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Verwandelt. Aus den Kasernengebäuden am Zernsee ist in den vergangenen 27 Jahren der Schulcampus der Freien Waldorfschule Werder „Christian Morgenstern“ geworden. In den nächsten Jahren soll die Einrichtung mit Kindergarten und Hort weiter wachsen.

© A. Klaer

Werder: Neubau hinter Jurten

Die Waldorfschule in Werder investiert fünf Millionen Euro – und bereitet sich auf ein Jubiläum vor.

Werder (Havel) - Schon bei der Ankunft zeigt sich, dass die Waldorfschule ein bisschen anders ist als andere Schulen. Um zur Mensa zu gelangen, muss man am Zirkuszelt vorbei, durch das Mini-Wäldchen, die Jurten rechts liegen lassen, bis man schließlich vor dem alten Kasernengebäude steht, in dem die Cafeteria der Freien Waldorfschule Werder (Havel) „Christian Morgenstern“ untergebracht ist. Hier am Zernsee tagte am gestrigen Mittwoch die Regionalkonferenz der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen Berlin-Brandenburg ist der Zusammenschluss von 18 Waldorfschulen mit insgesamt mehr als 4000 Schülern. Als Teil dieses Netzwerkes hat sich der Schulcampus am Zernsee in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. Aus 90 Schülern im Jahr 2011 sind inzwischen 235 Schüler in elf Klassen geworden. Geschäftsführer Dieter Dörflinger macht das Wachstum seiner Schule auch an den Bewerbungen für die ersten Klassen fest. „Wir hatten dieses Jahr 60 Anträge für 24 Plätze“, erzählte er am Mittwoch. Vor drei Jahren hätten sich Anträge und freie Plätze noch etwa die Waage gehalten.

Und da unterscheidet sich die Waldorfschule am Zernsee dann nicht so sehr von vielen anderen Schulen im Landkreis: Es fehlt an Platz. So erklären sich die als Klassenräume benutzten Jurten und das Zirkuszelt, was gleichzeitig als Turnhalle dient. Es fehlt an einem zweiten Raum für die Naturwissenschaften, Ateliers, Toiletten und weiteren Räumen für Lehrer und Schüler. Im Sommer wurden daher schon drei Klassenräume und vier Gruppenräume der Kita umgebaut und neu ausgestattet. Bis 2020 soll der Schulcampus mit Investitionen von mehr als fünf Millionen Euro weiter ausgebaut werden. Dafür wurden bereits zwei Grundstücke neben der Schule gekauft. „Demnächst reichen wir die Bauanträge ein“, sagte Dörflinger.

Gute Nachrichten für die Stadt Werder. Schließlich stellt der Zuzug die Kommune vor Herausforderungen bei der Schul- und Kitaversorgung. Elf Prozent der Schulkinder in Werder gehen in die Waldorfschule. Dennoch taucht „Christian Morgenstern“ bei öffentlichen Diskussionen um Bildungsstandorte eher selten auf. 1990 als erste Schule Werders in freier Trägerschaft eröffnet, war das Konzept der Waldorfpädagogik vielen Leuten lange eher fremd. Inzwischen zögen aber Leute gezielt nach Werder, eben weil es hier eine solche Schule gebe, sagte Dörflinger. Anders als die Hoffbauerstiftung, die die neue Gesamtschule in Glindow als freier Träger betreiben soll, erhält die Waldorfschule bisher allerdings keine Unterstützung von der Stadt. „Das würden wir uns schon wünschen“, so Dörflinger.

Die Schule finanziert sich über Schulgeld und Zuschüsse vom Land Brandenburg. 60 Menschen sind am Schulcampus beschäftigt, welcher Schule, Kindergarten und Hort umfasst. Bis zur zwölften Klasse wird hier unterrichtet. Fürs Abitur müssen die Schüler noch ein Jahr in einer anderen Schule dranhängen. Mittelfristig soll aber wie an der Waldorfschule Kleinmachnow auch am Zernsee das Abitur angeboten werden.

Dörthe Baganz, verantwortlich für die Schulführung, sagte: „Die Schule entwickelt sich parallel zum Zuzug.“ Früher sei mehr Fluktuation bei den Schülern gewesen, inzwischen herrsche eine größere Stabilität. Der Kindergarten, in dem derzeit 82 Plätze besetzt sind, sei eine wichtige Grundlage für die Unterstützung durch die Eltern. Hier können sie die Waldorfpädagogik kennen lernen, bevor sie entscheiden, in welche Schule ihr Kind später kommt.

Das vom Anthroposophen Rudolf Steiner entwickelte pädagogische Konzept sieht vor, „die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung gezielt und ganzheitlich zu begleiten und zu fördern“, wie es in einer Broschüre der Werderaner Schule heißt. Die erste Waldorfschule wurde im September 1919 in Stuttgart eröffnet. Und auch darum ging es bei der Regionalkonferenz: 100 Jahre Waldorfschule.

Zum Jubiläum in zwei Jahren gibt es nicht nur diverse Feierlichkeiten, sondern mehrere Projekte, die an den mehr als 1000 Waldorfschulen weltweit bereits im Vorfeld umgesetzt werden sollen. Etwa das Halten von Bienen an den Waldorfeinrichtungen. Außerdem gehe es um „die Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik über die 100 Jahre hinaus“, sagte Hans-Georg Hutzel aus dem Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen. Denn die sei „ein Motor der pädagogischen Entwicklung in Deutschland“.

Das Besondere dieser Pädagogik zeigt sich in Werder etwa dadurch, dass die sogenannte Zirkuspädagogik nicht nur in Arbeitsgemeinschaften vermittelt wird, sondern ab der siebten Klasse auch reguläres Unterrichtsfach ist. Und so endete die Regionalkonferenz entsprechend mit einer Vorführung im Zirkuszelt.

Martin Anton

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