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Von Peter Könnicke: Plakatschlacht gegen Fluglärm

Beim Protest gegen BBI-Flugrouten zeigt sich das Organisationstalent der aufgebrachten Bürgerschaft

Teltow / Werder (Havel) - Eine Telefon- und Internet-Flatrate ist eine der besten Investitionen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. Denn in den vergangenen Wochen haben die Front-Kämpfer gegen die BBI-Flugrouten tausendfach Mails verschickt und Telefonate geführt. Über 4 000 Mail-Korrespondenzen fluteten seit 6. September die Postfächer auf dem Computer von Hans-Joachim Pfaff. Er ist Mitbegründer der Bürgerinitiative „Stahnsdorf gegen Fluglärm“. So wie der Stahnsdorfer Protest-Pionier mailen, faxen und telefonieren die Sprecher diverser Bürgerinitiativen gegen die geplanten BBI-Flugrouten seit Wochen ohne Unterlass. „Mein Computer bricht förmlich zusammen“, bekundet Michael Lippoldt. Mails zählt der Sprecher der Kleinmachnower Anti-Flugrouten-Bewegung schon eine Weile nicht mehr, seine Mobilfunkrechnung habe sich „dramatisch erhöht“. Fürs Festnetz habe er zum Glück eine Flatrate, sagt er.

Für den Vorsitzenden des Vereins „Mehr Demokratie“, Michael Efler, ist die Protestbewegung, die sich seit Anfang September gegen die von der Deutschen Flugsicherung präsentierten Flugrouten für den BBI-Flughafen Schönefeld formiert hat, „ein Musterbeispiel für das Organisationstalent und die Mobilisierungsfähigkeit einer aufgebrachten Bürgerschaft“. Praktisch über Nacht wurden Internetseiten programmiert, Vereine ins Leben gerufen, Sprecher gewählt.

Innerhalb weniger Wochen gründeten sich in Berlin und Brandenburg zwölf Bürgerinitiativen – Sprachrohre für eine Dreiviertelmillion Menschen, die sich plötzlich durch die BBI-Flugrouten betroffen sahen. Um ihren Widerstand zu bündeln und abzustimmen, haben sich die Initiativen in einem Bündnis vereint. Fünf weitere neu gegründete Bürgerinitiativen wollen ab Januar 2011 das Bündnis verstärken, so dessen Sprecher Markus Peichl.

Zu einer der wichtigsten Adressen der Protestbewegung im Süden Berlins avancierte ein Teltower Print- und Copyshop. „Wir unterstützen ihren Protest gegen Fluglärm“ reklamiert das Geschäft und führt in seiner Produktpalette für Demonstrationen PVC-Planen in diversen Größen, Aufkleber, Magnetschilder sowie Demo-Schilder, Fahnen und T-Shirts. „Wir haben bisher zum Selbstkostenpreis unter anderem 2000 Meter Plane, 10 000 Flyer und 1000 Aufkleber gedruckt“, sagt Copy-Shop-Mitarbeiter Roman Kichherr.

Die Anti-Fluglärm-Aktivisten scheuen keinen logistischen Aufwand, die Protestnoten unters Volk zu bringen. „Wir haben in kurzer Zeit an alle 6 000 Stahnsdorfer Haushalte Flugblätter verteilt“, sagt Initiativen-Mitglied Heiko Spleet. Für eine Kundgebung mit mehr als 6 000 Teilnehmern Ende November ließ die Stahnsdorfer Bürgerinitiative 15 000 Flugblätter und 1000 Buttons drucken. Am Morgen der Demonstration pumpten Mitglieder der Bürgerinitiative zweieinhalb Stunden lang Helium in 1000 Luftballons.

Auch andernorts haben Flugrouten-Gegner zu einer regelrechten Plakatschlacht aufgerüstet. 500 Protest-Schilder hat die Kleinmachnower Bürgerinitiative laut Sprecher Lippoldt anfertigen lassen. „Eine Region wehrt sich“ skandiert es an Gartenzäunen und Fassaden in der Berliner Vorort-Gemeinde. An Schulen, Kindergärten und am Rathaus erreicht der Protest noch größere Dimensionen: Auf 30 Bannern spannt sich über drei Meter Länge die Widerstandslosung.

2 000 Euro hat die Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“ nach Angaben ihres Sprechers Peter Kreilinger bislang für Flugblätter und Saalmieten bezahlt. „Würde man die Kosten für Telefon, Benzin, Druckerpatronen und Papier zusammenrechnen, käme man auf irre Summen“, sagt er. 200 Mitglieder hat die Initiative in knapp einem Monat in Werder, Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal rekrutiert, bei aller Unterstützung und Solidarität verteile sich die Hauptarbeit aber auf einige wenige Schultern. „Das geht deutlich über das Beschäftigungsmaß in einer deutschen Amtsstube hinaus“, ist sich der Initiativensprecher sicher. Er geht von einer 70- bis 80-Stunden-Woche aus, die die Flugrouten-Gegner an vorderster Front leisten.

Für Anti-Fluglärm-Aktivist Pfaff ist die Bewegung schon jetzt ein Erfolg. „Wir haben bundesweit für Aufsehen und Aufmerksamkeit gesorgt, wir haben eine Menge aufgedeckt und die Deutsche Flugsicherung der Falschdarstellung überführen können“, sagt er. Der eigene Erkenntnisgewinn sei enorm, „jeden Tag lernen wir dazu“, bemerkt der Stahnsdorfer und nennt es schließlich einen „unglaublichen Gewinn, dass der Protest so viele tolle Menschen zusammengeführt hat“.

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