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Potsdam-Mittelmark: Versprochen, gebrochen

Dass die Kristall Bäder AG die Stadt Werder beim Bau der Blütentherme betrogen hat, ist nicht belegt. Die Öffentlichkeit wurde von Bäderchef Steinhart allerdings mehrfach hinters Licht geführt. Ein Protokoll

Werder (Havel) - Seit zwei Jahren sollte man hier baden und saunieren können, doch Werders Blütentherme will nicht blühen. Für 18 Millionen Euro Steuergeld wollte die Kristall Bäder AG der Stadt ein Bad errichten – und hat es nicht getan. Fast drei Millionen Euro will die Bädergruppe zusätzlich, sonst baut sie nicht weiter. Ist der mittelfränkische Partner für das Badprojekt noch vertrauenswürdig?

Der Vorwurf steht im Raum, dass die Stadt betrogen wurde. Die Kristall Bäder AG widerspricht – was dran ist, muss womöglich bald die Staatsanwaltschaft entscheiden. Zumindest die Öffentlichkeit wird von Aufsichtsratschef und Gründer Heinz Steinhart seit vier Jahren hinters Licht geführt. Dass er seine Zusagen nicht eingehalten hat, die Stadt ihren Teil am Projekt leistete, ohne das vereinbarte Ergebnis zu bekommen, ergibt sich bei einem Rückblick.

Im Januar 2011 hat Steinharts Bädergruppe den Zuschlag für die öffentlich-private Partnerschaft bekommen. Die Blütentherme soll deren 13. Bad werden. Im Juni kündigt Steinhart an, Werder in anderthalb Jahren zu eröffnen. Das Saunadorf mit Saunahäusern, Bach und Tauchbecken soll sogar noch 2011 in Betrieb gehen. Die Leute sollten miterleben können, wie die Therme wächst. Schweißtreibend wird es tatsächlich.

Teilnehmer einer Pressekonferenz sind überrascht, als Steinhart verkündet, einen alten Kraftwerksschornstein werbewirksam einbeziehen zu wollen. Er könne sich oben eine Stoffblüte vorstellen, die sich, wie das Bad, öffnet und schließt. In fünf Jahren will er als Bonus auch ein Wellenbad und ein Fünf-Sterne-Hotel errichten. „Wir haben immer mehr gehalten, als wir versprochen haben.“ Nicht in Werder.

Im August 2011 stimmen Werders Stadtverordnete dem Bebauungsplan zu. Steinhart sagt erneut den Start Ende 2012 zu. Wegen gestiegener Beton- und Stahlpreise erwähnt er Mehrkosten von 3,5 Millionen Euro, die seine Gruppe übernehme. Im Advent wird zum Saunatermin mit dem damaligen Bürgermeister Werner Große eingeladen. Ein Bauwagen ist am Bauplatz zum Saunamobil umgebaut worden. Es soll bis zur Eröffnung offenstehen und die Einnahmen sollen, so Steinhart, an die Tee- und Wärmestube gehen. Nach ein paar Tagen ist alles wieder weg.

Ende Dezember kündigt Steinhart an, das komplette Saunadorf der Therme in drei Monaten zu eröffnen, wenn die Baugenehmigung im Januar eintrifft. Sie trifft ein, das Saunadorf nicht. Als nach anfänglichem Baufortschritt kaum noch Bauarbeiter zu sehen sind, wird man im Bauausschuss der Stadt im Juni 2012 erstmals skeptisch, was all die Ankündigungen angeht. Kristall bekräftigt danach zwar, bis Jahresende fertig zu werden, weiter passiert aber wenig am Bauplatz. Bürgermeister Große räumt im August ein, dass der geplante Bauabschluss um drei Monate in den März verschoben ist. Aus dem Unternehmen wird das kurz darauf bestätigt. Für den 12. Oktober 2012 wird das Richtfest angekündigt. Daraus wird nichts.

Auf der Baustelle läuft es weiter zäh, nach zehn Monaten liegt noch nicht mal die Decke auf dem Erdgeschoss. Im Dezember wird den Stadtverordneten bekannt gegeben, dass die Therme erst im September 2013 öffnen kann – wenn das Bauwetter mitspielt. Bei einer Baustellenbesichtigung im April sagt Bäderchef Steinhart, es bleibe beim Start in fünf Monaten, es „gibt jetzt keine Risiken mehr“. Nach der Thermeneröffnung wolle die Bäder AG augenblicklich mit dem Bau des Wellenbades beginnen. 2018 feiere er seinen 75. Geburtstag, dann solle ein Kurkomplex mit Vier-Sterne-Hotel (nur noch vier) in den Havelauen fertig sein.

Im Juni 2013 erklärt der Bäderchef dann, die Therme werde einen Monat später, im Oktober, fertig. Zum Richtfest im Juli werde man erste Mitarbeiter einstellen. Knapp die Hälfte der Baukosten sind damals ausgezahlt. Ende August 2013 wird nach 19 Monaten Richtfest gefeiert. Laut Projektvertrag sollte die Therme da schon öffnen. Von Steinhart wird jetzt versprochen, das Bad „noch 2013“ zu eröffnen. Demnächst würden Einstellungsgespräche beginnen. Das Bad werde teurer, doch die Stadt werde wegen des guten Vertrags keine Mehrkosten haben. Etwa 500 Menschen hören das.

Einen Monat später fordert Steinhart eine Mehrkostenbeteiligung. Er beruft sich auf Vertragsklauseln, wonach die Stadt für Verzögerungen und Zusatzkosten aufzukommen hat. Er will 900 000 Euro, „keinen Cent mehr, als im Vertrag steht“. Kristall werde selbst vier bis fünf Millionen mehr beisteuern, um angesichts der Potsdamer Konkurrenz „attraktiver und schöner“ zu bauen.

Die Stadt fordert das Unternehmen im Oktober auf, die Mehrkosten aufzuschlüsseln. Heinz Steinhart erklärt, die Eröffnung im Dezember hänge an der Stadt, die müsse ihre Hausaufgaben erledigen – also zahlen. Der Dezember vergeht, ohne dass die Blütentherme öffnet. Vielmehr werden Zahlungsunregelmäßigkeiten gegenüber Subunternehmern bekannt.

Bei einem Baustellenrundgang am 12. Dezember mit dem Landrat spricht Kristallchef Steinhart dann von einem Start Ostern 2014, der Bautenstand betrage 80 Prozent. Das Bild ist geprägt von nackten Wänden und baumelnden Kabeln, es sieht eher nach 50 Prozent aus. Zwei Monate darauf nennt Steinhart, nachdem sich auf der Baustelle wenig rührt, den September 2014 als neuen Starttermin. Das Bad sei schon im Sommer fertig, da eröffne man aber keine Therme. Nach den Sommerferien könne wohl schon das Schulschwimmen beginnen. Auch daraus wird nichts.

Im März eröffnet Steinhart den zunehmend skeptischen Stadtverordneten bei einem Rundgang, die Therme sei zu 90 Prozent fertig. Tatsächlich hat die Stadt ihre 18 Millionen Euro, unter anderem durch Vorauszahlungen, fast komplett ausgeschüttet. Dafür ist recht wenig zu sehen. Im selben Monat wird fixiert, dass die Stadt 900 000 Euro zusätzlich zuschießt.

Das mittelfränkische Unternehmen müsse tatsächlich nicht für Verzögerungen haften, die durch ein über sechsmonatiges Bauantragsverfahren zustande kommen, heißt es aus dem Rathaus. Außerdem hafte die Bädergruppe nicht für Baugrundprobleme, soweit sie nicht im dem Projektvertrag angehängten Bodengutachten aufgeführt sind. Hinter vorgehaltener Hand ist von Kulanz die Rede.

Bis April 2014 liegen die erbetenen Nachweise vor, dass die Therme opulenter wird. Doch die ergeben: Die Therme soll mehr Raumvolumen haben, die Nutzfläche aber nur die vertragliche Mindestgröße erreichen. Die Mindestwasserfläche wird um zehn Prozent unterschritten. Es gibt kein Kinderbecken und kein Zwölf-Prozent-Solebecken, keine Whirlliegen und vier statt fünf Außensaunen.

Im Juni 2014 eskaliert die Situation: Der Starttermin wird zum siebenten Mal gekippt, Heinz Steinhart nennt keinen neuen. Er gibt einer Projektbeauftragten der Stadt die Schuld, die bezweifle, dass das ganze städtische Geld in die Blütentherme geflossen sei. Steinhart behauptet prompt, Kristall habe schon 30 Millionen Euro in Werder investiert. Bürgermeister Große platzt der Kragen: Kristall sei nicht in der Lage, die Therme zu bauen. Die Stadt warte weiter auf Belege, dass das Bad opulenter wird. Beide Seiten drohen mit Gerichten. Anfang Juli warnt Steinhart vor seinem Rückzug, jetzt auch, weil die Stadt eine Zwischenfinanzierung von 1,8 Millionen Euro nicht bereitstelle.

Im Juli 2014 sagt die Stadt zusätzliche 1,8 Millionen Euro zu – wenn Kristall nachweist, dass die Therme opulenter wird. „Wird uns exakt die höhere Qualität nachgewiesen, sind wir bereit, 1,8 Millionen Euro draufzulegen“, so der Bürgermeister. Die Energieversorgung soll abgesichert, ein Starttermin verbindlich festgeschrieben und Restbaukosten benannt werden. Alle weiteren Zahlungen sollen anteilig von Stadt und Kristall geleistet werden. All das ist bis heute nicht geklärt.

Auf ihrer Internetseite wirbt die Kristall-Gruppe, Planung und Bau von Bädern „schnell und betriebsorientiert“ umzusetzen und „kostengünstig auch bei Spezialeinbauten und im Technikbereich“ zu arbeiten. In Werder hat man andere Erfahrungen gemacht. Von Heinz Steinhart ist das Bild eines konfliktfreudigen Patriarchen entstanden, der viel verspricht und wenig hält. Werder steht nicht allein: Die Triminitherme in Kochel, die Fichtelberg-Therme oder die Kristalltherme in Seelze – Streit ums Geld und den Badbetrieb gibt es nicht nur zur Blütentherme.

Im September 2014 lässt die neue Bürgermeisterin Manuela Saß erstmals blicken, dass man sich womöglich von Kristall lösen wird. Zwei Monate später gibt Heinz Steinhart Erweiterungspläne für die Ludwigsfelder Kristalltherme bekannt. Vor wenigen Wochen versichert er, Werder habe für die Blütentherme keinen Cent zu viel bezahlt, vielmehr gebe es offene Rechnungen über 400 000 Euro, die eingeklagt werden müssten. Die Stadt solle sich überlegen, wie sie argumentiert. Habe sie zu viel bezahlt, stehe der Untreuevorwurf im Raum. Mit drei Millionen Euro von der Stadt könne die Blütentherme in sechs Monaten fertig sein.

Kurz darauf kündigt Bürgermeisterin Saß an, eine Trennung von Kristall und rechtliche Schritte zu prüfen, das Vertrauensverhältnis sei nach dem monatelangen Baustopp, leeren Versprechungen und Lügen zerrüttet. Nach Einschätzungen von der Stadt beauftragter Sachverständiger beträgt der Bautenstand nicht mal 60 Prozent, eine Fertigstellung der Therme wird demnach nicht sechs, sondern mindestens zwölf Monate dauern.

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