zum Hauptinhalt
Europaweite Aktion. In vielen Städten erinnern Stolpersteine, verlegt vom Künstler Gunter Demnig, an deportierte Juden. In Werder gibt es indes auch andere Vorschläge für ein würdiges Gedenken .

© Thilo Rückeis

Werder (Havel): Stolpersteinprojekt stockt

Trotz dreijähriger Recherchen der Arbeitsgruppe gibt es noch keinen Termin für die erste Verlegung

Werder (Havel) - Die Stadt, sagt Uwe Dinjus, ist ein weißer Fleck auf der Landkarte – zumindest, was die Verlegung von Stolpersteinen angeht. Seit knapp drei Jahren, so der Vorsitzende des Bündnisses Kurage, trage die Arbeitsgruppe „Stolpersteine aus Werder“ Versatzstücke aus den Biografien jüdischer Mitbürger zusammen, die zur NS-Zeit deportiert und ermordet wurden. Doch bislang ist kein einziger Stolperstein verlegt, und das liege nicht allein daran, dass die Quellenlage so dürftig ist. „Noch immer gibt es keinen dafür notwendigen Beschluss der Stadtverordneten“, so Dinjus. Der Prozess sei ins Stocken geraten, man wolle aber weiter daran arbeiten, noch 2012 die ersten Steine in Werder zu verlegen. Ursprünglich war das bereits vergangenen August geplant. Werder steht damit mittlerweile ziemlich allein auf weiter Flur, in Teltow etwa wurden im vergangenen Oktober die ersten 16 Stolpersteine verlegt.

Der Hintergrund: Das Projekt gilt bundesweit als umstritten, in München wurden die Steine auf Wunsch der dortigen jüdischen Gemeinde sogar wieder entfernt. Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hatte die Aktion mehrfach verurteilt, das Andenken an die Ermordeten würde durch die in die Erde eingelassenen Steine sprichwörtlich mit Füßen getreten. Diese Kritik hatte auch Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) aufgegriffen und als Alternative zu der von SPD, Linken und Grünen unterstützten Aktion vorgeschlagen, Gedenktafeln anzubringen oder Stelen aufzustellen. „Weder für das Eine, noch für das Andere wurde bisher aber etwas unternommen“, so Dinjus. Den Vorwurf der Entwürdigung kann er nicht nachvollziehen: Das Bücken, um die im Boden verankerten Namen lesen zu können, stelle quasi eine Verbeugung vor den Opfern dar.

In Werder gehören etwa Charlotte Rosenthal und Elsa Kohlman dazu. Die beiden Frauen lebten ab 1930 im Hohen Weg, planten aber, sich ein größeres Haus im Ort zu kaufen. Doch 1942 wurde die Malerin Rosenthal deportiert und im Alter von 59 Jahren im Konzentrationslager Treblinka ermordet. Trotz intensiver Recherchen haben die fünf Kurage-Mitglieder der Arbeitsgruppe Stolpersteine kaum mehr über Charlotte Rosenthal herausfinden können. Einige Hinweise – ein Schweizer Bankkonto auf ihren Namen sowie ein Patent auf eine Reliefmasse – legten aber nahe, dass sie für ihre Zeit sehr emanzipiert war. Unbekannt ist nach wie vor, wo und unter welchen Umständen sie ihre Freundin Elsa Kohlman kennenlernte, die während ihrer Deportation an einer Lungenentzündung starb.

Ihr Schicksal und das von sieben weiteren Werderaner Juden stellte die Arbeitsgruppe Kurage am Donnerstagabend in der Comédie Soleil in Werder vor – anlässlich des 70. Jahrestags der Deportation der jüdischen Eheleute Walter Johann Guttsmann und Helene Guttsmann. Über die fünfköpfige Familie sei zwar etwas mehr bekannt als über Charlotte Rosenthal, so der Historiker Hartmut Röhn. Grundsätzlich sei das Problem aber stets dasselbe: Nur wenige Quellen geben heute noch Auskunft über das Leben der Deportierten. Hilfreich seien vor allem die akribisch geführten Transportlisten, die im Gegensatz zu den meisten anderen Akten zur systematischen Judenverfolgung 1945 nicht komplett vernichtet wurden. Eine weitere Schwierigkeit: Einige Akten im Potsdamer Landeshauptarchiv, die mehr über das Leben der Werderaner Juden verraten könnten, sind noch gesperrt, weil ihre Nachfahren noch am Leben sind.

Weil die Faktensuche so schwierig ist, konzentrierten sich die Schüler der Carl-von-Ossietzky-Oberschule, die sich zunächst an dem Projekt Stolpersteine beteiligen wollten, stärker auf jüdisches Leben allgemein und speziell in Werder. „Die Schüler haben damit aber gute Vorarbeit für unsere Recherchen geleistet“, so Dinjus. Ihre Ergebnisse sollen auf der nächsten Sitzung der Stadtverordneten am 19. April vorgestellt werden. Damit solle auch der Entscheidungsprozess darüber neu angestoßen werden, für welche Form des Erinnerns Werder sich entscheidet, so Große.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false