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Der Angeklagte (rechts) neben seinem Verteidiger Guido Fickenscher.

© Julian Stähle/dpa

Unfall in Teltow: Potsdamer Polizist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Mildes Urteil nach tödlichem Verkehrsunfall in Teltow: Angeklagter David H. muss 6300 Euro Geldstrafe zahlen.

Von Eva Schmid

Teltow - Es waren Sekunden, in denen sich das Leben von David H. veränderte. Der 27-jährige Polizist saß am 15. Oktober 2017 am Steuer des Einsatzwagens, war mit Blaulicht und Sirene unterwegs zu einer Prügelei zum Bahnhof in Teltow. An der Kreuzung Potsdamer Straße/Warthestraße krachte er mit einem älteren Ehepaar zusammen, dass an der Unfallstelle seinen Verletzungen erlag. Am Mittwoch wurde David H. am Potsdamer Amtsgericht dafür zu einer Geldstrafe von 6300 Euro verurteilt. Richter Stephan Heinrichs sprach ihn wegen fahrlässiger Tötung schuldig. Eine milde Strafe, so die Bewertung des Richters und auch des Staatsanwaltes, denn das Strafmaß reicht bis hin zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe. 

Angeklagter war den Tränen nahe

Der junge Mann zeigte bereits zu Beginn der Verhandlung Reue und kämpfte mit den Tränen: „Es tut mir unglaublich leid. Jeden Morgen stehe ich damit auf, jeden Abend gehe ich damit ins Bett.“ Die Worte richtet David H. an den Sohn des tödlich verunglückten Ehepaars, der Nebenkläger ist. David H. hat das Ehepaar nach dem Unfall zusammen mit seinem Kollegen noch aus dem Wagen geborgen. 

Der Unfall hat Spuren hinterlassen: David H. arbeitet seither im Innendienst, zu groß sei die Angst, dass im Streifendienst wieder etwas passieren könnte. Dabei hatte er zuvor mehr als 100 Einsätze gefahren, wird vor Gericht als erfahrener Polizist bezeichnet. Noch immer muss er psychologisch betreut werden, mit seinem Kollegen hat er keinen Kontakt mehr.  Dass er damals überhaupt am Steuer saß, war reiner Zufall – die beiden Kollegen hätten das an dem Tag so entschieden. Sein Kollege hatte die Aufgabe, auf den Verkehr zu achten. „Wir haben das so eingeschätzt, dass die Kreuzung befahrbar ist“, sagt David H. vor Gericht aus. 

Ein Justiz-Mitarbeiter im Verhandlungssaal des Amtsgerichts Potsdam
Ein Justiz-Mitarbeiter im Verhandlungssaal des Amtsgerichts Potsdam

© Julian Stähle/dpa

Über rot und mit Tempo 80 auf die Kreuzung

Laut dem Sachverständigen der Dekra soll er mit dem Streifenwagen mit rund 80 Stundenkilometer in den Kreuzungsbereich hineingefahren sein. Der Audi des verunglückten 70-Jährigen und seiner 64-jährigen Ehefrau soll sich mit 20 bis 30 Stundenkilometer dem Unfallort genähert haben.  Klar wird am Mittwoch auch, dass beide am Unfall Beteiligten Schuld tragen. Wäre der Einsatzwagen langsamer unterwegs gewesen, hätte er noch bremsen können, erklärt der Dekra-Gutachter Oliver Wagner. Und hätte der Fahrer des Audis das Martinshorn und das Blaulicht wahrgenommen, dann hätte er bei seiner Geschwindigkeit noch bei der Einfahrt in die Kreuzung rechtzeitig stoppen können. Doch es kam anders. Der Dekra-Gutachter geht mittlerweile davon aus, dass sowohl David H. als auch der verunglückte Fahrer über rot gefahren sein müssen. 

Absolute Sicherheit zur Ampelschaltung, also zur Frage, wer rot und wer grün hatte an diesem Morgen, gibt es auch nach umfangreichen Ermittlungen nicht. Weder David H. noch sein Kollege konnten sich am Mittwoch vor Gericht daran erinnern, was die Ampel damals anzeigte. Eine Möglichkeit die genaue Ampelschaltung im Nachhinein zu erfassen, scheint technisch nicht möglich zu sein. Sowohl der Richter als auch der Gutachter konnten sich im Nachhinein daher nur auf Zeugenaussagen stützen. 

Das Verfahren sollte zuerst eingestellt werden

Diese fielen allerdings zunächst zugunsten des Angeklagten aus. Wie berichtet war die Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2018 als das vorläufige Dekra-Gutachten vorlag, kurz davor, den Fall zu den Akten zu legen. Im Gutachten stand laut dem Potsdamer Staatsanwalt Jörg Möbius, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass für die Polizisten die Ampel grün war. „Daher tendierte ich zur Einstellung.“ 
Doch dann gab es zwei weitere Zeugen, die unabhängig voneinander und am Mittwoch für den Richter auch sehr glaubhaft erklärten, dass David H. und sein Kollege doch über rot gefahren sind. So erzählt ein Busfahrer der Linie X1 den Streifenwagen an diesem Oktobermorgen durchgelassen und aus rund 200 Meter Entfernung die rote Ampel erkannt zu haben. Ein Motorradfahrer, der an der Kreuzung an der Esso-Tankstelle unterdessen tankte, will aus dem Augenwinkel ein rotes Ampelsignal auf der Potsdamer Straße in Richtung Teltower Bahnhof gesehen haben. 

Kommunikationsschwierigkeiten bei der Polizei

Dass der Gutachter diese Informationen erst später bekommen hat, erklärt Möbius gegenüber den PNN mit Kommunikationsschwierigkeiten. „Das hat nichts damit zu tun, dass hier etwas vertuscht werden sollte, wie manche Medien zuvor berichteten“, so Möbius. So hätte die Polizeidirektion Süd die Ermittlungen von der zuvor zuständigen Polizeidirektion West übernommen, in der die zwei Polizisten, gegen die ermittelt wurde, weiterhin arbeiten. 

Ein Leben mit der Schuld

Dass David H. vergleichsweise mild bestraft wurde – das Gericht folgte den Anträgen des Staatsanwalts – , erklärt der Richter mit der Mitschuld der Verunglückten. Auch sie seien über eine rote Ampel gefahren und hätten die für fast alle der geladenen 14 Zeugen deutlich wahrnehmbaren Einsatzsignale damals nicht beachtet. Heinrichs betonte aber auch, dass David H. seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Denn wer mit Martinshorn und Blinklicht unterwegs ist, müsse auch die Verkehrsregeln beachten. Er hätte sich in die Kreuzung vortasten müssen und sie nicht mit Tempo 80 passieren sollen. Für den Amtsrichter war die Geschwindigkeit eindeutig zu hoch. Heinrichs berücksichtigte jedoch, dass der Angeklagte noch immer unter der Situation leidet. Er müsse sich ein Leben lang damit auseinandersetzen. Gegen das Urteil ist die Berufung zugelassen.  

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