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Hoch vom Sessel gegen Rechts. Der Kinosaal der Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow war am gestrigen Sonntag voll. Gedreht wurde ein Kurzvideo, mit dem für eine vielfältige und bunte Gesellschaft geworben wird. Gezeigt werden soll der neue Trailer künftig vor jedem regulären Kinofilm. 

© Manfred Thomas

Trailer der Neuen Kammerspiele: 350 Kleinmachnower bei Videodreh gegen Rechts

Mehr als 350 Kleinmachnower haben in den Neuen Kammerspielen Gesicht gegen Rechts gezeigt und bei deinem Trailer-Dreh mitgemacht. 

Von Sarah Stoffers

Kleinmachnow - Auf Kommando stehen die mehr als 350 Besucher aus den Kinosesseln auf, blicken in Richtung der Kamera. Ein Meer von hin und her schwenkenden Händen ist im Saal der Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow zu sehen. „Ihr seht toll aus“, ruft Kinochefin Valeska Hanel der Menge zu.

Zahlreiche Kleinmachnower sind am Sonntag einem Aufruf der Neuen Kammerspiele gefolgt, um in einem besonderen Kurzfilm mitzuspielen. Unter dem Motto #wirsindmehr wollen die Neuen Kammerspiele mit ihrem Trailer ein Zeichen für Demokratie, Vielfalt und gegen Rechts setzten, wie Hanel erklärt. „Die Aktion richtet sich gegen die rechten Tendenzen in unserer Gesellschaft.“ Es sei erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit wieder rechtes Gedankengut in die Gesellschaft schwappe. Hanel nimmt auch Bezug auf die jüngsten Vorfälle in Chemnitz. Es gehe darum, sich zu bewegen und Gesicht zu zeigen, gegen Rechts, gegen Diskriminierung.

Günstiger Zeitpunkt, um viele zu erreichen

Der Trailer soll künftig in den Neuen Kammerspielen vor den Kinofilmen laufen. Auch andere Filmhäuser könnten den in Kleinmachnow aufgenommen Kurzfilm in ihr Programm mit aufnehmen, bietet Hanel an und hofft auf Resonanz. Schon vor einem Jahr habe das Team der Kammerspiele überlegt, eine solche Aktion zu starten, doch habe es zeitlich bisher nicht geklappt. Nun, da die Welle der rechten Proteste so hoch schwappe, sei die Zeit gekommen. „Ich hoffe, das ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt, um viele zu erreichen“, sagt Hanel. Den Hashtag des Kurznachrichtendienstes Twitter, #wirsindmehr, habe man bewusst gewählt, weil viele nach den Ereignissen in Chemnitz und dem großen Konzert gegen rechte Gewalt etwas damit verbinden würden.

Das Vorhaben der Kammerspiele indes kam nicht bei allen Kleinmachnower gut an: Gegen die Aktion gab es Protest. So sollen Unbekannte in der Nacht zu Sonntag Plakate an die Scheiben der Kammerspiele geklebt haben, die auf Mordopfer von Flüchtlingen und Migranten hingewiesen hätten, berichtet die Kinochefin. Dazu der abgeänderte Hashtag #wirsindnichtmehr. Die Plakate seien von Hanel frühmorgens entfernt worden.

Kamera ab. Valeska Hanel und der junge Filmemacher Finnegan Godenschweger besprechen die Aufnahmen im Kinosaal.
Kamera ab. Valeska Hanel und der junge Filmemacher Finnegan Godenschweger besprechen die Aufnahmen im Kinosaal.

© Manfred Thomas

Rückwärtsdreh mit starker Botschaft

Kurz danach, als gegen elf Uhr am gestrigen Sonntag die Türen zum Kino öffnen, strömt unablässig eine große Menschenmenge in den Kinosaal. Jung und Alt ist da, einige Familien mit Kindern, andere haben ihre Hunde mitgebracht. In den Händen halten sie Plakate mit Sprüchen wie „Bunt statt Grauland“, „Kein Mensch ist illegal“ oder „Vielfalt statt Einfalt“. Es dauert eine Weile, bis das Gewusel sich legt und Hanel den Ablauf erklären kann.

Der Kurzfilm wird von dem jungen Filmemacher Finnegan Godenschweger, der hinter der Kamera steht, rückwärts gedreht. Zunächst sollen alle im Kinosaal gemeinsam aufstehen, winken und ihre Plakate hochhalten. Danach können die ersten gehen. Die restlichen Gäste wiederholen das Aufstehen und Winken. Bis wieder ein Teil rausgeht und so weiter. Am Ende bleiben drei Leute übrig. Der Kinozuschauer sieht später, im fertigen Trailer, wie sich die Plätze um die drei Kinozuschauer füllen. 

"Sind wir erst zu dritt, machen alle anderen mit.“

Dazu der Song „Einer ist keiner“ vom Gründer des Grips Theaters, Volker Ludwig. Hanel kennt die Kinderplatte noch aus ihrer eigenen Kindheit. Der Refrain verstärkt Hanels Botschaft: „Einer ist keiner. Zwei sind mehr als einer. Sind wir erst zu dritt, machen alle anderen mit.“

Das Lied kommt beim Publikum an, der Filmdreh auch: Die Menge im Saal ist gut gelaunt und freut sich über die Aktion. Immer wieder branden zwischendurch Applaus und Jubelrufe auf. Auch die Kleinmachnowerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) ist dabei. „Ich finde es wichtig, Gesicht zu zeigen, wenn der braune Mob wieder demonstriert und dabei unter dem Motto ,Wir sind das Volk’ marschiert.“ Jetzt sei es Zeit zu zeigen, wer das Volk sei. Die Idee der Kammerspiele findet sie toll. Vor allem, dass es sich an alle richtet, unabhängig politischer Couleur.

Unterstützt wird der Filmdreh von der Potsdamer F. C. Flick Stiftung und dem Aktionsbündnis Brandenburg. „Ich war noch nie stolzer als heute, Kleinmachnowerin zu sein“, sagt Susanne Krause-Hinrichs, Geschäftsführerin der Flick Stiftung, über die Aktion. Ihre Stiftung setzt sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz ein. Kleinmachnow selbst habe kein Problem mit Rechten, so Krause-Hinrichs. Ähnliches ist auch von anderen Anwesenden zu hören. Dennoch gebe es die Angst, dass sich in Deutschland und Europa der Rechtsextremismus ausbreite. „Wir müssen dem etwas entgegenhalten.“ Der Trailer soll voraussichtlich in der nächsten Woche fertig und auch über den YouTube-Kanal der Kammerspiele zu sehen sein.

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