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Auf Protest eingeschworen: Kleinmachnower Bürger bereiten sich im Bus auf die Großdemo vor. Viele haben eigene Banner und Schilder gebastelt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Manche brachten ihre Kinder mit.

© Manfred Thomas (2), Ariane Lemme (1)

Von Ariane Lemme: Jubel, Pfiffe und der „Flugrouten-Blues“

Kleinmachnows Bürgerinitiative kämpft auf Großdemo gegen die geplanten Flugrouten nach Schönefeld

Berlin-Schönefeld - „Wenn wir nicht glauben würden, dass wir etwas verändern können, wären wir nicht hier“, sagt Petra Feld und streift sich die grelle Warnweste über. Sie ist eine von 30 Freiwilligen, die auf der Großdemo am künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg International an diesem Sonntag für die Sicherheit sorgen wollen. Mehr als zehntausend Leute sind hier hergekommen, um gegen die geplanten Flugrouten zu demonstrieren. Viele davon sind aus der Region Teltow angereist. Die Bürgerinitiative Kleinmachnow hat fünf Busse organisiert, mit denen die Protestler gegen Mittag angerückt sind – unter ihnen Petra Feld.

Im Moment sehe es nicht gut aus, schätzt die Kleinmachnowerin Feld, denn die Flughafenbetreiber-Gesellschaft werde kaum von ihren Forderungen abrücken. „Auf jeden Fall braucht es noch viel mehr Demonstrationen und politischen Druck“, sagt sie. Vor allem ärgert sie sich über die geringe Kompromissbereitschaft der Deutschen Flugsicherung. Kritik übt sie auch an Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): „Wenn er als Anteilseigner der Betreibergesellschaft sagt, dass Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit geht, dann meint er die Wirtschaftlichkeit der Fluglinien – die nämlich ist ihm egal“, so Feld. Anders würde er die Wirtschaftlichkeit des Flughafens werten.

Auf einer Bühne am Rand des Flughafengeländes macht Matthias Schubert, Chef der Kleinmachnower Bürgerinitiative, die beiden Hauptforderungen der Flugroutengegner deutlich: Ein striktes Nachtflugverbot und kein Überflug von Wohngebieten, die nach dem Planfestestellungsbeschluss nicht damit rechnen mussten. Dafür erntet er Beifall. Vor der Bühne geht man noch weiter: Das Publikum ruft nach dem Flughafen-Baustopp. Über der Menge prangt ein ganzer Schilderwald: „Routentäuschung“, „Lügner-Air“ und „Es reicht!“ steht auf selbst gemalten Bannern. Einer der Redner ruft die Menge auf, die Schilder kurz herunter zu nehmen, „damit man auch die Menschen mal sieht“. Danach ergreift Sabine Bergmann-Pohl, Präsidentin des Berliner Roten Kreuzes, das Wort. Sie fordert mehr Verlässlichkeit von Seiten der Politiker. Von denen habe in den vergangenen Wochen so mancher gehofft, dass die Bürger sich mit „vielleicht/vielleicht-auch nicht“-Ankündigungen beschwichtigen ließen, setzt Markus Peichl von der „Initiative Weltkulturerbe Potsdam“ hinzu. „Diese Hoffnung aber hat sich nicht erfüllt“, sagt er.

Gerade kinderreiche Gemeinden wie Kleinmachnow haben eine sehr aktive Protestbewegung – und das zeigen sie hier. Viele von ihnen haben sich erst in den letzten zehn Jahren ein Haus am Rande Berlins gekauft und sehen sich jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt. „Von der Politik verarscht“ – das ist einer der häufigsten Sprüche an diesem Sonntag.

Im kinderreichen Kleinmachnow fürchten viele vor allem um die Gesundheit ihrer Jüngsten. Olaf Sinningen hat seine gleich mitgebracht: Er will, dass sie früh lernen, sich zu engagieren, sagt er. „Auch, wenn ihnen das bei dem kalten Wetter vielleicht nicht so viel Spaß machen wird.“ Michael Merzhäuser, ein weiterer Demonstrant aus Kleinmachnow, hatte jedoch Angst, seinen Nachwuchs mitzunehmen: „Aus Stuttgart hat man schließlich Bilder mitbekommen, die das Vertrauen in die Polizei bei solchen Einsätzen erschüttert haben“, erläutert er.

Auf der Bühne geben sich die Referenten das Mikro in die Hand. Das Thema Flugrouten werde in Berlin, Brandenburg und Potsdam auch zum Wahlkampf-Thema, sagt Simon Lietzmann aus Lichtenrade. Die Gräben würden dabei aber nicht zwischen den Bürgerinitiativen verlaufen: „Die Politik wird uns nicht auseinanderbringen“, sagt Lietzmann kämpferisch. Er und Marela Bone-Winkel von der Initiative „Keine Flugrouten über Berlin“ prangern die Verletzung rechtstaatlicher Prinzipien an. Es kommen noch Einige zu Wort an diesem Nachmittag, und mit jeder Rede wird der Protest lauter. Das Publikum jubelt, pfeift – und in einer Ecke singt ein Musiker den „Flugrouten-Blues“. Immerhin: Die Kleinmachnower fahren am Ende bestärkt nach Hause.

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