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Von Alexander Fröhlich: Müll-Ermittler unzufrieden mit Gerichten

Prozess um illegale Abfälle in Fresdorfer Heide / Verfahren gegen den Müllpaten beginnt nicht vor Herbst

Potsdam-Mittelmark - Wie gefährlich war der giftige Müll im Kiestagebau Fresdorfer Heide? Im Prozess um illegale Abfälle hatten am zweiten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Potsdam am Montag die Gutachter das Wort. Das Urteil der vom Landeskriminalamt (LKA) beauftragten Expertin war eindeutig: Sie fand in den Proben von der Fresdorfer Heide hochgiftige, teils krebserregende Stoffe, deren Grenzwerte um das Dreifache überschritten wurden. Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe, Phenole, Weichmacher, Mineralfasern – Stoffe, die „auf einer Deponie nicht hätten abgelegt werden dürfen“, so die Gutachterin. Wären sie vom Regen ausgespült worden, hätte Gefahr für Boden und Grundwasser bestanden.

Der Gutachter der Verteidigung dagegen stellte die Ergebnisse grundsätzlich in Frage und hielt den abgelagerten Müll auch nicht für gefährlich. Die Strategie der Anwälte läuft auf einen juristischen Winkelzug hinaus: Dabei geht es um die Frage, welche Verordnung, welcher Erlass überhaupt für die Fresdorfer Heide gilt. Ist es eine Deponie oder ein Kiesbergwerk, dass mit Bauschutt wieder aufgefüllt werden darf.

Für die Staatsanwaltschaft Potsdam ist die Lage eindeutig. Angeklagt ist der Unternehmer Götz E. (50) wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen und unerlaubten Betreibens einer Müllanlage, der Betriebsleiter Lars Z. (47) wegen Beihilfe. Die Firma des Angeklagten, die BZR Bauzuschlagstoffe und Recycling GmbH, soll von Herbst 2006 bis August 2007 gefährlichen Gewerbe- und Industriemüll in der Kiesgrube verklappt haben. Es war also eine illegale Deponie. Insgesamt 45 000 Kubikmeter, knapp 14 000 Tonnen, die nur auf Spezialdeponien oder in Verbrennungsanlagen hätten landen dürfen. Die Staatsanwaltschaft geht von Entsorgungskosten von 1,35 Millionen Euro aus. Die Firma hatte nur eine Erlaubnis um die Grube mit vorsortiertem Bauschutt zu verfüllen. Die beiden Angeklagten schweigen bisher zu den Vorwürfen. Die Verteidiger betrachten die Anklage als gegenstandslos, weil die BZR keine Deponie betrieben habe, sondern in der Kiesgrube Müll verwertet habe.

Das Landesbergamt hatte 2007 einen ersten Verdacht, 2008 rückten die Ermittler an. Die von der gestern angehörten Gutachterin untersuchten Proben ergaben krebserregende Stoffe und Umweltgifte. Bereits am ersten Prozesstag sprachen mehrere BZR-Mitarbeiter vor Gericht von auffällig leichtem Müll aus Flusen. Ein LKA-Spezialist sprach von klein gehäckselter Plastik und dem Verdacht, dass die BZR falsch deklarierte Abfälle angenommen hätte. Beim nächsten Prozesstag kommende Woche sollen zwei Mitarbeiter des Landesbergamtes als Zeugen gehört werden, ein Urteil ist für den 23. März zu erwarten.

Der Fall gehört zu einer Reihe von Müllskandalen, die in den vergangenen Jahren aufgedeckt wurden. Die Ermittler sind allerdings verwundert, dass die Klage gegen den BZR-Chef angesichts der horrenden Schadenssumme vor dem Amtsgericht und nicht vor dem Landgericht verhandelt wird. Ohnehin sind die Beamten höchst unzufrieden mit der Arbeit der Justiz. Sie sehen ihre Erfolge in Gefahr, wie im Fall von Bernd R., der „Müllpate“ von Brandenburg, wie er auch genannt wird. 2008 fanden die LKA-Spezialisten in sieben Gruben und Deponien, darunter in Schlunkendorf, Alt Bensdorf, Mörz, Ragösen und Schlamau, insgesamt 144 000 Tonnen illegalen Müll. Der Müllpate wurde im September 2008 kurzzeitig verhaftet, die Staatsanwaltschaft erhob im Mai 2009 Anklage. Passiert ist bislang nichts, mit einem Prozess am Landgericht wird nicht vor Herbst gerechnet. Und je länger es dauert, desto milder fallen die Strafen aus.

Nur wegen Vorteilsgewährung wurde R. bisher im September 2010 zu 8000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil er eine Behördenleiterin bestochen hat. Die Ermittler hoben derweil einen ganzen Ring von Müllhändlern aus, der im ganzen Land aktiv war. Doch bei den Gerichten staut sich alles, insgesamt sind es sechs große Verfahren, alles hängt miteinander zusammen. Aus Justizkreisen heißt es nur, es fehle Personal. Und das kann Folgen haben: Der Bundesgerichtshof (BGH) hob jüngst ein Hafturteil des Landgerichts Neuruppin gegen zwei Müll-Unternehmer auf – weil ein Richter die Frist für die schriftliche Urteilsbegründung nicht einhielt, wegen Krankheit.

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