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Von Thomas Lähns: „Eine verdammt gefährliche Kiste“

Verkehrsstaatssekretär Bretschneider im Kreuzfeuer wütender Bürger – dieses Mal in Werder

Werder (Havel) – Für ihn war es ein weiterer Abend auf verlorenem Posten: Zum 16. Mal stand Rainer Bretschneider (SPD) am Montagabend vor wütenden Bürgern, um die geplanten Flugrouten für den neuen Großflughafen Berlin Brandenburg International zu erläutern – diesmal in Werder. Im gut gefüllten Bürgersaal des Schützenhauses musste sich der Verkehrsstaatssekretär den Vorwurf gefallen lassen, sein Ministerium habe sich unwürdig verhalten. Nicht ein Wort mit seiner Nachbarin im Podium, Saskia Ludwig (CDU), durfte er austauschen. Sofort kam die Mahnung aus dem Saal: „Sie sollen zuhören, verdammt noch mal!“

Nachdem im September bekannt geworden ist, dass auch die Bürger zwischen Werder und Nuthetal nach der BBI-Eröffnung im Sommer 2012 vom Fluglärm betroffen sein könnten, schlagen die Wogen hoch. In der Region befürchtet man Lärm vor allem von Flugzeugen, die in einem Kilometer Höhe über Zernsee, Schwielowsee und den Ravensbergen zur Landung ansetzen. Bretschneider dementierte die Planungen nicht: „Die Anflugrouten sind relativ unstrittig“, sagte er. Er sprach von bis zu 1000 Flugbewegungen täglich am BBI.

„Mich ärgert, dass man hier bewusst getäuscht wurde“, sagte Werders Bürgermeister Werner Große (CDU). Seit 1998 sei klar gewesen, dass das Havelland nicht betroffen sein wird. Die Werderaner CDU hatte deshalb zum Diskussionsabend eingeladen. Mobilisiert hatte auch die Initiative „Fluglärmfreie Havelseen“. Bereits im Vorfeld wurde geätzt, dass der Staatssekretär ein Gastspiel „auf seiner aktuellen Tournee ,Fluglärm macht Spaß’ gibt“ und dabei „Welthits“ wie „Kerosin ist gut für Apfelbäume“ oder „Mit 66 Dezibel, da fängt das Leben an“ zum Besten geben würde. Dem hatte der nicht viel entgegenzusetzen. Vertsändnisbekundungen gingen in höhnischen Rufen unter, und so erklärte er den Unterschied zwischen juristischer und subjektiver Betroffenheit, kündigte schließlich an, dass es doch so schlimm nicht werden würde: „Ein Lkw mit 30 km/h macht mehr Krach als ein Flugzeug in Tausend Metern Höhe.“ Immerhin lebe er als Potsdamer selbst in der Anflugschneise nach Tegel und könne bei offenem Fenster gut schlafen.

Bretschneider räumte ein, dass die „Akzeptanz-Diskussion“ im Vorfeld nicht geführt worden sei, unterstrich dann aber wieder, dass die Landesregierung mit dem Planfeststellungsbeschluss von 2004 rechtlich auf der sicheren Seite stehe. Für die Flugrouten sei außerdem nicht das Land verantwortlich, sondern die Deutsche Flugsicherung, „und die hat ihre eigenen Regeln“. Er habe noch keine Vorschläge gehört, wie man es hätte besser machen sollen: „Sie können nicht erwarten, dass die Flugzeuge über Schönefeld senkrecht vom Himmel fallen.“

So liefen sich die Fronten fest: Die Forderung nach einer Erweiterung der Fluglärmkommission um einen gemeinsamen Vertreter von Werder, Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal lehnte der Staatssekretär ab, auch Hoffnungen auf ein erweitertes Nachtflugverbot am BBI von 22 bis 6 Uhr (statt von 0 bis 5 Uhr) trat er entgegen, immerhin handele es sich um den Großflughafen der Bundeshauptstadt. Dass für die Verträglichkeit des Jahrhundertprojektes weder Gerichte noch Flugsicherung, sondern die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg verantwortlich seien, darauf pochte Peter Kreilinger, Sprecher der Lärmschutz-Initiative: „Sie sind der Flughafen-Betreiber, sie entscheiden über die Manager in der GmbH und sie sagen ihnen, dass sie den maximalen Gewinn erwirtschaften sollen.“

„Es ist eine verdammt gefährliche Kiste, bei der wir hier angekommen sind“, resümierte Heide-Marie Ladner (SPD), Gemeindevertreterin in der Gemeinde Schwielowsee – wohl auch in Anbetracht der aufgeheizten Stimmung. Das Vertrauen in die Politik werde mit Füßen getreten, erklärte sie, und sogleich meldete sich ein SPD-Genosse, der schon soweit sei, sein Parteibuch abzugeben. Thomas Freundner, TV-Regisseur aus Caputh, verlangte nach einer Begründung, warum die Flugrouten denn nun überhaupt geändert worden seien? Der Staatssekretär erläuterte nur, dass Flugrouten nie endgültig seien, sondern sich immer wieder ändern könnten. Befriedigend war das für die wenigsten an diesem Montagabend.

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