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Grüne Baulücke. Wo jetzt noch die Straße saniert wird, soll die Einfahrt zum neuen Discounter und zum Wohnquartier sein.

© hkx

Potsdam-Mittelmark: Widerstand gegen neuen Discounter

Mitglieder der Initiative „Unsere Eisenbahnstraße“ warnen vor 1100 Quadratmeter großem Netto-Markt

Werder (Havel) - Gegen die Pläne für einen neuen Netto-Markendiscounter in der Eisenbahnstraße formiert sich Widerstand: Mitglieder der Bürgerinitiative „Unsere Eisenbahnstraße“, die schon gegen Lindenfällungen bei der Straßensanierung protestiert hatte, haben in mehreren Stellungnahmen davor gewarnt, einen weiteren großen Discounter in Werder zu bauen und in die städtebaulichen Strukturen der Eisenbahnstraße einzugreifen. Netto will, wie berichtet, eine 500 Quadratmeter große, veraltete Filiale an den Bahnschranken schließen. Dafür soll rund 300 Meter stadteinwärts ein gut doppelt so großer Neubau errichtet werden.

In einer Mitteilung kritisierte die Initiative, dass die Unterlagen des Bebauungsplanentwurfs vom 17. Juni bis 19. Juli größtenteils in den Sommerferien öffentlich ausgelegt worden waren. Sie seien auch nicht, wie sonst üblich, im Internet veröffentlicht worden. „Folglich mussten sich Interessierte im Rathaus durch die 115 Seiten quälen“, wie es in der Mitteilung heißt. Mehrere Mitglieder der Initiative haben das getan.

So hat die Medienwissenschaftlerin Carmen Diening auf neun Seiten anhand vorhandener Statistiken dargelegt, dass Werder bereits mit Discountern überversorgt sei. Auf jeden Bundesbürger würden im Schnitt 1,46 Quadratmeter Verkaufsfläche entfallen, in Werder seien es mit dem neuen Einkaufszentrum in den Havelauen 2,14. Sie erinnerte an ein fünf Jahre altes Handelsgutachten der Uni Bonn mit dem Büro Regioconsult, in dem von einem Überangebot an Supermärkten und Discountern die Rede war. Die Kaufkraft der Einwohner deckten die branchenüblichen Umsätze demnach nur zu 60 Prozent.

Eine jüngere Erhebung der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg bestätigt, dass die Kaufkraft das Angebot an Nahrungs- und Genussmitteln schon jetzt weit unterschreitet. Die sogenannte „Zentralitätskennziffer“ beträgt in Werder demnach 133 Prozent. Die sechs Discounter würden die Einzelhandelslandschaft in Werder bereits prägen, meint Diening. Der Bedarf an einem siebenten sei im Bebauungsplanentwurf nicht eindeutig nachgewiesen worden.

Auch die Architektin Cornelia Thömmes hat in ihrer Stellungnahme besonders die städtebauliche Einordnung des Discounters kritisiert. Der Neubau des Marktes mit einer Verkaufsfläche von 1100 Quadratmetern sei ein erheblicher Eingriff in den Wohnbereich und verletze die Anwohner in ihrem „Gebietserhaltungsanspruch“. Für die Eisenbahnstraße seien langgezogene Grundstücke mit großen Gärten im Innern charakteristisch, außerdem das abfallende Gelände zwischen Hohem Weg und Havel. Bei dem geplanten Neubau werde das nicht beachtet, das tiefliegende Bauareal solle im Gegenteil über zwei Meter aufgeschüttet werden. Im Schallgutachten sei darüber hinweggegangen worden, die neue Höhenlage verändere aber die Schallausbreitung. Auch alte und geplante Wohnhäuser seien unterschlagen worden. „Das Schallgutachten ist mangelhaft“, so Thömmes. Außerdem kritisiert sie einen zehn Meter hohen Werbepylon.

Der Architekt Wolfgang Wittig moniert, dass ohne Begründung ein verkürztes Bebauungsplanverfahren geführt und auf eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung verzichtet wurde. Aus seine Sicht hätte es ein gemeinsames Bebauungsplanverfahren mit dem unmittelbar nebenan geplanten neuen Wohngebiet mit 60 Wohneinheiten geben müssen. Er fürchtet Störungen durch Lärm, Gerüche, massiven Verkehr und Licht. „Diese Veränderung unseres Orts- und Landschaftsbildes wird billigend und ohne Not in Kauf genommen für einen Discounter, der kein Nahversorger ist.“

Der IT-Berater Holm Diening bemängelt in seiner Stellungnahme, dass mit der geplanten Gebäudehöhe von über sieben Metern der Baukörper eine Baumarktes, nicht aber eines Nahversorgers entstehe. „Die restlichen Supermärkte der Stadt Werder kommen allesamt über eine Traufhöhe von fünf Metern nicht hinaus.“ Kritisch merkt er an, dass eine Linde für die Zufahrt gefällt werden soll.

Das Projekt war schon in der Diskussion der Stadtverordneten nicht unumstritten. Nachdem es im Bauausschuss abgelehnt worden, war, gab die Stadtverordnetenversammlung – trotz mehrerer kritischer Wortmeldungen – vor einem Jahr mehrheitlich mit 15 zu neun Stimmen ihre Zustimmung für ein Bebauungsplanverfahren. Der Expansionsschef von Netto, Alexander Rehfeldt, hatte zuvor argumentiert, dass das 6000 Quadratmeter große Nahversorgungszentrum in den Havelauen mit einem Vollversorger und einem Discounter nie gebaut werde. Es wird im August eröffnet.

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