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Zeitzeuginnen. Das Stück „Warten auf den Frühling“ hat Karoline Hugler auf Grundlage der Tagebücher zweier 14-jähriger jüdischer Mädchen geschrieben, die in den 1940er Jahren in polnischen Ghettos lebten. Die Tagebücher waren erst nach über 50 Jahren entdeckt worden.

© Comédie Soleil

Theater in Werder: Mehr als nur Komödien

Karoline Hugler und Julian Tyrasa bringen seit fünf Jahren Politisches auf die Bühne der Comédie Soleil.

Werder (Havel) - Eine weiße Leinwand ist derzeit alles, was die Bühne der Comédie Soleil ziert. „Das ist ein eher seltenes Bild“, sagt Karoline Hugler, die gemeinsam mit Partner Julia Tyrasa die künstlerische Leitung der Comédie Soleil innehat: In wenigen Tagen werden wieder Tagebuchseiten der jüdischen Mädchen Rutka Laskier und Rywka Lipszyc für das Stück „Warten auf den Frühling“ über die Bühne wirbeln und ab dem 17. März wird in „1984“ George Orwells „Big Brother“ das Publikum das Fürchten vor dem digitalen Überwachungsstaat lehren. Auch wenn die Aufführungen nur Samstag und Sonntag stattfinden, bleibt das Bühnenbild meist über den gesamten Aufführungszeitraum stehen.

Mit der Premiere des Stücks „Kleine Engel“ gaben Hugler und Tyrasa am 15. Februar 2013 ihr Debüt als Künstlerische Leiter – also vor ziemlich genau fünf Jahren. Zuvor hatten sie bereits an mehreren Bühnenproduktionen in der Comédie Soleil mitgewirkt und kannten das Haus somit inzwischen gut. Als Gründer Michael Klemm nach fast zehn Jahren aufhören wollte, entschieden sich die freie Schauspielerin und der freie Regisseur und Autor, das Zepter zu übernehmen.

Seit 2009 an der Eisenbahnstraße

Klemm hatte die Comédie Soleil 2004 in Potsdam gegründet. Zwei Jahre später musste das Theater sein Stammhaus verlassen und führte seine Inszenierungen zunächst an wechselnden Standorten auf. Schließlich bekam Klemm von einem Stammzuschauer den Tipp, ins leerstehende Trend-Kaufhaus in Werder zu ziehen. Seit 2009 ist die Comédie Soleil nun bereits in der zentral gelegenen Eisenbahnstraße ansässig.

Nerv der Zeit getroffen

Während Klemm Klassiker von Shakespeare und Molière bevorzugte und den Spielplan nur hin und wieder mit neueren Stücken würzte, stehen in den meisten Inszenierungen von Hugler und Tyrasa aktuelle gesellschaftspolitische Themen im Vordergrund. So adaptierte Julian Tyrasa den mehrfach ausgezeichneten finnischen Film „Le Havre“ über einen Flüchtlingsjungen für die Werderaner Bühne und inszenierte das Musical „Ein-Euro-Oper“, in dem es um das Hartz-IV-System geht. Das Stück „Sacco & Vanzetti“, das Karoline Hugler inszenierte und in dem sie auch selbst mitspielt, erhielt durch den Premieren-Zeitpunkt aktuelle Relevanz: Es geht um zwei italienische Immigranten in den USA, die in den 1920er Jahren unrechtmäßig zum Tode verurteilt werden. „Als wir das Stück zum ersten Mal spielten, war gerade Trump gewählt worden“, sagt Hugler. „Da passte das verrückterweise genau in die Zeit.“

Oft Besuch aus Potsdam

Auch wenn sie selbst gern ernstere Stücke inszenieren, bieten die beiden künstlerischen Leiter auch dem komödienaffinen Teil des Publikums gern neuen Lach-Stoff. „Mit Komödien ist das Haus leichter vollzubekommen“, gibt Tyrasa zu. „Dafür bekommen wir bei den ernsteren Stücken anschließend mehr positive Rückmeldungen aus dem Publikum.“ Gerade die Stücke, die nicht in erster Linie auf Unterhaltung setzten, zögen auch oft Besucher aus Potsdam an, so Tyrasa. Ein weiterer Grund, auch die ernsteren Themen weiter auf den Spielplan zu setzen, ist, dass sie häufiger gefördert werden.

Das Theater wird von der Stadt Werder mit jährlich 30.000 Euro bezuschusst. Seit 2014 unterstützt zudem die Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“ (SPI). Die Stiftung trägt nicht finanziell zum Theaterbetrieb bei, hilft aber mit ihrer professionellen Finanzabteilung beim Einreichen von Förderanträgen an das Land Brandenburg.

Auf Fördergelder angewiesen

Das Land förderte unter anderem die Stücke „Räuber Hotzenplotz“, die „Ein-Euro-Oper“ und die neue Produktion 1984. Zusätzlich erhält das Theater Geld vom Förderverein Theaterfreunde Comédie Soleil. Wie bei den meisten freien Theatern kommt durch Eintrittsgelder nur ein Bruchteil der Gesamtkosten zusammen: Im Jahr 2017 finanzierte sich der Theaterbetrieb zu 70 Prozent aus Fördergeldern, zu 25 Prozent aus Eintrittsgeldern und zu 5 Prozent aus Sponsorengeldern, so Hugler.

„Auch wenn in diesem Bereich kaum jemand viel verdient, sind alle mit sehr viel Engagement und Leidenschaft dabei“, sagt die Künstlerische Leiterin. Ein festes Ensemble habe die Comédie Soleil nicht, arbeite aber in der Regel über Jahre mit denselben freien Schauspielern zusammen. Für sie und Tyrasa ist die Leitung der Comédie Soleil ein Traumberuf: „Wir haben alle künstlerische Freiheit, die wir uns wünschen können und kriegen vom Publikum gezeigt, dass es unsere Ideen zu schätzen weiß.“ Das Theater habe viele Stammgäste, die den gemütlichen, unprätentiösen Charakter des Hauses mögen. Wenn da das Bühnenbild über Wochen stehenbleibe, weil es nun mal keinen festen Bühnenbildner gibt, dann störe das niemanden.

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