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Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Teurer Schnee

Dieser Winter hat Brandenburg überrascht: Streusalz wird knapp, Gemeinden klagen über Kosten, Dächer biegen sich, Straßen platzen auf und ein Ort wird für zwei Nächte gesperrt In Cottbus sind die Messehallen wegen des Schnees auf dem Dach gesperrt.

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Potsdam/Berlin - Chaos auf den Straßen, wetterbedingte Flugausfälle, einstürzende Dächer – der Winter in der Region Berlin- Brandenburg zeigt sich weiter unerbittlich. Nicht nur in Berlin wird, wie berichtet, langsam das Streusalz knapp. Dort will man dem raren Streugut demnächst Splitt beimischen, um der Lage Herr zu sein. In der Barnimer Kreisstadt Eberswalde hingegen hat die Stadtverwaltung bereits vor dem hartnäckigen Winter kapituliert, zumindest teilweise. Wie die Stadtverwaltung jetzt mitteilte, sei der Winterdienst ab sofort nur noch eingeschränkt möglich. Der Grund: Auch in Eberswalde werden die Streusalz-Reserven knapp und ausreichend Nachschub ist nicht in Sicht. „Unsere Vorräte werden deshalb nur noch für Schwerpunktbereiche verwendet“, bestätigt Stadtsprecherin Britta Stöwe. Eine kontinuierliche Belieferung mit Streusalz sei derzeit nicht gewährleistet. Bestellung seien zwar längst erfolgt, doch die Betriebe könnten die immense Nachfrage einfach nicht mehr abdecken. „Die wichtigsten Verkehrsverbindungen werden jetzt mit Kies gestreut“, versichert Stöwe.

Auch am Dienstagabend und am gestrigen Mittwoch sorgten erneut starker Schneefall und Temperatursprünge für Chaos auf den Straßen. Bis gestern Mittag ereigneten sich nach Polizeiangaben 57 witterungsbedingte Unfälle, bei denen zehn Menschen leicht verletzt wurden. Zu den Schwerpunkten gehörten die Autobahnen 2, 9 und der Berliner Ring. Zahlreiche Straßen im ganzen Land mussten zudem wegen Schneeverwehungen oder stecken gebliebener Fahrzeuge vorübergehend gesperrt werden. So war in der Nacht zum Mittwoch im Landkreis Oder-Spree ein Lkw von der Straße abgekommen und im Graben liegen geblieben. Bei dem Versuch, den Wagen zu überholen, waren mehrere nachfolgende Lastwagen stecken geblieben und hatten so die komplette Strecke blockiert. Auch für eine Fräse, die Stunden später zum Räumen gekommen war, hatte es zunächst kein Durchkommen gegeben. Ebenfalls aufgrund des starken Schneefalls waren in der Nacht zum Mittwoch 20 Flüge von den Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel nach Dresden, Leipzig und Hannover umgeleitet worden. Der Flugverkehr hatte sich im Laufe des Tages aber wieder normalisiert.

In Groß-Breesen (Oder-Spree) hatten die Schneemassen sogar in der Nacht ein leer stehendes, baufälliges Gebäude zum Einsturz gebracht. Die B 112 hatte deshalb teils komplett gesperrt werden müssen. In Cottbus sind die Messehallen aufgrund der Schneemassen auf dem Dach aus Sicherheitsgründen gesperrt worden. Die Stadt Zehdenick (Oberhavel) greift indes zu ganz ungewöhnlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Schneemassen. Dort sollten in der Nacht zum Donnerstag und Freitag ganze Straßenzüge in der Altstadt gesperrt werden. „Die kleinen Straßen geben es einfach nicht mehr her, dass dort der Schnee weiter aufgetürmt werden kann“, sagte Vize-Bürgermeister Dirk Wendland. „Es ist so eng, dass die Bürgersteige schon zugeschoben sind, auch die Parkbuchten sind voll Schnee. Noch mehr Schnee können wir dort nicht bewältigen.“ Nun werden über Nacht mehrere Straßenzüge gesperrt, Anwohner müssen ihre Wagen an anderen Stellen parken, damit Räumfirmen mit Bagger und Ladefahrzeugen anrücken können. Der Schnee wird auf Grünflächen geschafft, wo er dann tauen kann. Mittlerweile zerrt die anhaltende Kälte, der viele Schnee und die vereisten Wege immer mehr an den Nerven der Einsatzkräfte. Immerhin mehr als 1,2 Millionen Kilometer Strecke haben die Räumtrupps Angaben des brandenburgischen Infrastrukturministeriums zufolge in diesem Winter bereits abgearbeitet. Mehr als 93 000 Stunden sollen sie im Einsatz gewesen sein, rund 60 000 Tonnen Salz wurden bisher verbraucht und noch bis in den Mai hinein sei mit Frost zu rechnen, schätzen Meteorologen.

Doch längst ist das zähe Winterwetter nicht mehr nur Mühsal und Ärgernis, sondern hat auch bereits weitreichende Folgen. So etwa klagen Landwirte über deutlich gestiegene Energiekosten für Ställe und Gewächshäuser, Bauunternehmen sind zur Untätigkeit verdammt, müssen ihre Mitarbeiter derzeit Überstunden abbummeln lassen, während die Zeitplanung für die Baustellen völlig durcheinander gerät. Viele Betriebe habe die extreme Wetterlage „ziemlich kalt erwischt“, bestätigt etwa Christiane Witek, Sprecherin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg.

Besonders kostspielig wird der Winter auch für Brandenburgs Kommunen. „Wegen der Erfahrungen der vergangenen Jahre haben die Kommunen mit deutlich geringeren Kosten für den Winterdienst gerechnet“, berichtet Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes. Die benötigte Menge an Streusalz sie bereits jetzt doppelt so groß wie in der Vergangenheit. Die Kosten für das Streugut sei aufgrund der starken Nachfrage sogar weit stärker gestiegen, gibt Böttcher zu bedenken. Ebenfalls negativ auf die Gemeindekassen werde sich der gestiegene Heizbedarf auswirken. Der Städte- und Gemeindebund rechnet mit einem Anstieg um mehr als das Doppelte. „Das ist eine ganz schöne Belastung“, meint Böttcher. In einigen Kommunen müssten sich die Bürger deshalb auf Einsparungen zur Kompensation einstellen. Dies müsse auch die Landesregierung erkennen, wenn wieder über den Finanzausgleich diskutiert werde.

Auf Landesebene aber hat man selbst mit deutlich gestiegenen Kosten zu kämpfen. „Sollte der Winter weiter so hart bleiben, könnten Nachzahlungen für die Heizkosten anfallen und den Landeshaushalt 2011 zusätzlich belasten“, berichtet Mathias Radowkis, Sprecher des Brandenburgischen Landesbetriebes (BLB). Rund 80 Prozent der Gebäude, die der BLB bewirtschafte, würden schließlich von Landesbehörden genutzt. Nicht teurer als sonst wird für das Land dagegen der Winterdienst auf den Wegen und Straßen der Behördenzentren. „Dafür haben wir Pauschalverträge an Dritte vergeben“, sagt Radowski. Sei ein Winter mild, müssten die beauftragten Firmen für ihr Geld eben weniger arbeiten, sei er streng, gebe es mehr zu tun.

Um so teurer wird in diesem Jahr hingegen wohl das Stopfen der Löcher in den Straßen. Vielerorts, wie etwa auf der Avus, zerfällt die Fahrbahndecke in tausende Krümel, gleicht der Asphalt einem löchrigen Schweizer Käse. „Wegen des wechselhaften Wetters erwarten wir mehr Schäden als im vergangenen Winter“, bestätigt Lothar Wiegand, Sprecher im Infrastrukturministerium. „Eine verlässliche Bilanz können wir erst Ende März, Anfang April ziehen.“

Beim ADAC Berlin-Brandenburg hält man weniger den Winter für Schuld an den maroden Straßen, sondern hält viel mehr Versäumnisse bei den beiden Ländern Berlin und Brandenburg für ausschlaggebend. „Jetzt zeigen sich die negativen Folgen der jahrelangen Flickschusterei“, kritisiert Michael Pfalzgraf vom ADAC. Bereits jetzt sei der Zustand vieler Straßen im Land schlecht. Wie groß das Ausmaß der Schäden sei, zeige sich aber erst zum Ende des Winters. „Da fragt man sich, was eigentlich mit den vielen Einnahmen aus der Kfz-Steuer geschieht.“ Dabei sei ein gutes Straßennetz auch eine wirtschaftliche Visitenkarte für jede Region, warnt Pfalzgraf.

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