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Potsdam-Mittelmark: Teltower Gemeinschaftswerke Diskussion über 750-jährige Stadtgeschichte

und die Identität der Ackerbürgerstadt

Teltow - Die Frage nach der Identität der Teltower kam ganz am Schluss der Veranstaltung, die sich am Sonntagabend der Stadtgeschichte widmete. Anlass war das 750. Stadtjubiläum. 25 Ackerbürger sollen es gewesen sein, die um 1800 mit ihren Familien in der Stadt ansässig waren, berichtetete Peter Jaeckel, Vorsitzender des Heimatvereins. Dass sie sich neben der Landwirtschaft auch als Handwerker ihr Brot verdienten, spricht für die Flexibilität der alten Teltower, die Selbstversorger waren. Angesichts der Katastrophen, Kriege und Brände, die die Stadt heimsuchten, ist vor allem der Teltower Gemeinsinn zu bewundern, die Kraft, Zerstörtes immer wieder aufzubauen.

Beispiele sind vor allem Rathaus und Kirche, die noch heute in der Altstadt beieinander stehen. Auch die katholische Kirche, 1957 eingeweiht, ist so ein Gemeinschaftswerk, unter schwierigen Bedingungen erbaut, wie der CDU-Stadtverordnete Ronny Bereczki schilderte. Heute finden sich in der Stadt unterschiedlichste Zeitzeichen, angefangen vom Teltowkanal, der die Industrialisierung voranbrachte, bis zur S-Bahn-Anbindung, deren Geschichte noch nicht ganz zu Ende erzählt ist.

Auch die Märkte in der Oderstraße gehören dazu, obwohl die das städtische Antlitz mehr verschandeln würden, wie mancher meint. Hier zeigt sich der Pragmatismus der Teltower: „Wir hatten nach 1989 plötzlich 9000 Arbeitslose“, gab Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) zu bedenken, „da mussten wir innerhalb kürzester Zeit eine Auffangsituation schaffen.“ Schmidt, seit 25 Jahren in der Stadtpolitik aktiv, räumte Irrtümer ein. So war er auch vom Neubau des Rathauses, vor allem der Kosten wegen, anfangs wenig angetan. „Auch ich gehörte zu den Kritikern, die an dem Projekt zweifelten.“

Wie turbulent damals in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert wurde, hat der Schriftsteller und langjährige Stadtblatt-Schreiber Manfred Pieske festgehalten, der zur Freude des Publikums die Anekdote zum Besten gab: „Ein Hoch auf eine Handvoll Verräter“. Eine hauchdünne Mehrheit hatte 2008 dem Rathausneubau zugestimmt – in geheimer Abstimmung. Pieske hatte das positive Votum vorausgesehen und sogar Wetten darauf abgeschlossen. Er erinnert sich, dass die Stimmung so gereizt war, „als würde der Untergang des Abendlandes bevorstehen“. Das Zünglein an der Waage waren ein paar „Verräter“, über die noch heute gerätselt wird. Pieske indes labte sich noch in der Sitzung an zwei Eisbechern, die Wettschuld der Skeptiker.

Angesprochen auf die aktuelle Diskussion um das Hafenprojekt meinte er: „Heute läuft das alles viel harmloser ab.“ Aber der Grabesruhe, die noch immer über dem Marktplatz liege, müsse endlich mehr Dampf verpasst werden, so Pieske. Bürgermeister Schmidt ist überzeugt, dass das mit dem Hafenprojekt gelingt, und versicherte: „Die Stadt wird sich deswegen nicht ins Unglück stürzen.“

Der Stubenrauchsaal im Neuen Rathaus war rappelvoll und von manchem der fünf Vortragenden hätte man gern weitere Anekdoten gehört. Identität, das wurde an diesem Abend deutlich, hat auch mit Erleben und Gestalten zu tun, auch weil ein Stadtraum ein Raum für das Leben sein sollte. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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