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Potsdam-Mittelmark: Werdersche Fleischerdynastie

Karl Diedloff stellte Ergebnisse der Familienforschung für neues Buch zur Verfügung

Werder - Am 23. August wird Baldur Martin sein neues Buch vorstellen. Unter dem Titel „Zeitsprünge“ folgt der Vorsitzende des Heimatvereins darin in historischen und aktuellen Fotos und Texten Familienschicksalen aus Werder (Havel). Dazu gehören die Diedloffs, eine bis aufs 18. Jahrhundert zurückgehende, man kann sagen, „Fleischerdynastie“. Karl Diedloff, der mit seiner Frau Ingrid Mitglied des Heimatvereins ist, hat dafür Unterlagen zur Verfügung gestellt.

Urkundlich wird sein Vorfahr Gottfried Diedelhoff bereits 1735 genannt. Der aus Charlottenburg gekommene Meister zählte zu den Gründern der Werderaner Fleischerinnung. Er verpflichtete sich, zur Tilgung der „wegen des Privilegi und Lade“ gemachten Schulden jährlich 16 Groschen zu erlegen. Die Fleischerei ging auf den Sohn Samuel und dann den Enkel über. Johann Samuel Diedloff wird am 17. Februar 1792 bescheinigt, dass er „nach Vorschrift des Privilegii die Schätzung eines Ochsen, eines Schweins und eines Kalbes verrichtet und bei geschehener Nachwiegung der Unterschied der Schätzung gegen das Gewicht nicht erheblich gewesen und bei dem Schwein acurat zugetroffen“. Daraufhin wurde er vom „versammelten Gewerck“ als Meister aufgenommen.

Die Bedeutung der Familie für Werder lässt sich jedoch nicht auf ihr Handwerk beschränken. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Hermann Diedloff zum ehrenamtlichen Verkehrsdezernenten der Stadt bestellt. Auch sein Sohn Karl hatte dieses Amt inne und ersetzte die Pferdestraßenbahn 1928/29 durch eine Busflotte.

Nach dem Krieg traf die Familie dann jedoch die volle Härte der stalinistischen Repressionen. Meister Friedrich Diedloff wurde 1946 vom russischen Geheimdienst NKWD verhaftet, dann an die ostzonalen Behörden übergeben und in den berüchtigten Waldheimer Prozessen zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde als Nazi-Aktivist und Teilnehmer des Judenpogroms im November 1938 beschuldigt. Sein Bruder Karl Diedloff jun. und andere Geschwister kämpften vergeblich gegen diese Unterstellungen an.

So wurden sie mit Zeugenaussagen beim DDR-Innenministerium vorstellig. Friedrich Diedloff war bei der Einfahrt in seine auf dem Gelände des jüdischen Kaufhauses Jakob gemietete Garage zufällig Zeuge der Verwüstungen geworden, die die Nazis dort in der „Reichskristallnacht“ im November 1938 anrichteten.

Später unterstützte er den mit dem Judenstern gekennzeichneten Herrn Jakobs gelegentlich mit Wurst, die er im Schutz der Dunkelheit übergab. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP hatte er bereits Anfang der 40er Jahre beendet. All diese Aussagen konnten Friedrich Diedloff jedoch nicht retten. 1956 kehrte er als körperlich und seelisch gebrochener Mann aus dem Zwangsarbeitslager zurück und verstarb 1967.

1949 wurden Betrieb und Grundbesitz, das gesamte Vermögen, enteignet. Die Fleischerei war nun HO-Verkaufsstelle, kurz vor der Entlassung Friedrich Diedloffs wurde auch das Schlachthaus in einer Nacht- und Nebelaktion ausgeräumt und demoliert. Die ihrer Existenz beraubte Familie ging in den Westen. Karl Diedloff jun. hatte diesen Schritt bereits nach dem Abitur getan, da er als Bruder eines politischen Häftlings keine Aussicht auf einen Studienplatz besaß.

Nach dem Studium der Elektrotechnik war er bei der AEG und Siemens und danach vier Jahrzehnte in leitender Stellung in der Sendetechnik des SFB tätig. Die Verbindung zu seinen Werderaner Wurzeln hat Karl Diedloff ebenso wie seine Frau, die er schon als Kind kennen gelernt hatte, in dieser langen Zeit nie verloren und zog nach der Pensionierung Mitte der 90er Jahre in die Region zurück.

Das frühere Diedloffsche Wohnhaus in der Eisenbahnstraße 102 wurde rückübertragen und wird nach Sanierung wieder für Wohnzwecke genutzt. Ein Architekt erwarb das Fleischereigrundstück in der Mühlenstraße 175. Nach Umbau nennen es die Werderaner wegen seiner ungewöhnlichen Fassadenfarbe „schwarzes Haus“. Die Handwerkstradition der Familie führt heute in Hannover Karl Diedloffs Neffe Werner mit Sohn Martin weiter, der in der Messestadt einer Fleischerei mit großem Partyservice betreibt.

Erhart Hohenstein

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