über die Aktion informieren. „Ich schätze, dass viele Kinder daraufhin gar nicht erst gekommen sind.“ Sie bedauere, dass mit der Impfkontrolle die Waldorfschule in ein bestimmtes Licht gerückt werde. „Dabei gibt es bei uns nicht nur Impfgegner, sondern auch viele Impfbefürworter – genau so wie an anderen Schulen auch.“ Viele Eltern seien durch die Kontrolle verunsichert und verärgert.

Empörte Eltern

So auch Johann Schilling. Der Vater einer Schülerin der Waldorfschule bezeichnet das Vorgehen des Gesundheitsamtes als Schikane. Er eilte am Donnerstagmorgen zur Kinderärztin, um sich das Attest über eine bereits erfolgte Windpockenerkrankung ausstellen zu lassen. Die Tochter meldete er krank. Am Mittag habe das Gesundheitsamt dann bei ihm angerufen, sagte er den PNN. Man habe wissen wollen, ob die Tochter wirklich krank sei oder kein vollständiges Impfbuch habe.

Nur bei Vorlage eines Attests dürfe sie die Schule wieder besuchen, Zuwiderhandlungen würden als Ordnungswidrigkeit zur Anzeige gebracht. Schilling sieht darin einen politischen Versuch, Impfkritiker einzuschüchtern. „Mit solchen Kontrollen, die ja jetzt jederzeit wieder stattfinden können, wird mir deutlich gemacht: Wenn du einen reibungslosen Schulalltag möchtest, dann lasse dein Kind impfen.“ Dass die Behörde solche Maßnahmen bei einer Windpockenerkrankung vornehmen, sei überzogen. „Bei Masern, Mumps oder Röteln könnte ich das ja noch verstehen.“

Das Gesundheitsamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark verteidigte sein Vorgehen und berief sich am Donnerstag gegenüber den PNN auf das Infektionsschutzgesetz. Die Einlasskontrollen seien notwendig gewesen, um das Ausbreiten der hoch ansteckenden Krankheit zu verhindern und drohende Gefahren für Einzelne abzuwenden. So bestehe bei Windpocken das Risiko, an weiteren Komplikationen wie zum Beispiel einer bakteriellen Infektion der Haut, Lungenentzündung, Gleichgewichtsstörungen und eine Reizung der Hirnhäute zu erkranken.

Keine ähnlichen Maßnahmen bekannt

Wie oft derartige Einlasskontrollen mit Impfbuchkontrollen an Schulen im Landkreis bisher vorgenommen worden sind, dazu äußerte sich die Behörde auf Anfrage nicht. Kreissprecher Schwinzert allerdings hat von solchen Maßnahmen bisher noch nichts gehört. Das komme eher an Kitas vor. Der Sprecher des brandenburgischen Gesundheitsministeriums, Gabriel Hesse, erklärte gegenüber den PNN, dass dies eine „ganz normale Maßnahme“ von Gesundheitsämtern sei, die vom Robert-Koch-Institut empfohlen werde und durch das Bundesgesetz geregelt sei. Statt dem von den Teltower Behörden angesetzten zehntägigen Ausschluss vom Schulbetrieb empfehle das Robert-Koch-Institut bis zu 16 Tage.

Auch der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Niederlausitz, Hendrik Karpinski, hat Verständnis für die Aktion in der Schule. „Es ist Aufgabe des Gesundheitsamtes, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern“, sagt er auf PNN-Anfrage. Er rechne damit, dass immer mehr Kitas und Schulen einen Impfnachweis verlangen werden. Ob ein Kind geimpft wird oder nicht, sei zwar eine Individualentscheidung, sagte der Kinderarzt. „Aber es geht immer auch um die Gruppe.“ Eltern müssten sich darüber im Klaren sein, dass ungeimpfte, kranke Kinder auch ein Ansteckungsrisiko für andere mit sich tragen. Unter Impfgegnern kursierten vielfach falsche Informationen, die oft über soziale Medien verbreitet würden. „Da wird zum Beispiel gesagt, dass durch das Impfen das Risiko für Autismus steige. Das ist wissenschaftlich längst widerlegt“, so der Chefarzt. (mit Marion Kaufmann)

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