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Tödliche Schüsse in Werder (Havel): Staatsanwalt hält Aussage des Schützen für unglaubwürdig

Im Prozess um die tödlichen Schüsse in Werder (Havel) liegen Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit ihren Vorstellungen von einer gerechten Strafe für den Schützen weit auseinander.

Werder (Havel) - Aus Sicht der Staatsanwaltschaft besteht kein Zweifel: Andreas E. soll seinen Nachbarn heimtückisch ermordet haben. Der 60-jährige Angeklagte soll dafür lebenslänglich ins Gefängnis. Andreas E.s Verteidiger hingegen plädierte am Montag vor dem Landgericht Potsdam auf viereinhalb Jahre Haft wegen Totschlags minderer Schwere.

Der Angeklagte hatte seinen Nachbarn (58) am 8. Februar mit einer Schrotflinte in den Bauch und ins Gesicht geschossen. Das Opfer starb noch am Tatort an seinen Verletzungen. Vorausgegangen war ein mehrere Monate dauernder Konflikt, in dem der getötete Nachbar sowohl Andreas E. als auch dessen Lebensgefährtin mit groben Schimpfwörtern beleidigt hatte, wie Zeugen bestätigten. Insbesondere soll es dabei um Andreas E.s Alkoholsucht und um die beiden Hunde seiner Lebensgefährtin gegangen sein.

Der Staatsanwalt sieht es als erwiesen an, dass Andreas E. die Tat geplant habe. Der Angeklagte selbst hatte in seiner Aussage zu Beginn des Prozesses angegeben, sich nicht an den genauen Tatablauf zu erinnern. So hatte er beschrieben, dass er sich am Tattag in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe, da seine Lebensgefährtin in eine Psychiatrie eingewiesen worden war und es zudem in der Beziehung gekriselt habe. Er habe darum mehrere Flaschen Rotwein getrunken und sich schließlich entschieden, mit seiner Schrotflinte in den Wald zu gehen. Dort habe er auf Bäume schießen und so seinen Frust abbauen wollen. Auf dem Weg sei er an der Tür seines Nachbarn vorbeigekommen, der ihm etwas zugerufen habe. Er habe Angst bekommen und die Waffe aus seiner Jacke geholt. Danach könne er sich nur noch erinnern, wie der Nachbar stöhnend nach hinten gefallen sei, so schilderte Andreas E. die Tat.

"Wenn man Angst hat, tut man das nicht"

Die Staatsanwaltschaft hält diese Version jedoch für unglaubwürdig. Der Angeklagte habe sich noch nie zuvor zum Frustabbau mit seiner Schrotflinte in den Wald begeben, es habe sich also keineswegs um ein typisches Verhalten gehandelt. E. habe bereits vor dem Verlassen des Grundstücks zwei Probeschüsse abgefeuert. „Er wollte sichergehen, dass die Waffe funktioniert“, so der Staatsanwalt. Die Aussage, E. habe Angst vor seinem Nachbarn bekommen, will er nicht gelten lassen „Der Angeklagte ist direkt auf den Geschädigten zugegangen – wenn man Angst hat, tut man das nicht.“ Andreas E. hatte in seiner Aussage eine Gewalterfahrung geschildert, der er in den 90er-Jahren ausgesetzt war: Er war damals nach einem Kneipenbesuch von mehreren Skinheads verprügelt worden. Dieses Erlebnis habe ihn tief geprägt und ihn große Angst vor der körperlichen Überlegenheit seines Nachbarn empfinden lassen.

Als wichtiges Indiz dafür, dass E. die Schüsse nicht im Affekt abfeuerte, wertet die Staatsanwaltschaft sein Verhalten nach der Tat: Er habe den schwerverletzten Nachbarn einfach zurückgelassen, dessen Zustand sei ihm offenbar völlig gleichgültig gewesen. Der Mord sei heimtückisch gewesen, da das Opfer nicht mit dem Angriff habe rechnen können und ihm vollkommen wehrlos ausgesetzt war, so die Staatsanwaltschaft. In ersten Vernehmungen auf der Polizeiwache habe Andreas E, angegeben, dass er Rache an seinem Nachbarn nehmen und seine Ehre wiederherstellen wollte.

Angetrunken und ohne Anwalt beim Verhör

E.s Verteidiger bemängelte, dass dem Angeklagten bei seiner ersten Polizeivernehmung kein Anwalt zur Seite gestellt worden sei. Der Angeklagte habe bei dem Verhör noch rund 1,5 Promille im Blut gehabt, was seine Urteilsfähigkeit eingeschränkt habe. Der Verteidiger erinnerte die Prozessteilnehmer daran, dass der Angeklagte Ende August bei der Schilderung des Skinhead-Angriffs sichtlich gegen das Aufwallen seiner Emotionen gekämpft hatte. Die Aussage, er habe aus Angst geschossen, sei durchaus glaubhaft. Der getötete Nachbar habe Andreas E. immer wieder lautstark beleidigt, zudem sei der Angeklagte zum Tatzeitpunkt emotional durch seine Beziehungskrise belastet gewesen. Es habe bei ihm eine „affektive Überreizung“ vorgelegen.

Als Richter Theodor Horstkötter dem Angeklagten zum Schluss noch einmal das Wort erteilte, sagte dieser: „Was ich gemacht habe und was geschehen ist, tut mir leid.“

Das Urteil soll am Montag, 4. November, gesprochen werden.

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