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Die Original-Filmkulisse ist längst zerstört. In mühevoller Kleinstarbeit hat Marion Fleischer Stück für Stück des märchenhaften Ballsaals wieder rekonstruiert.

© Manfred Thomas

Von Tobias Reichelt: Märchenschloss in eins zu acht

Stahnsdorferin baut Miniaturkulisse von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ für Ausstellung nach

Stahnsdorf - Hofball auf Schloss Moritzburg: Der König will unbedingt seinen Sohn verheiraten. Der Prinz, der bisher alle ihm vorgestellten Damen verschmäht hat, tanzt mit dem später erschienenen Aschenbrödel – und verliebt sich auf der Stelle. Der Ballsaal bildet einen edlen Rahmen für diese einprägsame Szene aus dem Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“: Weiße Säulen mit Gold bestückt, dunkle Kronleuchter an der Decke, kunstvolle Gemälde an der Wand, ein feiner getäfelter Holzboden und zwei elegante Reichsflaggen neben der großen Tür zum Ballsaal – die Stahnsdorferin Marion Fleischer hat alles fein säuberlich aufgebaut. Im Größenverhältnis eins zu acht. Die Modellbauerin hat in einer Hinterhofgarage in Kienwerder eine prunkvolle Miniaturszenerie erschaffen, in die eine arme Dienstmagd nur mit Hilfe dreier verzauberter Nüsse gelangen kann.

Schon seit drei Monate sitzt die Modellgestalterin an der Mini-Kulisse des Ballsaals zum Aschenbrödel-Film. Fleischer ist im Stress. Noch diese Woche soll das knapp zwei Meter lange und 70 Zentimeter hohe Modell fertig werden, bevor es gen Sachsen verschickt wird.

Die Besucher des Schlosses Moritzburg bei Dresden hätten immer wieder gefragt: „Wo ist denn hier der Ballsaal aus dem Film zu finden?“ Schließlich war der von Wasser umgebene barocke Schlossbau mit seinen Rundtürmen in der Koproduktion der Defa mit dem Prager Barrandov-Studio oft zu sehen, sagt Fleischer. Viele Besucher sind enttäuscht, wenn sie dann erfahren, dass das Schloss zwar als Außenmotiv herhielt, der prunkvolle Ballsaal jedoch nur in Form einer Kulisse in den Babelsberger Filmstudios vorhanden war.

Das soll sich im Oktober ändern: Die Verantwortlichen der Moritzburg beauftragten Fleischer, den Ballsaal in kleinem Format nachzubauen, als Höhepunkt einer Ausstellung zum Film im Schloss. Ein schwieriges Unterfangen: Schon nach ersten Recherchen stellte Fleischer fest, dass die Originalkulissen bereits in den 70er Jahren nach Abschluss der Dreharbeiten vernichtet wurden. Sogar das letzte gerettete Teil, ein Kamin, musste vor knapp drei Jahren dran glauben – die Babelsberger Studios hatten aufgeräumt. Aufzeichnungen oder Baupläne über die Kulissen gab es nicht. Zu finden waren im Fundus lediglich noch einige Kostüme, Hüte und ein paar Accessoires, darunter ein stilvoller Bierkrug, ein Waschtrog und ein Kerzenleuchter.

Seit 36 Jahren zählt „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zu einem der beliebtesten Märchenfilme. Das sei schon bemerkenswert, findet Fleischer, schließlich sei die Geschichte vom Aschenbrödel, ihrer gemeinen Stiefmutter, dem Prinzen und dem fehlenden Schuh doch eigentlich eine „alte Kamelle“. Wie oft Marion Fleischer sich den Film mittlerweile ansah, kann sie nicht mehr sagen.

Hunderte Male musste sie die verschiedenen Ballsaal-Szenen auswerten. In Kleinstarbeit zählte sie Bodentafeln und Säulen aus, setzte die Größe der Menschen in Bezug zum Raum, rechnete und begann mit der Handarbeit. Gips wurde gegossen, Holz geschliffen, Folien geklebt. Die großen Wandbilder des Saals wurden auf Leinwand in Kleinformat gemalt, statt einfach nur auf Folie gedruckt – „das sieht einfach echter aus“, sagt Fleischer. Prinz und ein Burgfräulein wurden als tanzende Figürchen nachgebaut.

Für die freischaffende Modellgestalterin ist der Auftrag nicht der erste. Schon für Filme wie „Die Gustloff“, „Die letzte Ausfahrt Westberlin“ oder „Der Untergang der Estonia“ baute sie Modelle. Im Unterschied zur Moritzburger Märchenwelt wurden sie meist für Spezialeffekte gebraucht: Sie wurden in die Luft gesprengt, verbrannt oder „gewässert“. „Da muss man schon loslassen können von seinen Werken“, sagt Fleischer.

Ihr Ballsaal wird bleiben. Vom 10. Oktober bis zum 10. Januar sollen Moritzburg-Gäste einen Blick in den Saal und das darin tanzende Paar werfen können. So wie bei Aschenbrödel: Verliebtes Staunen ist garantiert.

Infos zur Ausstellung im Internet:

www.schloss-moritzburg.de

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