zum Hauptinhalt
Stille und Leere. Bis Dienstag waren auf dem Hof in Glindow noch zwölf Rinder, 20 Schafe und Ziegen, 22 Schweine, diverses Geflügel, sechs Kaninchen und zwei Hunde. Das Veterinäramt des Kreises hat die Tiere wegen Vernachlässigung beschlagnahmt und weiterverkauft. Nur die Hunde durften zu ihrem Besitzer zurück.

© Andreas Klaer

Tierbestand vom Hof geholt: Stille im Stall

Das Veterinäramt räumt einem Glindower Bauern den Hof. Der klagt und kämpft um seinen Ruf - ein Ortsbesuch.

Werder (Havel) - In roten Buchstaben leuchtet noch der Reklameschriftzug „Geöffnet“ im Fenster des kleinen weißen Flachbaus. Doch die Theke hinter der Tür zum Verkaufsraum ist leer. Im Hofladen in der Glindower Poststraße riecht es zwar noch nach geräucherter Wurst, frische Fleischwaren wird es hier vorerst aber nicht mehr geben. Am Dienstag hat das Veterinäramt Bauer Grünwald wegen unhaltbarer Zustände den gesamten Tierbestand vom Hof geholt: Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen – rund 60 Tiere. Selbst die Kaninchen, seine Hobbyzucht. „Eine Frechheit“, sagt Landwirt Mario Grünwald. „Die äußeren Umstände sind vielleicht nicht schön, aber die Tiere hatten zu fressen, zu trinken, und waren entspannt“, behauptet er.

Dringendes Einschreiten nötig

Die Behörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark hatte das indes ganz anders gesehen. Der Hof habe schon länger unter Beobachtung gestanden, am vergangenen Donnerstag wurde er letztmalig kontrolliert. Die Rinder, die zuvor offenbar häufiger ausgebrochen waren, sollen abgemagert gewesen sein. Für das Amt ein Signal, dringend einschreiten zu müssen, obwohl ein entsprechendes Verfahren vor Gericht noch nicht abschließend entschieden wurde.

Bereits im vergangenen Jahr hatte das Veterinäramt dem Glindower Bauern ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen, weil die Tiere nicht tierschutzgerecht gehalten und vernachlässigt worden seien. Grünwald soll sie unter anderem zu wenig gefüttert und nicht auf ausreichend Stroh gebettet haben. Von Tierquälerei wollte die Behörde aber ausdrücklich nicht reden.

Tiere sind inzwischen verkauft

Bauer Grünwald klagte, verlor vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht und ging in Berufung. Eine abschließende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes steht noch aus. „Jetzt kann ich dem Gericht nicht einmal mehr ein Tier vorführen“, sagt Grünwald. Ohne Ankündigung habe das Amt die Rinder und Schweine auf Lastwagen geladen und abtransportiert. Inzwischen sind sie an andere Landwirte verkauft.

Dass einem Bauern vom Veterinäramt die Tiere vom Hof genommen werden, ist eine große Ausnahme in Potsdam-Mittelmark. In den vergangenen Jahren sei dies nur ein– bis zweimal vorgekommen, erklärte Landkreissprecher Kai-Uwe Schwinzert auf Anfrage. Wie im vorliegenden Fall gingen einer solchen Entscheidung ein langandauerndes Verfahren voraus. Oft würde bereits die Androhung von Auflagen genügen – im Falle des Glindower Bauern reichte das aber nicht. Das Amt hatte den Eindruck, dass er mit der Situation überfordert war.

Es ginge um seine Existenz, sagt der Glindower Bauer

Für den Bauern, so erklärt er am Donnerstag, geht es um die Existenz. Vor vierzehn Jahren hatte er seinen kleinen Tierzucht- und Ackerbaubetrieb in dem Werderaner Ortsteil eröffnet. Die Tiere lebten von der Geburt bis zur Schlachtung auf dem Hof und wurden weitestgehend durch eigenen Anbau auf rund 20 Hektar Acker- und Wiesenflächen versorgt.

„Vor etwa zwei, drei Jahren begann der Ärger mit dem Amt“, erzählt er. Als Hintergrund führt er einen privaten Zwist mit der Behörde an, auf den er öffentlich nicht näher eingehen will. Der Landwirt fühlt sich nach eigenen Angaben schikaniert.

Ein offenes Geheimnis?

Eltern der benachbarten Kita Spatzenhaus hatten daran offenbar Zweifel. Immer wieder hätten sie sich beim Glindower Ortsbeirat über Geruchsbelästigungen beschwert, auch sollen die Tiere im Dreck und Schlamm gestanden haben. Doch öffentlich wollen das weder Kita-Leitung noch Träger bestätigen. „Wir halten uns da raus“, sagte Betriebsleiter Kevin Kühne. Und auch der Glindower Ortsvorstand Sigmar Wilhelm winkt ab. Es habe viele Diskussionen um den Betrieb im Ortsbeirat gegeben. Ein offenes Geheimnis ist es inzwischen, dass Glindow am Spatzenhaus noch eine weitere Kita plant. Dass sich die Zustände verbessern und der Streit ein Ende hat, dürfte im Interesse vieler sein.

Mario Grünwald räumt ein, dass auf seinem Hof nicht alles zum Besten bestellt ist. Tatsächlich wirkt der Mann überfordert, der Hof unaufgeräumt und schmuddelig. Im Stall für die Ziegen und Hühner lösen sich die Bretter, die Arbeitsgeräte für den Ackerbau, die am Rand der Gehege stehen, sind teils rostig, weil alt. „Er ist kein Großbauer, der sich alles neu kaufen kann“, wirbt seine Lebensgefährtin für Verständnis.

Nebenbei auf dem Lkw

Um sein Einkommen zu sichern, muss Grünwald noch nebenbei arbeiten gehen, fährt für einen Garten- und Landwirtschaftsbetrieb Lkw, erzählt er. Die Auflagen, die er vom Veterinäramt bekommen habe, hätte er inzwischen fast alle umgesetzt. So gebe es für die Rinder einen Windfang und einen Witterungsschutz, auch eine frostsichere Tränke sei installiert. Der neue Stall, den er für das Geflügel und die Schweine plante, sei jedoch noch im Bau. Schon kurz nach Eröffnung des Betriebes habe er ihn bauen wollen, die Genehmigung lag vor, sagt Grünwald. Doch dann sei seine Scheidung dazwischengekommen. Er habe für drei Kinder sorgen und den Kredit des Hauses abzahlen müssen, sagt Grünwald. Für den Stall blieben da zunächst weder Zeit noch Geld, die Frist für die Baugenehmigung lief ab. Vor zwei Jahren hätte er eine neue beantragt, sagt der Glindower. Bewilligt sei sie noch nicht.

Trotz allem will Bauer Grünwald weiter kämpfen und klagen. Auch neue Rinder und Schweine werde er sich kaufen, sagt er. „Ich fange wieder klein an“, so der Landwirt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false