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Willkommen in Werder. Mehr als 4 500 Fahrgäste steigen hier täglich ein und aus. Im denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude gibt es noch einen Imbiss und ein Gebrauchtmöbelhaus, der Rest steht leer. Möglicherweise zieht die Tourismuszentrale der Stadt einmal in den Bahnhof, andere Mieter werden gesucht.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Werder lässt seinen Bahnhof im Stich

Neue Studie sieht das Rathaus in der Pflicht. Forscher: Station ist „erbärmliche Präsentation der Stadt“

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Renovierte Fischerhäuser, schmale Altstadtgassen und beschauliche Weinberge: So präsentiert sich Werder gern. Doch wer mit dem Zug anreist, sieht zuerst ein Bahnhofsgebäude mit vergitterten Fenstern und einer mit Graffiti beschmierten ergrauten Fassade. In einer neuen Studie zu Bahnhofsgebäuden in Potsdam-Mittelmark schneidet die Blütenstadt sehr schlecht ab, ein Entwicklungskonzept für das Haus fehle gänzlich, heißt es.

„Das Gebäude gibt für Tagestouristen eine erbärmliche Präsentation der Stadt ab“, sagt Ralf Kerkhoff von der Agentur Bahnstadt gegenüber den PNN. Er hat die Studie gemeinsam mit Stephan Wilhelm im Auftrag des Landkreises angefertigt. Ein Großteil der Touristen komme mit dem Zug aus Berlin in das Havelstädtchen und werde durch den Anblick abgeschreckt. Der private Besitzer des Bahnhofes könne derzeit jedoch kaum etwas tun. „Der Herr sucht gegenwärtig nach weiteren Mietern und will davon die weitere Sanierung des Gebäudes abhängig machen“, so Kerkhoff. Für die PNN war der Besitzer am gestrigen Mittwoch nicht zu erreichen.

Laut Ralf Kerkhoff ist die Stadt gefordert, gemeinsam mit dem Besitzer ein Konzept für die Bahnhofsumgestaltung zu erstellen. Für die Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes rechnet Kerkhoff mit Kosten von etwa zwei Millionen Euro. Im Rathaus scheine man aber nicht sonderlich interessiert an einer Änderung zu sein, so habe die 1. Beigeordnete Manuela Saß (CDU) einen Termin mit ihm und dem Bahnhofsbesitzer abgelehnt. Auch die Mitwirkung der Stadt an der Studie sei „nicht sehr ausgeprägt“ gewesen, so Kerkhoff.

Dem widerspricht Manuela Saß. Mit dem Bahnhofsbesitzer habe es in diesem Jahr schon Gespräche gegeben. „Uns ist klar, dass der Bahnhof auf Dauer nicht so stehen bleiben kann.“ Saß zufolge sei noch nicht entschieden, ob die Stadt ihre Tourismuszentrale von der Inselstadt in den Bahnhof verlege. Die Stadt könne aber kein Entwicklungskonzept für ein Gebäude erstellen, was ihr nicht gehört. „Wir müssen jetzt schauen, wie man mit dem Besitzer zusammen die kommende Förderperiode nutzt, um Geld für den Ausbau zu bekommen“, so Saß. Die Stadt habe „im Rahmen ihrer Möglichkeiten bisher alles getan, um das Bahnhofsumfeld zu verschönern“, etwa ein Parkhaus errichtet und mehrere Hundert Fahrradständer aufgestellt.

Der Bahnhof Werder ist laut aktuellen Fahrgastzahlen des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg die mit Abstand am stärksten frequentierte Station im Landkreis. 2013 stiegen hier mehr als 4 500 Fahrgäste täglich ein und aus, 30 Prozent mehr als noch 2011. Zum Vergleich: Auf Platz zwei liegt der Bahnhof Rehbrücke mit 2 300 Reisenden.

Für Eveline Vogel, Fachdienstleiterin für Wirtschaftsförderung im Kreis, zeigt dies das enorme Potenzial der Werderaner Station. Auch sie sieht die Stadt in der Pflicht. „Wir müssen Werder wachrütteln, damit sich die Stadt endlich stärker für den Bahnhof einsetzt“, so Vogel. Es gebe genügend positive Beispiele für Bahnhofserneuerungen im Kreis. So haben die Belziger Stadtwerke den örtlichen Bahnhof erworben und saniert, nun gibt es im einst leer stehenden Haus einen Imbiss sowie einen Fahrscheinverkauf. Die Fahrgastzahlen sind seither um 20 Prozent gestiegen. Auch die Stadt Beelitz hat ihr Bahnhofsgebäude gekauft und will es jetzt sanieren.

„Ich wünsche mir, dass sich der Besitzer sowie Vertreter der Stadt und des Kreises endlich zu Gesprächen zusammensetzen, um die Situation am Eingangstor der Stadt zu verbessern“, so Vogel. Zwar könne der Kreis derzeit keine Fördermittel für die Sanierung bereitstellen. Man berate den Besitzer aber gern über die verschiedenen Fördertöpfe, aus denen Geld für den Werderaner Bahnhof fließen könnte.

Neben dem möglichen Umzug der Tourismuszentrale sind in der Bahnstadt-Studie weitere Potenziale aufgezeigt. So könne im Mitteltrakt eine Servicezentrale für Fahrgäste eingerichtet werden. Derzeit gibt es nur einen Fahrscheinverkauf und einen kleinen Kiosk in einem Container auf dem Bahnsteig. Außerdem wäre ein Durchgang wünschenswert, um vom Bahnsteig direkt zu den Bushaltestellen zu gelangen. Im Obergeschoss des Bahnhofes könnten Büroräume entstehen. Die gute Anbindung an den Nahverkehr mache Studienschreiber Ralf Kerkhoff zufolge auch eine Nutzung als Volkshochschule oder Ähnlichem interessant.

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