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Weinregion Werder: Wilder Weinberg

Der Winzer Klaus Wolenski hat auf seinem Klosterhof in Töplitz seit Kurzem neue Helfer: Eine Herde Kamerunschafe hält die Weinreben am 54 Meter hohen Berg in Schuss.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Als ob sie Antilopen werden wollten, springen die Kamerunschafe vor ihrem Besitzer und dem Journalisten am Töplitzer Weinberg meterhoch durch die Luft. „Na, da werde ich wohl die Zäune noch mal erhöhen müssen“, sagt Winzer Klaus Wolenski. Die Schafe, die seit Kurzem auf dem Berg leben, seien noch scheu und außer an seine Tochter Lara an keinen Menschen gewöhnt. Sie sollen ihm die Arbeit zwischen den Reben auf dem 54 Meter hohen alten Weinberg des Klosterhofes erleichtern.

Die Herde aus elf Schafen hat Wolenski von einem Bauern aus Kremmen (Oberhavel) geholt, am Wochenende kam das erste Lämmchen zur Welt. Zwei weitere werden in den kommenden Tagen erwartet. „Ich bin etwas faul geworden“, sagt der 67-Jährige. „Die Schafe fressen die unteren Blätter der Weinreben ab, die ich sonst umständlich per Hand entfernen müsste.“ Zudem halten sie das Gras zwischen den Rebreihen kurz und düngen. Um die gesamte, knapp drei Hektar große Fläche zu bewirtschaften, soll die Anzahl der Tiere in der nächsten Zeit verdoppelt werden.

In Neuseeland brach eine Herde Schafe aus, statt die Reben zu zerstören, pflegten sie die Weinhänge

Auf die Idee der vierbeinigen Weinbergsarbeiter ist Wolenski durch einen Internetartikel gekommen. Georg Hill vom Reinhessischen Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, der auch für das hessische Weinbauministerium forschte, beschreibt darin, wie in Neuseeland eine Herde Schafe ausbrach und sich über Weinberge hermachte. Die Winzer befürchteten einen Totalverlust, fanden stattdessen aber eine top-gepflegte Anlage vor. „Die Schafe hatten nämlich die noch sauren Trauben verschont und lediglich die Blätter im unteren Bereich der Laubwand sauber abgefressen“, so Hill. Das ist wichtig, damit sich keine Feuchtigkeit im Blattwerk hält und die Trauben genügend Licht bekommen.

In Töplitz stehen seit zehn Jahren wieder Weinreben, derzeit etwa 14 000. „Wenn die Trauben im Sommer dann reifen, müssen die Schafe aber runter von der Plantage“, so Klaus Wolenski. Sonst bleiben keine Trauben mehr, um im eigenen Keller Bio-Wein herzustellen. Die zwölf Sorten, die Wolenski aus seinen Reben keltert, können Besucher vor Ort probieren: In der Besenwirtschaft am Fuße des Weinberges packt Wolenskis Frau Renate an Wochenenden und Feiertagen, etwa dem morgigen Himmelfahrtstag, ab 12 Uhr Weidenkörbe mit Wein und Gläsern. Neun Euro kostet eine Flasche. Auf Wunsch gibt es frischen Zwiebelkuchen oder Schokoladenkuchen, der gut zum Rosé-Wein passe.

Mit leichtem Rotkäppchen-Gefühl können die Gäste dann auf den Weinberg kraxeln, wo eine unerwartet schöne Aussicht wartet. Der Blick schweift über Weinreben und Schafe hinweg auf Moore, weidende Kühe und die Havel bis nach Phöben und ins etwa 20 Kilometer entfernte Ketzin. Dort oben wird dem Betrachter erst richtig klar, dass Töplitz eine Insel ist.

Statt Trubel auf dem Baumblütenfest lieber die Ruhe auf dem Töplitzer Weinberg genießen

Ein Großteil der Gäste sind Klaus Wolenksi zufolge Radfahrer. Vom Werderaner Zentrum, wo noch bis Sonntag das Baumblütenfest gefeiert wird, sind es mit dem Rad zehn Kilometer bis zum Töplitzer Weinberg, von der Potsdamer Innenstadt 15 – optimale Distanzen für eine Radtour. Neben der Brücke der Landstraße zwischen Grube und Leest können Radler auch die von Nattwerder oder dem Golmer Schlossgut aus erreichbare Wublitzbrücke auf die Insel benutzen, sodass familientaugliche Rundtouren etwa für den Herrentagsausflug entstehen.

Die Insellage hat für Wolenski und den Wein einige Vorteile. So kommt der Wind besser an die Reben, um Feuchtigkeit von den Blättern zu blasen und so Krankheiten wie Pilzen vorzubeugen. Schlechter nach Töplitz kommen hingegen Wölfe. Um seine Schafe hat der Winzer keine Angst. Landwirtschaft sei schließlich immer mit Risiken verbunden. So haben die Kamerunschafe am Fuße des Weinbergs einen Unterstand, in den sie vor Krähen flüchten können – die picken Lämmern vereinzelt die Augen aus, in einigen Fällen sollen Schwärme die kleinen Schafe totgepickt haben. Und um Waschbären zu vertreiben, lässt der Winzer gelegentlich seine Hunde über den Berg hetzen. „Im Herbst fressen die Waschbären gern leicht vergorene Trauben vom Boden, dann liegen sie morgens noch schnarchend da“, beschreibt Wolenski.

Winzer Wolenski verkauft seinen Wein nur noch in der Besenwirtschaft und im Restaurant "Am Pfingstberg"

Nach dreijähriger Unterbrechung betreibt er den Weinberg seit 2015 wieder mit Frau und Tochter Lara, an die er inzwischen überschrieben ist. Stück für Stück soll die 28-Jährige, die eigentlich Dressurreiterin ist und in Töplitz Pferde und Reiter unterrichtet, den Betrieb übernehmen. Zwischendurch waren die Weinreben verpachtet. Wie berichtet gab es aber Streit, da aus Sicht der Berliner Pächter Erträge und Kosten in keinem Verhältnis standen. „Wir hatten aber bereits im vergangenen Jahr wieder etwa 14 000 Liter Wein gekeltert“, so Wolenski.

Im Gegensatz zu seinen Pächtern verkauft er ihn nicht mehr bei der Bio-Company, sondern konzentriere sich wieder auf die Töplitzer Besenwirtschaft. Nur im Restaurant „Am Pfingstberg“ in Potsdam wird der Wein vom Klosterhof noch ausgeschenkt. Für Restaurants stellt Klaus Wolenski noch einen besonders sauren Traubensaft her: Verjus. Der wird aus den unreifen Trauben gepresst, die oben an der Rebe hängen und den anderen das Licht wegnehmen. Sterneköche benutzen Verhjus gern als etwas milderen Ersatz für Essig.

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