zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Vielflieger auf vier Pfoten

Caputher Labradorhündin Jule hat in Kapstadt mit Schlangen gekämpft und in Bangkok Warane gejagt

Von Enrico Bellin

Schwielowsee – Noch ein treuer Blick zum Herrchen, dann ab in die Transportbox, rauf auf das Sperrgepäckband und ab in den Rumpf des Jumbojets. Wiedersehen in 15 Stunden. Für die Caputher Labradorhündin Jule war das jahrelang Alltag. „Sie ist wohl der am weitesten geflogene Hund Brandenburgs“, schätzt Karl Günsche. 150 000 Kilometer habe seine Jule in ihren 13 Lebensjahren bisher in der Luft zurückgelegt.

Günsche ist Journalist im Ruhestand, seine Frau Diplomatin. „Wir haben Jule 2001 gekauft, weil unser damals fünfjähriger Sohn ein Geschwisterchen wollte, ich mich aber zu alt dafür fühlte“, sagt der 73-Jährige. So ist die inzwischen ergraute Hundedame zu einem vollwertigen Familienmitglied geworden.

Als Günsches Frau 2005 nach Kapstadt beordert wurde, zogen Jule, der Sohn und er mit an den Fuß des Tafelberges. „Beim ersten Flug war sie not amused und weigerte sich etwas, in die Transportbox zu gehen.“ Dann habe sie aber gelernt, dass es der einzige Weg sei, um mit der Familie zusammenzubleiben. Günsche konnte sich persönlich davon überzeugen, wie seine Hündin den Langstreckenflug im klimatisierten und beleuchteten Teil des Laderaums verbringt. „Sie hatte ihren Wassernapf umgestoßen und das Personal so angeknurrt, dass die sich nicht an die Box getraut haben.“ Damit der Hund nicht stundenlang dursten muss, wurde Günsche im Terminal ausgerufen, kletterte durch die Versorgungsluke und sorgte für frisches Nass.

Das neue Umfeld rund um den Tafelberg bot Jule wesentlich mehr Abwechslung als die Fauna des Caputher Sees, was bei ihrem Herrchen oft für Sorgenfalten sorgte. „Einmal knurrte sie heftig in ein Gebüsch und stellte die Nackenhaare auf, dann stellte sich ihr gegenüber eine Cobra auf.“ Günsche schaffte es gerade noch, Jule rechtzeitig wegzuziehen, ehe die Schlange zubeißen konnte. Nach einem Biss wäre die Hündin wohl innerhalb von zehn Minuten gestorben.

Auch im Haus der Familie kam es zu gefährlichen Begegnungen. So bemerkte Jule als erste eine Puffotter, die sich in eine Küchenecke verkrochen hatte. Sohn Benjamin stand nur eineinhalb Meter von ihr entfernt. Puffottern gehören zu den gefährlichsten Schlangen der Welt, ihr Giftvorrat reicht aus, um bis zu fünf Menschen hintereinander zu töten. „Wir sind dann ruhig, aber schnell aus dem Haus und haben durch die Glastür beobachtet, wie der Schlangenfänger das Reptil entfernt hat“, beschreibt Karl Günsche.

Doch so mutig war Jule nicht bei allen Begegnungen: „Als sie in einem Nationalpark aus dem Auto heraus Löwen und Elefanten sah, war sie wie erstarrt.“ Bei der Einfahrt in den Park musste Jule sich verstecken, Hunde sind dort eigentlich verboten. Überhaupt sei das Leben für Hundebesitzer im Ausland nicht einfach. In Restaurants oder Hotels sind die Vierbeiner nicht erwünscht.

Das gilt auch für Bangkok. 2010 wurde Günsches Frau in die thailändische Hauptstadt beordert, wieder folgte die Familie. „Das Land steckt voller Wiedersprüche: In einigen Teilen werden Hunde gegessen, in der Hauptstadt gelten sie aber als Statussymbol.“ An die vielen Schlangen hatte sich Jule inzwischen gewöhnt, neu waren die Warane, die sie immer mit lautem Gebell vertreiben wollte. Die großen Reptilien waren friedlich, im Gegensatz zu den Schlangenkopffischen im Lotusblütenteich hinter dem Haus. Eigentlich fressen sie andere Fische oder Weichtiere, beißen jedoch auch Hunde. Karl Günsche: „Unsere Nachbarn haben uns gewarnt, dass dadurch schon Hunde verendet sind.“ Also wurde Jule das Schwimmen im Teich abgewöhnt.

Als Ausgleich durfte sie einmal wöchentlich ihre Bahnen in einem Schwimmbad nur für Hunde ziehen. Die Bewegung habe ihr gutgetan. „Wir haben in einem umzäunten Wohngebiet gelebt, wo wir die Wahl hatten, links vom Zaun oder rechts vom Zaun langzulaufen.“ An Gassigehen war in der turbulenten Hauptstadt sonst nicht zu denken. In Bangkok bekam die Familie dann weiteren Zuwachs: Den Kater Iwan, den Karl Günsche als Häufchen Elend in seiner Siedlung fand. Eigentlich wollte er ihn nur aufpäppeln, doch als der Kater bei Kräften war, war auch er bereits ein Familienmitglied.

Seit Sommer leben Jule und Iwan mit ihrem Herrchen wieder in Caputh, das Haus haben sie davor mehrmals beim Urlaub am Schwielowsee gesehen. Flughafenatmosphäre bekommt Jule aber noch regelmäßig mit, wenn Frauchen abgeholt wird: Sie arbeitet jetzt in Bagdad und kommt alle fünf Wochen nach Hause.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false