zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Tierischer Einsatz

Geburtshilfe beim Geparden, Zahnstein bei Hunden und Nierenleiden beim Wellensittich: Unterwegs mit dem Tierarztmobil

Von Eva Schmid

Schwielowsee – Der Kater miaut schmerzverzerrt, die Besitzerin verzieht leidvoll das Gesicht. Bruce, so heißt das acht Jahre alte Tier, bekommt zum ersten Mal Insulin gespritzt. Er kann kaum mehr laufen, Altersdiabetes. Mit sanfter Stimme erklärt Michaela Ebeling der Katzenbesitzerin, wie es nun weitergeht: Kohlenhydrate weglassen, nicht mehr zwischendurch naschen und zweimal am Tag spritzen. Die Besitzerin nickt, langsam weicht ihr sorgenvoller Blick.

Wenn das junge Tierarzt-Ehepaar aus Geltow mit der mobilen Tierarztpraxis unterwegs ist, dann geht es nicht nur um das Tierwohl. „Wir sind auch Seelsorger“, sagt der 29 Jahre alte Gordon Ebeling. Manchmal gehe es den Besitzern so schlecht, dass er kurz davor sei, die Kollegen aus der Humanmedizin zu rufen. Auch Gordon Ebeling hat eine sanfte Stimme, findet einfache Worte, um schwierige medizinische Sachverhalte zu erklären. Er strahlt Ruhe aus und wirkt in seinem Karohemd mit Turnschuhen sympathisch. Auch seine 34 Jahre alte Frau ist das Gegenteil von einem „Halbgott in Weiß“: Auch sie hemdsärmelig, Kurzhaarschnitt und Sportschuhe mit einem kleinen Loch am Zeh. Michaela Ebeling hat das Handy immer am Ohr. Die beiden jungen Mediziner sind im Dauereinsatz – in Schwielowsee, Werder und Potsdam.

Was hat das Tier, welche Symptome zeigt es, wie alt ist es, wann sollen wir kommen? Die beiden sind bereits zum nächsten Termin unterwegs. Mit Blaulicht dürfen sie nicht fahren, das erlaubt ihnen das Gesetz nicht. Der ausrangierte und selbst umgebaute Rettungswagen macht dennoch im Verkehr Eindruck.

Die Idee zu einem Tierarztmobil kam dem Paar, das sich während des Veterinärmedizinstudiums in Berlin kennenlernte, kurz nach ihrem Studienabschluss. Schnell war beiden klar, nicht von 8 bis 18 Uhr in einer Praxis stehen zu wollen. „Und Kastrieren auf dem Küchentisch kam für uns auch nicht in Frage“, sagt Gordon Ebeling und lacht. Die beiden Mediziner, die mit ihrem fünfjährigen Sohn in Geltow leben, hatten zuvor eine Weile eine Freundin unterstützt, die große Tiere und mitunter auch Haustiere vor Ort behandelte – und notfalls auch das Skalpell auf dem Küchentisch zückte.

Der nächste Patient, der auf dem kleinen metallenen Tisch im Rettungsmobil liegt, ist ein Hund mit Durchfall. Der Besitzer machte sich große Sorgen und rief die Tierärzte zu sich. Die Behandlung ist in diesem Fall einfach: Heilerde mit Joghurt – das Problem ist schnell gelöst.

Seit einem Jahr sind die beiden mit ihrem Mobil unterwegs, es laufe gut, sagt Michaela Ebeling. Anfangs wollten sie nur Großkunden nehmen, Tierheime und Züchter. Das seien langfristige Kunden, bei denen man viele Tiere behandele und nur eine Anfahrt habe. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Kleintiere und einzelne Einsätze dazu. Die beiden arbeiten mit der Tierrettung Potsdam zusammen. Dort hat man offensichtlich gute Mund-zu-MundPropaganda gemacht – das Handy steht seither nicht mehr still.

Der Großteil der tierischen Patienten sind Katzen. „Viele scheuen die Box, in der es zum Tierarzt geht“, so Michaela Ebeling. Auch Besitzer von großen Hunden, die sich in engen Wartezimmern unwohl fühlten, rufen die Ebelings an. Und dann sind da noch die älteren Menschen, die den Weg zur nächsten Praxis nicht mehr schaffen. Und diejenigen, die ihr Tier lieber in den eigenen vier Wänden als in einer Praxis verabschieden. „Wir schließen mit dem Tierarztmobil eine Lücke“, sagt Gordon Ebeling.

Neben Katze, Hund und Wellensittich kommen auch Exoten in die fahrende Praxis. Die beiden gaben zum Beispiel einem Gepardenweibchen aus der Potsdamer Tierfilmschule Geburtshilfe. Schlangen befreiten sie in ihrem Mobil von Parasiten. „Und Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Potsdamer in ihren Wohnungen Mini-Schweine halten“, sagt Gordon Ebeling. Zwar sind Schweine keine Exoten, dennoch muss bei Hausschweinen einiges beachtet werden. Viele von ihnen werden zu gut gefüttert. „Das führt zu Herzproblemen wegen Übergewicht.“ Zudem sei das Schwein nicht leicht zu erziehen. „Im Gegensatz zum Hund, wo einmal die Hierarchie festgelegt wird, muss das beim Schwein jedes Mal aufs Neue ausgehandelt werden.“ Das klingt anstrengend – wenigstens sind die rosigen Wanste schnell stubenrein.

Auch mit weniger zutraulichen Tieren hat das Arztpaar zu tun: Verletzte Schwäne, Feldhasen, Wildkaninchen und Rehkitze werden von ihnen behandelt. Michaela Ebelings Augen glänzen, das sei das Schöne an dem Job: Man helfe denen, die sonst keine Chance hätten. Vor Kurzem haben die beiden auf ihrem 5000 Quadratmeter großen Grundstück in Geltow ein Graureiherkücken aufgepeppelt. An den heißen Sommertagen waren es Junge von Mauerseglern, denen sie halfen. Die seien aufgrund der Hitze aus ihren Nestern gesprungen. Nicht immer schaffen die beiden es, die Tiere rechtzeitig zu retten: „Freud und Leid liegt bei unserer Arbeit sehr nahe beieinander“, sagt die junge Tierärztin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false