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In Kleinmachnow und Stahnsdorf treiben sich die Wildschweine nicht nur in Waldgebieten herum, sondern auch in den Ortschaften.

© picture alliance/dpa

Wilderei in Potsdam-Mittelmark: Wildschwein mit Pfeil niedergestreckt

In Kleinmachnow kommen Wildschweine fast täglich vorbei – das wollte jemand nun brutal unterbinden. Der örtliche Jagdpächter musste die trächtige Bache erlösen.

Kleinmachnow - Für Kathrin Störl war es ein grausamer Anblick: An der Märkischen Heide in Kleinmachnow liegt am Sonntagmorgen eine trächtige Bache blutend am Boden, in ihrem Körper steckt ein Pfeil. Anwohner rufen die Polizei – das Tier lebt noch. Kurz nach dem Fund erlegt Jagdpächter Peter Hemmerden das Wildschwein. „Es war zu schwer verletzt. Es hätte nur noch Qualen erlitten.“

Hemmerden spricht von einem „ganz ärgerlichen Vorfall von Selbstjustiz und Tierquälerei“. Die Bache sei hochträchtig gewesen, sie habe Föten in ihrem Bauch getragen. Muttertiere stünden unter gesetzlichem Schutz. „Das ist schon eine echt üble Sache.“ Die Jagd mit Pfeil und Bogen ist in Deutschland gesetzlich verboten.

Die Bache Bert wurde illegal mit einem Pfeil beschossen.
Die Bache Bert wurde illegal mit einem Pfeil beschossen.

© Peter Hemmerden

Wildschweine gehören in Kleinmachnow wie auch im benachbarten Stahnsdorf für viele Anwohner fast schon zum Ortsbild. Die tote Bache war bekannt: Das Tier sei immer gemeinsam mit einem anderen Wildschwein durch das Gebiet gezogen, weiß Anwohnerin Störl. Man habe ihnen schon Namen gegeben: „Ernie und Bert.“

Bert ist jetzt tot. Ernie, so Störl, ziehe seitdem alleine umher. Am Sonntag habe er nur einige Meter von dem toten Tier entfernt gestanden.

Auch Anwohner Ralf Schiweck kennt die Tiere. „Die kommen häufig morgens die Straße entlang. Das ist schon nicht mehr ungewöhnlich. Wir haben uns daran gewöhnt.“ Von den Tieren gehe keine Gefahr aus, wenn man sie nicht provoziere. In der Regel seien zwei bis vier Schweine gemeinsam unterwegs, aber er habe auch schon einmal bis zu 20 Tiere in einer Gruppe erlebt. „Die sind dann zur Seite gegangen“, erinnert er sich. 

Pächter mahnt: „Lasst es mit der Fütterung“

Der Garten der Schiwecks ist eingezäunt, auch, um die Wildschweine abzuhalten. Zwar habe man schon einmal erlebt, dass ein Schwein über den Zaun gesprungen sei und im Garten etwas herumgewühlt habe. Aber das komme eher selten vor. Jäger Hemmerden sagt: „Wildschweine sind Gemütsmenschen. Die springen eigentlich nur, wenn sie in die Enge gedrängt werden.“ 

Eins stört Hemmerden aber besonders: „Lasst es mit der Fütterung“, mahnte er. Man gewöhne die Tiere so zu sehr an die Umgebung. Wildschwein Ernie sei ungewöhnlich zutraulich gewesen. „Fast wie ein Hund.“ Wenn man die Tiere auf der Straße treffe, sollte man sich ruhig verhalten und aus dem Weg gehen. Dann gehe von ihnen auch keine Gefahr aus. Und im eigenen Garten? „Bloß nicht mit Besen oder Schaufel auf sie losgehen. Dann fühlen sie sich bedroht. Das kann gefährlich werden. So, wie sie reingekommen sind, gehen sie auch wieder raus.“ Der Fluchtweg müsse frei sein.

Auf Achse. Ernie und Bert liefen oft durch Kleinmachnow. 
Auf Achse. Ernie und Bert liefen oft durch Kleinmachnow. 

© /PNN

Nicht alle in Kleinmachnow sind einverstanden mit dem Besuch der Wildschweine. Hemmerden sagt, er bekomme Schreiben in denen stehe, dass er etwas gegen die Tiere unternehmen solle.

2019 hatte das Landesumweltministerium wegen des Wildschweinaufkommens in Stahnsdorf und Kleinmachnow geprüft, den Beschuss mit Pfeil und Bogen zuzulassen. Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers (Bürger für Bürger) forderte, alternative Jagdmethoden wie die Bogenjagd zu untersuchen. Das Pilotprojekt sollte von einer wissenschaftlichen Einrichtung begleitet werden. Diese ließ sich aber nicht finden. Das Projekt kam nicht zustande.

Jagdpächter Peter Hemmerden.
Jagdpächter Peter Hemmerden.

© Tobias Reichelt

Vermutlich war in Kleinmachnow ein Amateur am Werk

Der Deutsche Jagdverband sieht derzeit den Einsatz von Pfeil und Bogen kritisch. Bei der Bogenjagd sei die Gefährdung von anderen Menschen oder Tieren gerade im urbanen Raum nicht abschließend geklärt. „Das ist ein großes Experiment“, sagte Sprecherin Anna Martinsohn. „Sollten derartige Schritte eingeleitet werden, ist eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes erforderlich.“

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Hemmerden hätte die Erlaubnis vom Ministerium für die Bogenjagd gern gesehen. Wie auch andere Befürworter, meint er, dass die Bogenjagd im urbanen Raum weniger gefährlich sei als die Jagd mit Schusswaffen. Mit Blick auf die erlegte Bache sagte Hemmerden: „Das ist natürlich ein ganz schlimmes Beispiel.“ Der Pfeil sei gezielt in den Herz-Lungenbereich geschossen worden. 

Mit diesem Pfeil wurde auf das Wildschwein geschossen.
Mit diesem Pfeil wurde auf das Wildschwein geschossen.

© Kathrin Störl

Er habe zwar eine Jagdspitze gehabt, sei aber ziemlich sicher mit einer Armbrust abgeschossen worden. „Die hat viel zu wenig Energie, um das Tier zu töten. Das ist nur Quälerei.“ Da sei ein Amateur am Werk gewesen. Hemmerden hat Strafanzeige wegen Jagdwilderei erstattet. Die Polizei verwies am Montag auf die laufenden Ermittlungen. „Das werden wir mit allen Möglichkeiten des Gesetzes ahnden“, so Hemmerden.

Wie viele Wildschweine in Kleinmachnow unterwegs sind, lässt sich laut Gemeinde nicht zählen. Hemmerden weiß, dass jährlich etwa 100 Tiere zu Tode kommen. Schon im vergangenen Jahr habe es eine Wilderei in Kleinmachnow gegeben. Der Fall sei eingestellt worden.

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