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Erst jüngst spazierte eine ganze Rotte durch eine Kleinmachnower Straße.

© Gregor Fischer/dpa

Wildschweinplage in Stahnsdorf und Kleinmachnow: Mit FBI-Munition auf Wildschweinjagd

Jäger berichten mittlerweile von Rotten mit bis zu 50 Tieren und fürchten um die öffentliche Sicherheit in Stahnsdorf und Kleinmachnow.

Kleinmachnow - Jagdpächter Peter Hemmerden hatte gerade erst vier Wildsauen im Bannwald geschossen, als er vor der Eigenherd-Schule in Kleinmachnow erneut 50 Tiere über die Straße spazieren sah. „Eine so starke Rotte hatte ich bis dahin noch nie zuvor gesehen“, so Hemmerden. In dem Moment habe er gewusst, dass der Wildschweinplage in seinem Revier mit herkömmlichen Jagdmethoden nicht mehr beizukommen sei, sagt er. Bisher waren in Stahnsdorf und Kleinmachnow jeweils rund 70 Tiere jährlich innerorts gesichtet worden.

Selbst 100 Jäger wären nicht genug

Nachdem seit Anfang des Jahres in beiden Orten immer wieder Wildschweinrotten aufgetaucht waren, im Februar sogar ein blutendes Wildschwein durch einen Stahnsdorfer Frisörsalon getobt war, war es zuletzt ruhig um die borstigen Tiere geworden.

Die Ruhe täusche allerdings, betont Peter Hemmerden. Im Jagdrevier Stahnsdorf-Kleinmachnow seien inzwischen 15 Jäger mit der Wildschweinbekämpfung beschäftigt. „Aber wir könnten auch 100 Jäger sein und kämen dagegen trotzdem nicht an“, sagt der Jagdpächter. Grund sei auch, dass die Tiere mit herkömmlicher Munition innerorts kaum wirksam bejagt werden könnten.

Gemeinden wünschen sich neue Diskussion

Hemmerden hatte im Februar einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für die deutlich geräuschärmere Jagd mit Pfeil und Bogen beim Brandenburgischen Landwirtschaftsministerium gestellt. Dieser war schließlich abgelehnt worden, weil sich auf eine Ausschreibung hin keine Einrichtung meldete, die das Vorhaben wissenschaftlich begleiten wollte.

Sowohl die Gemeinde Kleinmachnow als auch die Gemeinde Stahnsdorf befürworten die Pfeil- und Bogenjagd jedoch nach wie vor. „Die bisher Beteiligten möchten auch weiterhin wissenschaftliche Pionierarbeit auf Bundesgebiet leisten“, sagt der Stahnsdorfer Gemeindesprecher Stephan Reitzig auf PNN-Anfrage. Man erwarte diesbezüglich in Stahnsdorf mit Spannung die künftige Besetzung im Brandenburgischen Landwirtschaftsministerium, um möglicherweise einen weiteren Anlauf zur Bogenjagd zu unternehmen. Und auch Martina Bellack, Gemeindesprecherin von Kleinmachnow, betont: „Wir stehen der Jagd mit Pfeil und Bogen nach wie vor positiv gegenüber.“

Tierschützer verhinderten Genehmigung

Die Jagdmethode ist in vielen europäischen Ländern sowie auch in den USA und Kanada gesetzlich erlaubt. In Deutschland sieht das Bundesjagdgesetz vor, dass sie nur in Ausnahmefällen praktiziert werden darf. Demnach kann die oberste Jagdbehörde das Verbot der Bogenjagd unter anderem lockern, um Wildseuchen zu bekämpfen oder übermäßige Wildschäden zu vermeiden.

Gescheitert war die Pfeil- und Bogenjagd in Stahnsdorf und Kleinmachnow Anfang Juni jedoch vor allem am Druck, den Tierschützer ausgeübt hatten. So hatten die Tierschutzorganisation Peta und der brandenburgische Landestierschutzbund angekündigt, den Brandenburgischen Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) zu verklagen, sollte er die Jagdmethode genehmigen. Auch der Deutsche Jagdverband und der Tierschutzbund hatten das Vorhaben kritisiert.

„Es gab weder in Kleinmachnow und Stahnsdorf noch im Rest Deutschlands eine Akzeptanz für diese Art der Bejagung“, sagt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade auf PNN-Anfrage. Derzeit würden mit dem Landeskompetenzzentrum Forst  Alternativen diskutiert wie die Idee modifizierter Munition, die beim Schuss zu einem geringeren Geräuschpegel führt.

Geräuschärmere Munition als Kompromiss

Peter Hemmerden hat zuletzt die Erlaubnis beantragt, mit Munition schießen zu dürfen, die in den USA unter anderem bei Antiterroreinsätzen des FBI zum Einsatz komme. Allerdings würde auch diese Munition die Tiere wahrscheinlich verschrecken, so der Jagdexperte. „Ich habe bereits Tests gemacht, bei denen sich nur geringe Verbesserungen zu herkömmlicher Munition ergeben haben.“

Bis das Ministerium über seinen Antrag entschieden hat, versuchen er und sein Team die Wildschweinplage zusätzlich mit Lebendfallen einzudämmen. Besonders an Stellen, an denen Kinder oder ältere Menschen durch die Schweine gefährdet werden könnten, stellen die Jäger solche Fallen auf, sagt Hemmerden. Sie würden regelmäßig kontrolliert, damit kein Tier darin unnötig leiden müsse.

Tiere finden immer weniger Rückzugsmöglichkeiten

Grund für die zunehmenden Plagen durch einzelne Tierarten ist aus Sicht des Jagdpächters auch die immer größere Bebauungsdichte. „Als ich vor 20 Jahren nach Kleinmachnow zog, war es hier noch viel ländlicher, das Wild hatte viel mehr Rückzugsmöglichkeiten.“ Innerhalb von Wäldern gelte das Wildschwein unter Jägern nicht als Schädling. „Da helfen sie sogar den Pflanzen, indem sie die Erde auflockern“, sagt Hemmerden.

Sollte sich die Wildschweinplage  weiter verschärfen, sieht sich Hemmerden langfristig  nicht mehr in der Lage, sie mit den ihm zur Verfügung stehenden Jagdmethoden zu bekämpfen. Bei Rotten von 50 Tieren und mehr wäre die einzige wirksame Methode, um die Population  zu dezimieren, die Tiere in ein Gehege zu treiben und dort zu töten. „Das hat aber mit Jagd nichts mehr zu tun und weder ich noch meine Kollegen wären zu so etwas bereit“, so der Jagdpächter. Wenn die Wildschweine sich weiterhin unkontrolliert vermehren, werde allerdings bald ein Punkt erreicht sein, an dem die öffentliche Sicherheit  in Stahnsdorf und Kleinmachnow gefährdet sei, so Hemmerden.

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