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Lebensgefahr auf der Autobahn: In Brandenburg ist wieder ein Wolf bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

© dpa

Vierter toter Wolf in Brandenburg: Gefahr im Revier

Schon wieder wurde ein Wolf auf der Autobahn überfahren. Schuld daran könnte die Paarungszeit sein.

Von Sandra Dassler

Klein Marzehns/Beelitz - Eine traurige Bilanz für Isegrim: In der Nacht zum Samstag ist auf Brandenburgs Straßen bereits der vierte Wolf in diesem Jahr überfahren worden – dieses Mal auf der A9 zwischen Klein Marzehns und Niemegk. Der Zusammenstoß war so heftig, dass der Wagen des 45-jährigen Fahrers nicht mehr fahrtüchtig war.

Abgeholt wurde das tote Tier von der Beelitzer Zoologin und ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten Anja Kayser. Sie vermutet, dass das Raubtier beim Versuch, die Autobahn zu überqueren, von der Leitplanke in der Fahrbahnmitte aufgehalten wurde und beim Kehrtmachen direkt vor das Auto gelaufen sei. Traurig schaut Kayser, die wie andere Wolfsbeauftragte bei Wolfsunfällen von der Polizei benachrichtigt wird, auf den Kadaver: „Es war ein ausgesprochen schöner Wolf.“

Dreieck Potsdam: Erst vor Kurzem wurden zwei Wölfe überfahren

Sorgen macht Kayser die Häufung der Todesfälle: Erst vor rund drei Wochen wurden auf der A10 am Dreieck Potsdam zwei weibliche Jungwölfe, die etwa zehn Monate alt waren, überfahren. Diese Häufung kann Zufall sein, sagt Anja Kayser. Sie kann aber auch damit zusammenhängen, dass sich die diesjährige Paarungszeit dem Ende nähert. Anders als zum Beispiel Hunde sind Wölfinnen nur einmal im Jahr, nämlich im Spätwinter, etwa von Ende Januar bis Anfang März, zur Paarung bereit. „Für Rüden, die jetzt noch keine Partnerin gefunden haben, wird es höchste Zeit“, sagt Anja Kayser. „Da kann schon eine Panik einsetzen.“

Die Welpen werden dann nach etwa 63 Tagen Ende April, Mai und Anfang Juni geboren und können im warmen Sommer groß werden. Wenn der Winter kommt, sind sie schon fast so groß wie die Alttiere, und wieder ein Jahr später erreichen sie die eigene Geschlechtsreife. Viele Jungwölfe verlassen dann ihr Rudel, um sich eine Partnerin oder einen Partner zu suchen und in einem neuen Territorium eine eigene Familie zu gründen. Dabei legen sie täglich bis zu 70 oder 80 Kilometer und insgesamt manchmal riesige Entfernungen zurück, sagt Anja Kayser. So lief ein in Sachsen mit einem Sender versehener Jungwolf bis nach Weißrussland.

Aufschlüsse über das Verhalten liefern die Untersuchungen, die im Berliner Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung durchgeführt werden, wo auch der am Wochenende überfahrene Wolf begutachtet wird. Manchmal erlebe man dabei Überraschungen, sagt Anja Kayser: „So wurden auch schon Schrotkugeln im Körper der Wölfe gefunden.“

Auch geköpfte Wölfe schon gesehen

Auch geköpfte Tiere habe der für das Land Brandenburg als Wolfsbetreuer zuständige Fercher Kay-Uwe Hartleb schon gesehen. Er bestreitet, dass die Tiere, wie oft angenommen, den Städten und Dörfern immer näher kommen. Jedoch tappte Ende vergangenen Jahres ein Wolf auf der Glindower Platte in eine Fotofalle – eine beachtliche Aufnahme, noch nie zuvor wurde ein Tier innerhalb des Berliner Rings registriert. Hartleb dazu: Da sich Wölfe inzwischen nicht mehr nur südlich von Berlin, sondern rund herum angesiedelt hätten, käme es natürlich auch hin und wieder vor, dass ein Tier die Stadt streife. Würde dort der Wolf auf einen Menschen treffen, so laufe das scheue Raubtier im Normalfall davon.

Im waldreichen Brandenburg leben nach Angaben des Landesumweltamts inzwischen wieder elf Wolfsrudel mit etwa 100 Tieren. Allein in Mittelmark befinden sich mittlerweile fünf Rudel. Besonders häufig liegen die Reviere auf ehemaligen oder auch noch genutzten Truppenübungsplätzen – in der Mittelmark zum Beispiel der frühere Truppenübungsplatz Lehnin. Eines der neueren Rudel befindet sich bei der kleinen Stadt Görtzke – recht nahe an der Autobahn gelegen, wo am Wochenende der Wolf überfahren wurde. Die größte Gefahr für den Wolf ist tatsächlich der Straßenverkehr, natürliche Feinde hat er keine. Deutschlandweit sind seit 2000 fast 100 Tiere überfahren worden.

Vier Wildbrücken in Brandenburg

Um Unfälle mit Wölfen oder anderen Wildtieren auf Autobahnen zu vermeiden, sind in Brandenburg bisher insgesamt vier Wildbrücken gebaut worden. Die breiten grünen Korridore sollen den Tieren eine Querungshilfe sein. Die erste dieser Brücken wurde über der A11 bei Joachimsthal in der Uckermark errichtet. Weitere sind bislang auf der A13 bei Teupitz (Dahme-Spreewald), auf der A12 bei Briesen (Oder-Spree) und nicht zuletzt auf der A9 bei Niemegk zu finden – genau dort, wo der Unfall sich ereignete.

Laut dem Wolfsbeauftragten würden die Wildbrücken auch von Wölfen gut angenommen. Auf den Brücken stehen Infrarot-Kameras, die die Tierquerungen dokumentieren. Insgesamt wurden seit 2012 auf allen Brücken, ausgenommen die in der Uckermark, über 2000 Tierquerungen erfasst – und gemäß den Aufzeichnungen des Landeskompetenzzentrums Forst in Eberswalde wurden dabei immer wieder auch Wölfe registriert.

Der Umweltschutzverband BUND kritisiert, dass einige geplante Wildbrücken von der Landesregierung wegen zu hoher Kosten wieder gestrichen wurden. So sollte eine weitere auf der A9 bei Beelitz entstehen, die ist laut BUND aber wieder vom Tisch. Auch in der recht unberührten Uckermark sollte eine Brücke entstehen, deren Finanzierung ist offen. (mit Eva Schmid)

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