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Todestag von Christian Morgenstern: Der Galgenbruder Rabenaas

Werders Morgenstern-Museum gedenkt des Dichters zum Todestag und will eine Gesellschaft gründen.

Werder (Havel) - Einen Tag vor seinem 24. Geburtstag, es war der 5. Mai 1895: Der Dichter Christian Morgenstern besuchte gemeinsam mit sechs Freunden aus Berlin das Baumblütenfest in Werder (Havel). Wohl schon leicht betrunken vom Werderschen Wein, machten sich die Freunde auf, den Galgenberg zu besteigen, um oben in der Gaststätte einzukehren. Was genau im „Restaurant Galgenberg“ passierte, ist nicht bekannt. Aber die jungen Männer müssen sich wohl ziemlich danebenbenommen haben, denn man ließ sie hinausschmeißen. Statt sich jedoch die Laune verderben zu lassen, gründeten die Freunde, in Anlehnung an den Ort ihres Besuchs, die Gruppe „Galgenbrüder“. Rabenaas, wie sich Morgenstern unter den Brüdern nannte, dichtete eben für jenen Männerkreis seine berühmten „Galgenlieder“, die erst viele Jahre später veröffentlicht wurden.

Am heutigen Karsamstag jährt sich der Todestag des Autors, Dichters und Übersetzers zum 104. Mal. Aus diesem Anlass wird das Christian-Morgenstern-Literaturmuseum auf der Werderaner Bismarckhöhe um 15 Uhr eine kleine öffentliche Andacht mit Musik zu Ehren des Dichters abhalten. Das Museum im Aussichtsturm wurde bereits 2014, zum 100. Todestag des Dichters, eröffnet. „Es ist weltweit das einzige, das Morgenstern gewidmet ist“, sagt Jürgen Raßbach, Leiter des Museums. Und das, obwohl der Autor nur an einem einzigen Tag die Bismarckhöhe in Werder besucht hat. Das hätten neuere Recherchen ergeben, erzählt Raßbach. Auch das genaue Datum des Baumblütenfests ist erst vor kurzem recherchiert worden.

Morgenstern wurde nur 42 Jahre alt

Getragen wird das Museum vom Verein Freundeskreis Bismarckhöhe, der seit 2004 für den sanierten Aussichts- und Museumsturm verantwortlich ist. Obwohl es nur zwei Ausstellungsräume umfasst, gibt es in dem kleinen Museum viele Schätze zu entdecken. Die Vereinsmitglieder haben zahlreiche Dokumente, Zeugnisse, Briefe, und persönliche Gegenstände des Dichters zusammengetragen. Auf den Ausstellungstafeln und in den Vitrinen breitet sich dadurch anschaulich Wissen über Leben und Schaffen des Dichters aus.

Schon früh wusste Morgenstern, dass er nicht besonders alt werden würde. Wie schon seine Mutter, die starb, als Morgenstern zehn Jahre alt war, erkrankte er an Tuberkulose und verstarb mit nur 42 Jahren. Trotz seines kurzen Lebens hinterließ er ein umfangreiches Werk und schuf mit seinen „Galgenliedern“ einen der wohl bekanntesten und witzigsten deutschen Gedichtbände überhaupt. Sein Leben war geprägt von vielen Kur- und Sanatorienaufenthalten, die ihn immer wieder in die Alpen oder ans Meer führten. Eine tiefe Freundschaft verband der Dichter mit Rudolf Steiner, der ihn für seine Anthroposophische Gesellschaft gewinnen konnte.

Leere Brieftasche, verrückte Uhr

Seine Frau, Margarete von Gosebruch von Liechtenstein, die ihn trotz des Widerstands ihrer preußischen Militärfamilie 1910 heiratete, wurde nach seinem Tod zur Nachlassverwalterin und sorgte mit neuen Auflagen und Veröffentlichungen dafür, dass er nicht in Vergessenheit geriet. Morgenstern schrieb nicht nur eigene Gedichte und Texte, sondern war auch als Übersetzer tätig. Bis heute werden seine Übertragungen von Henrik Ibsen oder August Strindberg verlegt. Morgenstern hatte dafür eigens Norwegisch gelernt. Zahlreiche neuerschienene Werkausgaben mit seinen Gedichten, Briefen und Aphorismen, aber auch Hörbücher, Bilder und Skulpturen, die vom Dichter inspirierte Künstler anfertigten, zeugen von der bis heute enormen Strahlkraft Morgensterns.

Darunter finden sich einige überraschende Kuriositäten. Wie etwa die ewig leere Brieftasche des Dichters, die in einer der Vitrinen mit einem Augenzwinkern ausgestellt wird. Oder eine hölzerne Wanduhr, in der sich ein weißer und ein schwarzer Zeiger drehen. Einer mit und einer gegen den Uhrzeigersinn. „Sie hat zwei Uhrwerke und geht vorwärts und rückwärts“, erklärt Raßbach. Der ungewöhnliche Zeitmesser ist von dem Gedicht „Die Korfsche Uhr“ inspiriert. „Korf erfindet eine Uhr, die mit zwei Paar Zeigern kreist und damit nach vorn nicht nur, sondern auch nach rückwärts weist“, heißt es da. Ein unnachahmlicher Kommentar von Morgenstern zur Einsteinschen Relativitätstheorie, wie Raßbach meint. Ein Uhrenmacher, der tatsächlich den Namen Korf trägt, hat das Stück gebaut und dem Werderaner Museum geschenkt.

Christian-Morgenstern-Gesellschaft 

Dessen Mitarbeiter wollen ihre Arbeit erweitern: Am 7. April wird der Freundeskreis Bismarckhöhe in einer öffentlichen Versammlung um 11 Uhr eine Christian-Morgenstern-Gesellschaft gründen. Das hatten die Vereinsmitglieder schon länger vor, scheiterten aber bisher an fehlenden freiwilligen Kandidaten für den zu wählenden Vorstand. Drei von vier Kandidaten stünden inzwischen fest, Raßbach ist einer von ihnen. Vom Status als literarische Gesellschaft erhofft er sich mehr Aufmerksamkeit für das Museum und wissenschaftliche Impulse. „Morgenstern wird sehr viel verlegt. Doch wissenschaftliche Arbeiten zu seinem Werk fehlen bisher.“ In Zukunft will die Gesellschaft deshalb eigene Publikationen herausbringen.

Sarah Stoffers

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