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Die Apothekerinnen Claudia Hilbert-Schiller (r.) und Martine Miserius (l.).

© Sebastian Rost

Wie die Coronakrise erfinderisch macht: Desinfektionsmittel aus dem eigenen Labor

Eine Michendorfer Apothekerin stellt Desinfektionsmittel selbst her – und kann nun dank vieler Helfer aus der Nachbarschaft wichtige Einrichtungen in ihrer Region versorgen .

Von Sarah Stoffers

Michendorf/Nuthetal - Seit Wochen ist Desinfektionsmittel in den Apotheken und Drogerien ausverkauft. Nachbestellungen bei den Händlern sind kaum möglich. Claudia Hilbert-Schiller, Inhaberin der Klee Apotheke in Michendorf und der Sonnen Apotheke in Nuthetal, hat gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Mitarbeitern alles in Bewegung gesetzt, um das dringend benötigte Mittel selber in ihren Laboren herstellen zu können. Damit sollen vor allem Arztpraxen, Pflegedienste, Supermärkte und Arbeitgeber in Michendorf und Nuthetal beliefert werden, um ihre Mitarbeiter zu schützen. Auch Unternehmen, deren Angestellte im Außendienst unterwegs sein müssen, sollen das Mittel bekommen.

Alle Bestandteile waren innerhalb von zehn Minuten ausverkauft

Die Idee, das Desinfektionsmittel selber herzustellen, kam der Michendorfer Apothekerin bereits vor einigen Wochen. Mit dem Ausbruch der Coronakrise habe es auch in ihren Apotheken eine wahnsinnige Nachfrage gegeben. „Innerhalb von zwei Tagen waren alle Fertigprodukte ausverkauft“, so Hilbert-Schiller. Das sei ganz besonders fatal für diejenigen, die in den medizinischen Berufen arbeiten, wie etwa Ärzte und Pfleger.

Die Landesapothekerkammer Brandenburg reagierte auf die Engpässe und gab vor rund drei Wochen die Herstellung von Desinfektionsmittel in den Apotheken frei. „Alle Bestandteile waren danach innerhalb von zehn Minuten nicht mehr erhältlich“, sagt Hilbert-Schiller, die seit 22 Jahren ihre Apotheken betreibt. Seither versuchte ihr Team unermüdlich über Netzwerke, die beiden Gemeinden und den Landkreis an das benötigte Ethanol und Isopropanol zu kommen.

Die Zutaten für ein Desinfektionsmittel.
Die Zutaten für ein Desinfektionsmittel.

© Sebastian Rost

Jemand brachte sogar seinen Primasprit aus der DDR vorbei

Die 50-jährige Apothekerin ist Vorsitzende des Freien Unternehmer Netzwerk Michendorf (FUN e.V.), über das sie bei regionalen Unternehmen und Handwerksbetriebe ebenfalls um Unterstützung bat. Die Resonanz war riesig. „Es ist wirklich toll. Es haben sich so viele Leute gemeldet“, sagt Christoph Hilbert, Mitgeschäftsführer und Ehemann von Hilbert-Schiller. Das derzeit geschlossene Gymnasium Michendorf stellte Isopropanol aus seinem Chemieraum zu Verfügung stellen. Auch Martin Wallroth, Chef der Leuchtenschmiede Mawa Design in Langerwisch, bot der Apotheke sofort seine Hilfe an.

Viele hätten dabei geholfen, Kontakte zu Unternehmen und Produzenten herzustellen. Jemand habe sogar seinen Primasprit aus der DDR aus dem Keller geholt und vorbeigebracht, erzählt Hilbert-Schiller. „Das dürfen wir alles aber gar nicht verwenden“, sagt die Apothekerin. Denn der Alkohol muss eine bestimmte Konzentration haben und für die Herstellung des Desinfektionsmittels von der Apothekerkammer erst freigegeben werden.

Brennereien und Brauereien stellen Alkohol zur Verfügung

Die politischen Verantwortungsträger und die Apothekenkammer hätten angesichts der Lage jedoch sehr schnell reagiert, sagt Hilbert-Schiller. In den kommenden Tagen wird die Landesapothekerkammer die freigegebenen Unternehmen und Betriebe, die Alkohol für die Herstellung liefern dürfen, auf ihrer Webseite auflisten. Außerdem hat die Bundesregierung beschlossen, die Branntweinsteuer auszusetzen. So können die Apotheken nun steuerfrei reinen Alkohol von Brennereien und Brauereien beziehen, der in den Betrieben bei der Herstellung abfällt. Die Whiskybrennerei vom Volks- und Siedlerhof in Werder und einige andere hätten bereits ihre Hilfe angeboten, sagt Hilbert-Schiller.

In ihren Laboren könnte das Team nun in einem Durchgang gut zehn Liter Desinfektionsmittel produzieren. Doch ein Problem gibt es noch: „Wir können jetzt endlich herstellen, aber dafür können wir nicht abfüllen“, erklärt Hilbert-Schiller. Denn für das Desinfektionsmittel werden Flaschen benötigt, die 250 oder 500 Milliliter fassen können. Sie sollten aus der Kosmetikindustrie kommen, am Besten mit Pumpfunktion oder einem Zerstäuber. Aber auch dafür werde es eine Lösung geben, ist die Apothekerin zuversichtlich.

Enormer Ansturm in den Apotheken

Neben der Desinfektionsmittelherstellung ist das Apothekenteam mit vielen weiteren Aufgaben beschäftigt: Seit Ausbruch der Krise seien 65-Stunden-Wochen für alle 38 Mitarbeiter von Hilbert-Schiller normal geworden. Um ihr Team zu schützen und die Versorgung der Patienten mit Medikamenten zu sichern, arbeiten die Mitarbeiter der beiden Apotheken strikt getrennt. Da es nicht genügend Mundschutzmasken gibt, wurde Plexiglas auf die Theken gestellt, die als Nies- und Spuckschutz dienen.

Der Ansturm in den letzten Wochen sei enorm gewesen. „Wir haben rund 30 Prozent mehr Kundenfrequenz und viel mehr Betreuungsaufwand“, sagt Hilbert-Schiller. Viele Kunden seien verunsichert und ließen sich beraten. Zudem seien die Bestellungen am Telefon und per App in die Höhe geschnellt. „Wir haben unseren Botendienst ausgeweitet. Wir sind die ganze Zeit dabei, die Waren ran zu schaffen, einzupacken und sie an die Patienten auszuliefern.“ Auch die Lieferengpässe bei Medikamenten seien ein Problem, mit dem ihr Team, so gut es geht, umgehen würde. „Wir und auch die anderen Apotheken bestellen für unsere Kunden nur im Bedarfsfall, so dass diejenigen die wirklich die Medikamente brauchen, sie auch bekommen.“

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