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Von Henry Klix: Die Schienenrechte gelten noch

Erinnerung an die Ziegeleigeschichte: Jahrelang wurde um eine Feldbahn in die Glindower Alpen gekämpft – jetzt kann es losgehen

Werder (Havel) - Peter Schwoch hat die mit Ton beladene Lorenbahnen vor 50 Jahren noch selbst fahren sehen: Als Schüler war der heute 68-Jährige vier Jahre lang zu zweiwöchigen „Einsätzen in der sozialistischen Produktion“ in die Glindower Ziegelei delegiert. Der Tontransport hat ihm besonders imponiert: die Schaufelbagger, die die Loren mit Ton bestückten; die Lokomotiven, die mit 20 PS durch die Landschaft tuckerten; die Schwalben, die in den steilen Böschungen der Tongruben brüteten

Nie haben ihn die Bilder ganz losgelassen, und bis heute führen ihn seine Reisen an Orte, wo touristische Feldbahnen unterwegs sind. Als Peter Schwoch vor elf Jahren das Glindower Ton- und Kirschenfest besuchte, war er begeistert, die historische Feldbahn in einem kleinen Rund auf dem Ziegeleigelände fahren zu sehen. Der Straßenbau- Technologe konnte helfen, als sie aus den Gleisen sprang. Es dauerte nicht lange, und er war bei der Feldbahngruppe des „Fördervereins Historische Ziegelei“ dabei.

Die verfolgt seit Jahren eine Idee, die jetzt endlich Gestalt annimmt: eine kleine Feldbahnstrecke von der Glindower Ziegelei in die Glindower Alpen – auf den Spuren der Industriegeschichte des Ortes.

Bis heute besteht die Ziegeleimanufaktur am Glindower See, werden Ziegel und Dekorationsteile für denkmalgeschützte Häuser gebrannt. Früher gab es in Werder, Glindow und Petzow eine ganze Reihe von Ringöfen entlang der Havel, besonders die Landschaft der Glindower Alpen ist bis heute vom Tonabbau im 19. und 20. Jahrhundert geprägt. Der Ton für die drei Glindower Ziegeleien wurde mit Lorenbahnen aus den Erdebergen im Hinterland angefahren, die Ziegelsteine von einem Hafen am Glindower See zu den Berliner Abnehmern verschifft.

Die Feldbahngruppe knüpft an die Geschichte an. Doch für den Gedanken, eine der alten Lorenstrecken zu aktivieren und Gästegruppen von der Ziegelei aus 800 Meter in die Glindower Alpen zu fahren, standen die Signale lange auf Rot. Nach Abstimmungsrunden mit Ministerien, Landesämtern und Behörden war bereits ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren auf dem Weg, doch die Untere Naturschutzbehörde wollte die Bahn nicht freigeben und verweigerte die erforderliche Stellungnahme.

Schließlich erklärte Werders Bürgermeister Werner Große das touristische Hoffnungsprojekt vor zwei Jahren zur Chefsache. Er präsentierte dem Landesamt für Verkehr Kartenmaterial, mit dem belegt werden konnte, dass die Glindower Alpen eisenbahnrechtlich gewidmet sind. Das Gebiet steht heute unter Naturschutz, es gilt sogar der Europäische Flora-Fauna-Habitus-Status.

Doch die wohl längst vergessenen Schienenrechte wurden nie aufgehoben, davon geht jetzt auch das zuständige Landesamt aus. „Die Bahn kann im Bereich der Glindower Ziegeleien gebaut werden“, beschreibt Große das Ende eines jahrelangen Hickhacks.

Die Feldbahngruppe hat alle Weichen gestellt: Fünf Diesellokomotiven der Babelsberger Fabrikate NS 1 und NS 2 stehen im Lokschuppen, drei davon voll fahrtüchtig. Loren und Schienen haben die Vereinsmitglieder von anderen Ziegeleien vor der Verschrottung gerettet, Passagierwägelchen gebaut. Peter Schwoch selbst kaufte vor zehn Jahren von der stillgelegten Glienicker Ziegelei zehn Loren zu jeweils 300 Mark, die er Stück für Stück wieder herrichtet, „Raritäten, die heute kaum noch zu bezahlen sind“, sagt er. Im Glindower Ortsbeirat wird über eine Projektfinanzierung für die Verlegung der Schienenstränge nachgedacht, der Potsdamer Verkehrsbetrieb stellt ausgesonderte Betonschwellen zur Verfügung. Dann könnte es schnell losgehen mit den Bauarbeiten, meint Schwoch. „Vielleicht kann die Feldbahn in ein oder zwei Jahren fahren.“

Einige bürokratische Hindernisse hat die Feldbahngruppe noch von den Gleisen zu räumen. Das Landesamt und die Bahnaufsicht haben Betriebserlaubnisse zu erteilen, eine Reihe hoffentlich nicht allzu teurer Auflagen sind zu erfüllen. Bahnrechtlich gilt ironischerweise ein Reichsbahn-Relikt – die „Bau- und Betriebsordnung für Pioniereisenbahnen der DDR“.

An der Ostseite des Ziegeleigeländes soll die Fahrt beginnen, nach einer weiten Lichtung den sanften Anstieg in die urwüchsigen Glindower Alpen nehmen, um nach einer viertel Stunde am Rand einer Tongrube zu halten und die Rückfahrt anzutreten, erzählt Peter Schwoch bei einem Rundgang, bei dem an Schneisen durch üppiges Grün noch Spuren der alten Lorenstrecken auszumachen sind. „Dann kann man überlegen, wie viel Ziegel wohl aus diesem Ton entstanden sind.“

Der Umweltschutz soll nicht zurückgelassen werden: Die Feldbahngruppe würde die genaue Route gern mit der Naturschutzbehörde abstimmen. Es ist kein täglicher Betrieb geplant, die Feldbahn soll allenfalls in der Saison einen Sonntag im Monat fahren und auch für das schwächelnde Ziegeleimuseum Dampf machen.

In einem Umweltverträglichkeitsgutachten wurde bereits vor sieben Jahren nachgewiesen, dass sich ein solcher Betrieb mit den Schutzzwecken der Glindower Alpen verträgt. Er könnte sogar mit Pflegemaßnahmen beauflagt werden, die die Glindower Alpen aufwerten, wie es damals vom Büro Lindenau & Mackrodt hieß. Beispiel: der Beschnitt unerwünschter Robinien.

Zum Kirsch- und Ziegelfest am 5. Juli soll zumindest der kleine Rundkurs auf dem Ziegeleigelände wieder für Probefahrten aktiviert werden. So soll auch die Feldbahngruppe wieder zusammenfinden, deren Tätigkeit den vergangenen drei Jahren etwas eingeschlafen ist. Womöglich finden sich beim Kirsch- und Ziegelfest auch Technikfreunde, die sich wie Peter Schwoch vor elf Jahren für die Idee begeistern lassen. Die Chancen für die Feldbahn in die Glindower Alpen sind größer denn je, sagt Schwoch.

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