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Bald zappenduster? Zwei Monteure kontrollieren einen Strommast.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Wenn für eine Woche der Strom wegbleibt

Landratsamt erstellt Gefahrenanalyse für mehrtägigen Blackout. Er erscheint gar nicht so unwahrscheinlich

Potsdam-Mittelmark - Das Telefon ist tot, das Smartphone kann nicht geladen werden. Die Heizung bleibt kalt, aus dem Wasserhahn kommen höchstens Tropfen. Und das eine Woche lang. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnt, dass extremere Wetterlagen durch den Klimawandel und die labilere Infrastruktur das deutsche Stromnetz anfällig für solche Schreckensszenarien gemacht hat. Jetzt will das Landratsamt Potsdam-Mittelmark in der Theorie durchspielen, was bei einem mehrtägigen Blackout passieren könnte.

Ab Ende des Jahres soll eine Gefahrenanalyse erstellt werden, so der Sprecher des Landratsamtes, Kai-Uwe Schwinzert. Danach sollen Schlussfolgerungen gezogen werden, die in Handlungsempfehlungen an die Gemeinden des Landkreises münden sollen. Es gehe vor allem darum, wie Kernbereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge am Laufen gehalten werden können, so Schwinzert. Das Land empfehle den Landkreisen inzwischen, sich in ihren Notfallplänen auf den Blackout vorzubereiten. „Wenn man sich mit Energieversorgern unterhält, ist ein längerer Stromausfall nicht so unwahrscheinlich.“

Das sieht auch Stephan Boy so. Das Stromnetz sei ein anderes als vor fünf Jahren. Mit seinem „Kompetenzzentrum Kritische Infrastruktur“ in Berlin bereitet er Unternehmen und Kommunen auf den Ernstfall vor, einen mehrtägigen großflächigen Stromausfall. In Brandenburg hat das Büro die Gemeinde Glienicke-Nordbahn (Oberhavel) beraten.

„Bisher lieferten Kraftwerke den Strom nach Bedarf“, so Boy. Mit dem Ende der fossilen Energieträger und dem – wenn auch begrüßenswerten – Aufstieg der Erneuerbaren gerate das System aus den Fugen. „Sonne und Wind ist der Bedarf egal.“ Das habe Auswirkungen auf die Stabilität im europäischen Stromverbund. Ein Blackout könnte sich zur größten Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg auswachsen, warnt Boy. Kraftwerke würden in den Betriebsmodus fallen und ließen sich ohne Netz nicht einfach wieder hochfahren. Es dauere sechs Tage plus X, die Stromversorgung nach einem europaweiten Crash wieder zu stabilisieren.

Am Beispiel der Milchproduktion macht Boy deutlich, was das für Folgen hat: Eine Milchkuh gebe täglich 40 Liter Milch, werde automatisch gefüttert und gemolken, die Ställe würden automatisch belüftet. Kein Landwirt könnte diese Funktionen übernehmen. „Nach spätestens 48 Stunden würde der Euter platzen und die Kuh verenden.“

Was passiert, wenn der öffentliche Nahverkehr ausfällt, habe man ansatzweise beim jüngsten Bahnstreik erleben können. Die einzigen Einrichtungen, die in Deutschland für 24 Stunden Notstrom vorhalten müssten, seien Krankenhäuser. „Sie müssten aber nach sechs Stunden schließen, wenn die Wasserversorgung zusammenbricht.“ Auch die Lebensmittelversorgung würde nicht mehr funktionieren. „Jede Flasche, die an einer Supermarktkasse über den Scanner geht, wird im weit entfernten Lager schon automatisch kommissioniert.“

Die Gesellschaft sei hochgradig vernetzt und abhängig von der stabilen Stromversorgung, so Boy. In den Kommunen analysiere sein Unternehmen, welche kritischen Einrichtungen es gibt und wie lange sie ohne Strom existieren können. Bei einem Blackout gehe es nur darum, elementare Bedürfnisse wie Essen, Trinken und Wärme zu befriedigen. Die erste Frage, wenn die Radiostationen ausfallen, sei die Kommunikation: „Woher weiß man, ob es sich um einen Blackout handelt?“ Ein Indiz könne sein, wenn ein Ort von drei Seiten versorgt wird und in allen drei Ortsbereichen der Strom weg ist.

„Ein Wohngebiet mit Fünfgeschossern ist nach zwölf Stunden aus hygienischen Gründen nicht mehr nutzbar.“ Für einen solchen Fall sei ein Latrinenkonzept umzusetzen. Die Müllentsorgung müsse Kraftstoffreserven vorhalten. Eine Apotheke mit „chaotischer Lagerung“, wo nur der PC weiß, wo die Medikamente liegen, käme ohne Notstromaggregat nicht aus. Solche Details könnten im Ernstfall über das Wohl und Wehe eines Ortes entscheiden. Damit will man sich jetzt auch in Potsdam-Mittelmark befassen. Henry Klix

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