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Von Matthias Matern: Zu Besuch bei Schnappi

Seit mehr als 20 Jahren wohnt Karl-Heinz Voigt aus Golzow Seite an Seite mit Krokodilen. Für seine derzeit elf Schützlinge hat er sein Grundstück in einen Mini-Dschungel verwandelt.

Von Matthias Matern

Golzow - Wer elf Krokodile zu Hause hat, darf nicht gerade zimperlich sein. Mit Schwung lässt Karl-Heinz Voigt das Beil auf den großen Hackklotz niedersausen. Ein kurzes Zappeln, dann ist Ruhe. „Karlchen hat Hunger“, sagt der 52-jährige Reptilienzüchter aus Golzow im Landkreis Potsdam-Mittelmark, während er das Futter für seine Schützlinge in Häppchen gerechte Stücke zerteilt. „Auf dem Speiseplan stehen in der Regel Kaninchen, Ratten, Mäuse, Hühner - was gerade zur Verfügung steht, Hauptsache es ist Fleisch“, berichtet Voigt. Seit mehr als 20 Jahren widmet der hauptberufliche Feuerwehrmann seine Freizeit der Pflege, Erforschung und Aufzucht von Krokodilen. Angefangen hat alles 1987 in der DDR. „Für einen Freundschaftspreis von 300 Mark“, wie Voigt erzählt, habe er damals über einen privaten Kontakt sein erstes Krokodil, genauer gesagt Kaiman, gekauft. Damals war Karlchen gerade einmal 1,26 Meter lang. Heute wiegt er rund 25 Kilogramm, ist 36 Jahre alt und misst 1,80 Meter.

Während sich Karlchen nach dem frühen Mittagessen in seinem großzügigen Terrarium auf die faule Haut legt, bereitet sich Karl-Heinz Voigt auf die ersten Besucher des Tages vor, zieht noch schnell das T-Shirt der Arbeitsgemeinschaft Krokodile über, die er 1997 zusammen mit Gleichgesinnten in Düsseldorf gegründet hat. Angekündigt hat sich Familie Vierke aus Michendorf, Großeltern mit ihren drei Enkelkindern. Seit 2001 führt Voigt nach Terminabsprache Familien, Schulklassen und Kindergartengruppen durch seine „Krokodilstation“, klärt über die Lebensweise der großen Echsen auf, reicht alte Krokodileier und -zähne zum Anfassen rum, erzählt wie aus seinem Hobby ein Beitrag für den Tierschutz wurde.

Immerhin drei der Kaimane in Voigts Obhut sind Tiere, die von Behörden beschlagnahmt worden sind, weil sie entweder illegal nach Deutschland eingeführt, oder nicht artgerecht gehalten wurden. „Der jüngste Zugang stammt aus einem Einfamilienhaus aus Berlin-Lichtenrade“, erzählt der Krokodilfreund. 2002 habe ihn eine Amtstierärztin angerufen und gefragt, ob er nicht mal eben einen 1,30 Meter großen Breitschnauzenkaiman einfangen und aufnehmen könne, berichtet Voigt weiter. „Die Halterin war verstorben und ihre Tochter wollte das Haus verkaufen.“ Das Tier habe in einem provisorisch zusammengewerkelten Käfig gehaust, hätte jederzeit ausbrechen können und war zudem 30 Zentimeter länger als von der Ärztin angegeben.

Obwohl sich Karl-Heinz Voigt mächtig ins Zeug legt, versucht Spannung aufzubauen, scheint sein theoretischer Exkurs in die Welt der Krokodile nur Oma und Opa Vierke wirklich zu fesseln. Die neunjährige Enkeltochter Darlin und ihre zwei jüngeren Brüder dagegen rutschen bereits aufgeregt auf ihren Sitzplätzen herum. Ein echtes Krokodil hat noch keiner der drei gesehen. Schließlich hat Voigt ein Einsehen, greift nach seinem Schlüsselbund und führt die Gruppe in das umfunktionierte rund 70 Quadratmeter große Gewächshaus, in dem vier der elf Kaimane in drei separaten Becken untergebracht sind.

Sofort lässt die hohe Luftfeuchtigkeit die Brillengläser beschlagen, die Raumtemperatur beträgt rund 30 Grad Celsius, die Luft riecht erdig, modrig. „Die Heizkosten für die Anlage betragen jährlich rund 4000 Euro“, erzählt Voigt seinen Besuchern. Den drei Enkelkindern ist das allerdings schnuppe. Neugierig flitzen sie von einem Becken zum anderen, beobachten durch ein Dickicht aus Palmen und anderen tropischen Pflanzen die dösenden Kaimane. Da kommt plötzlich Bewegung auf, zwei der südamerikanischen Krokodile schieben sich ruckartig von ihren künstlichen Uferbänken ins Wasser und verschwinden unter einer Decke aus Wasserlilien. Nur hier und da heben sich einzelne Pflanzen, verraten somit wo sich die Reptilien befinden.

Insgesamt hat Karl-Heinz Voigt etwa 200 Quadratmeter von seinem Grundstück für die Unterbringung seiner Reptilien abgeknapst. Die Innen- und Außenanlagen teilen sich die Krokodile mit sechs Schildkröten. Im kommenden Jahr sollen noch einmal weitere 150 Quadratmeter Fläche hinzukommen. Noch am Morgen hatte sich Voigt mit seiner Architektin getroffen, die Pläne für die Erweiterung durchgesprochen. „Ich rechne mit Kosten in Höhe von 100 000 Euro“, sagt der Krokodilfreund.

Finanziert wird die Krokodilstation aus Eigenmitteln, den Eintrittsgeldern und durch Spenden. Zwei Euro kostet die Führung pro Person. An diesem Tag herrscht Hochbetrieb. In rund zehn Minuten sollen bereits die nächsten Gäste kommen. Familie Vierke ist mittlerweile an Karlchens Außenanlage angekommen. Und auch der lässt sich nicht lumpen und schiebt sich zum Abschied langsam aus dem trüben Wasser, wenige Zentimeter von Darlins Beinen entfernt. Nur ein grüner Metallzaun trennt die beiden. „Ein bisschen Angst hat man da schon“, räumt die Neunjährige ein, strahlt dabei aber über beide Ohren.

www.krokodilstation-golzow.de

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