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Potsdam-Mittelmark: Werders erste Brauerei

Ein Turm hinter dem Hotel Stadt Wien erinnert an die 390-jährige Braugeschichte der Stadt

Werder (Havel) - Ein Grundstück auf der Inselstadt steht derzeit im Fokus des öffentlichen Interesses: Im „Hotel Stadt Wien“ sollen in diesem Monat die Bauarbeiten für 22 Wohnungen beginnen (PNN berichteten). Das Gebäudeensemble liegt im historischen Stadtkern der Insel Werder, direkt am Markt. Es besteht aus sieben verschiedenen Häusern, die früher ein Hotel, eine Brauerei und Remisen beherbergten. Der Brauereiturm ist bis heute erhalten und Bestandteil der Baupläne. In dieser „Darre“ waren einst die Trocken- und Röstvorrichtungen der Brauerei untergebracht. Der Turm ist letzte Hinterlassenschaft von Werders erster Brauerei. Anlass genug für einen Blick in die Braugeschichte der Stadt.

Zur kommerziellen Herstellung gehopften Bieres benötigte man seit dem frühen Mittelalter das Braurecht für Schankzwecke, eine meist mit dem Besitz eines Grundstücks verbundene Befugnis, Gerstensaft für bestimmte Gebiete zu brauen und zu verkaufen. Die erste Werdersche Brauerei mit Braurecht für Schankzwecke entstand 1617 an jener Schützenlücke (bzw. Schrebergasse), wo später eine Großwäscherei ihren Sitz hatte.

Das auch „Braugerechtigkeit“ genannte Recht war ursprünglich Privileg der Landes- oder Gutsherrschaft und ging ab 13. Jahrhundert großenteils an Städte über. Seit dem späten Mittelalter wurde in märkischen Städten wie Beelitz, Belzig, Brück, Saarmund und Treuenbrietzen obergäriges Braunbier gebraut. Sorten wie der „Bernauer Stadtkeller“ erlangten einen guten Ruf.

Die Gründung der ersten Werderschen Brauerei, ein relativ kleiner gewerblicher Betrieb, war gewagt, weil sie in verbriefte Privilegien und Gewohnheitsrechte vieler Bürger einschnitt, „Kesselbier“ zinsfrei für den eigenen Gebrauch zu brauen. Das gewerblich produzierte Bier schmeckte allerdings besser als das häuslich hergestellte und setzte sich daher durch. Abnehmer gab es im Raum Werder und in Berlin. Es war ein helles, klares, stark moussierendes Getränk, das in hohen, schmalen „Stangen“ ausgeschenkt wurde und zweieinhalb Silbergroschen kostete.

Im Jahre 1713 wurde der von den Bürgern an das Domänenamt Lehnin zu zahlende Zapfzins aufgehoben, „weil Werder nun selbst braut und kein brandenburgisches Bier mehr ausgeschenkt wird“. Daraus ist zu schließen, dass die Braugerechtigkeit von der Neustadt Brandenburg vollständig an die Inselstadt übergegangen war.

Der Beginn des Werderschen Brauereiwesens im eigentlichen Sinne datiert ab 1800, nachdem im späteren Gesellschaftshaus am Markt die Braumanufaktur von Rasenack gegründet worden war. In der Folge entstanden industriell arbeitende Unternehmen, die einen beachtlichen Aufstieg erlebten. Dazu gehörte die Brauerei von Schultze und Hoffmann in der Mühlenstraße, deren Besitzer sich 1830 trennten. F. W. Hoffmann gründete 1840 an der Ecke Brandenburger/Kemnitzer Straße ein neues Unternehmen, Schultze fand in Hildebrand einen neuen Teilhaber und mit ihm im Komplex Schützengasse/Markt und ab 1875 im Freigut neue Betriebsstätten. Die Firma Lerch & Plettenberg etablierte sich in der Eisenbahnstraße und Georg Bauer in der Mühlenstraße bzw. 1887 Unter den Linden.

Die Vorgänger dieses neuen Gebäudekomplexes lernte Theodor Fontane kennen, als er 1869 die Stadt besuchte. Sie befanden sich dort, „wo die große Straße nach links hin abbiegt und in ihrer Verlängerung auf die Brücke und demnächst auf die Insel führt. Genau an dem Kniepunkt erhob sich ein ausgedehntes Etablissement mit Betriebsgebäuden, hohen Schornsteinen und Kellerräumen“. Ausgeschenkt wurde „Werdersch Bier“, auf das der Schriftsteller in seinem "Bierkapitel" eine Lobeshymne schrieb: „märkisch national ... dem Landesgeschmack geschickt adaptiert“ mit „prickelndem Wesen“.

In einer Anzeige der Brauerei Schultze und Hildebrand heißt es: „Werdersches Gesundheitsbier – Reich an Extrakt – nicht berauschend ... ein durchaus reines, unverfälschtes, in seiner Zusammensetzung gutes und allen der Stärkung Bedürftigen zu empfehlen“. Und Georg Bauer, der sich als Besitzer der ältesten Brauerei artikulierte, ließ wissen, dass dieses Bier „als vorzügliches Haus- und Tischgetränk in keinem Haushalt fehlen sollte“ und besonders „für Blutarme Wöchnerinnen und Reconvaleszenten zu empfehlen ist“.

Auf Grund wachsender äußerer Konkurrenz kam es 1896 zum Zusammenschluss der vier großen Brauereien Bauer, Hoffmann, Lerch & Plettenberg sowie Schultze & Hildebrand zur Vereinigten Werderschen Brauereien AG mit Sitz in der Brauerei von Georg Hoffmann. Zehn Jahre später war die Gesellschaft gezwungen, größere Abschreibungen vorzunehmen, 1910/11 die Kundschaft zu verkaufen, die Brauerei zu verpachten und den Konkurs einzuleiten. Die Umfirmierung zur Brauereigenossenschaft Potsdam-Werder nützte nichts, weil die Abteilung Werder nach Nowawes verlegt wurde.

Danach fungierten die Fabrikgebäude nur noch als Niederlage und Abfüllstation der Löwen- bzw. Schultheißbrauerei und ihrer Nachfolger. Angesichts des verschwundenen einheimischen Brauereiwesens mutierte Fontanes Lob von 1869 zur traurigen Prophezeiung: „Die Werdersche. Ihr Leben war ein Traum.“

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