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Millionengrab. Trotz jahrelanger Bauarbeiten ist von Teltows Marina noch nicht allzu viel zu erkennen. Allerdings haben sich die Baukosten mittlerweile auf 15 Millionen Euro verdreifacht. Die Schuld an der Misere verteilt sich auf die Schultern aller Beteiligter, sagt ein Gutachter.

© Sebastian Gabsch

Teltower Hafen: Keine Kompetenz, fehlende Kontrolle

Ein 50-seitiges geheimes Gutachten macht deutlich, was beim Teltower Hafenprojekt bisher alles schiefgelaufen ist.

Von Eva Schmid

Teltow - Gutachter Rainer Enßlin, der im Auftrag der Stadt Teltow überprüfte, warum sich die Kosten auf Teltows größter Baustelle von ursprünglich fünf auf mittlerweile 15 Millionen Euro verdreifacht haben, findet in seinem jetzt vorgelegten Bericht klare Worte. Teile des Berichts, der bisher von der Stadtverwaltung mit Verweis auf die neue EU-Datenschutzverordnung unter Verschluss gehalten wird, liegen den PNN nun vor.

So bescheinigt Enßlin der Stadt, den beauftragten Ingenieurbüros, einigen Planern und vor allem auch manchen am Projekt beteiligten Gutachtern, zum Teil eklatante Fehler gemacht zu haben. Der erste: Die Altlasten wurden zu spät erkannt. Hätte die Stadt noch vor Grundstückskauf eine Vorerkundung durchführen lassen, so hätten die tatsächlichen Kosten lange vor Baubeginn ermittelt werden können.

Es gab Hinweise auf die Altlasten

Schon vor dem Kauf hätten Gutachten vorgelegen, in denen es Hinweise auf die Kostentreiber, die schwierige Altlastensituation auf dem ehemaligen Betonwerksgelände, gegeben habe. Selbst der Unteren Bodenschutzbehörde des Kreises, die sich unter anderem mit Bodenaltlasten befasst, hätten diese Hinweise bekannt sein müssen. Da aber die Stadt offenbar die Hinweise übersehen oder nicht beachtet hat und auch direkt nach dem Kauf kein Fachpersonal hinzugezogen hat, blieb das, worüber Teltow gestrauchelt ist, zunächst unentdeckt.

Der zweite Fehler: Die Stadt setzte auf die falschen Berater. Einem der von Teltow eingesetzten Gutachter bescheinigt Enßlin mangelnde Fachkenntnisse, aufgrund derer es unter anderem zu einem rund achtmonatigen Baustillstand gekommen ist. Die Stadt indes zog erst sehr spät die Reißleine und verabschiedete sich von einem ihrer Berater, und zwar im Mai 2014. Da lief das Projekt bereits knapp anderthalb Jahre.

Mangelndes Fachverständnis der Gutachter

Die Konsequenz aus der späten Trennung: Die Stadt geriet in Zeitnot, beschreibt der Gutachter. Sie musste noch 2014 mit dem Bau, zumindest dem Spatenstich beginnen, um die Fördergelder der Landesinvestitionsbank ILB in Höhe von rund einer Million Euro zu bekommen. Der geschasste Gutachter ging im Mai 2014, bis dahin gab es noch keine Baugenehmigung, kein solides Entsorgungskonzept, geschweige denn eine Idee, wie die Altlasten saniert werden sollten.

Enßlin erwähnt am Rande, dass auch sein Büro seinerzeit zur Abgabe eines Angebots für das Hafenprojekt von dem für Teltow arbeitenden Stadtplanungsbüro, das zuvor noch nie mit Hafenbau zu tun hatte, aufgefordert wurde. Ihn machte es stutzig, dass er ein Angebot abgeben sollte, ohne weitere Qualifikationen nachweisen zu müssen. Enßlin sagt es zwar nicht, lässt aber die Deutung zu, dass auch bereits bei der Suche nach einem Gutachter, der die Altlastensituation auf dem Areal hätte einschätzen sollen, bereits einiges schiefgelaufen sein muss. Auch hier mangelte es an Fachverständnis.

Stadt sei nicht in der Lage gewesen, Gutachten und Hinweise richtig zuzuordnen

Die fehlende Kontrolle der komplizierten Materie durch fachfremde Personen in der Projektsteuerung hat viel dazu beigetragen, dass die Situation letzten Endes so aus dem Ruder gelaufen ist. Immer wieder schreibt Enßlin davon, dass die Stadt mehrmals im Zeitverlauf nicht in der Lage gewesen sei, Gutachten, Berichte und Hinweise richtig zuzuordnen. Dass trotz der Inkompetenz eines Gutachters und trotz des Schiffbruches, den man bereits erlitten hat, die Erkenntnisse nicht ausreichend überprüft worden seien.

Auch ihm stelle sich die Frage, so der Gutachter, wie es dazu kommen konnte, dass keiner der Projektbeteiligten auf die Fehler der ausführenden Gewerke aufmerksam wurde. Das Hafenprojekt ist bekanntlich an höchster Stelle aufgehängt, und zwar bei Teltows 1. Beigeordneten Beate Rietz, deren Widerwahl am Mittwochabend in der Teltower Stadtverordnetenversammlung anstand. Ihre Wahl wurde vor dem Hintergrund des Gutachtens verschoben. Enßlin spricht von mangelnden Kontrollmöglichkeiten der Gutachter seitens der Stadt und von grob fehlerhaften Ausführungsplanungen.

Alle tragen Mitschuld

Erschwerend kam hinzu, dass das Ingenieurbüro, das 2014 einstieg, in kürzester Zeit Ergebnisse liefern musste. Unklar bleibt, warum es keine Alternativen zum kompletten Aushub des kontaminierten Bodens gegeben hat, da kam auch der Gutachter nicht weiter. So hat die Stadt durch ihre Berater auf die vermutlich teuerste Variante gesetzt, was einen großen Teil der Kostenexplosion erklärt. Enßlin mutmaßt, dass die Kosten für den Hafen auch trotz der vielen bisher entstandenen Fehler im Nachhinein nicht günstiger geworden wären. In seinem Bericht schreibt der Gutachter damit allen eine gewisse Mitschuld zu.

Das am Montag im nicht öffentlichen Teil des Hafenausschusses vorgelegte Gutachten hat zu unterschiedlichen Reaktionen in der Teltower Stadtpolitik geführt. So zeige der Bericht laut CDU-Fraktionschef Ronny Beretzki, dessen Fraktion die Aufarbeitung vor mehr als einem Jahr per Antrag einforderte, dass die Stadt, insbesondere die für den Hafen verantwortliche 1. Beigeordnete sich keine größeren Fehler habe zuschulden kommen lassen. Dennoch löste die Ankündigung, das Dokument unter Verschluss zu halten, Ärger bei den Christdemokraten aus. Man wolle nun mithilfe der Kommunalaufsicht wie auch der Datenschutzbeauftragten des Landes prüfen lassen, ob die rechtliche Auslegung, wie der Anwalt der Stadt sie am Montag vorbrachte, die einzige Lesart sei. Auch die Hafenkritiker in der Stadtpolitik sind unzufrieden. Sie klagen, dass ihnen ein Maulkorb verpasst werde, da die Weitergabe oder das Veröffentlichen der Informationen aus dem Gutachten unter hohe Strafe gestellt werde.

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