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Teltow: Kunst und Selbstbewusstsein

Das Kunstprojekt Lebenswege stellt in der AOK Teltow aus. Es zeigt Arbeiten von Frauen mit und ohne Fluchthintergrund.

Teltow - Wir kommen in Frieden. Das bedeuten die offenen Hände im Bilderfließ, das seit Montag die Vorhalle der AOK in Teltow schmückt. Helma Hörath, Leiterin des Kunstprojektes Lebenswege an der Mädchenzukunftswerkstatt (MZW) in Teltow, erklärte bei der Eröffnung die Zusammenstellung der Ausstellung. Die Künstlerinnen haben alle eines gemeinsam: Ihr Lebensmittelpunkt ist die Region Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf. Weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Herkunft, Alter und Perspektive, drücken die Arbeiten aus. Da werden die Lebenslinien der Hände auf Papier weitergesponnen, in den Lebensbüchern die eigene Geschichte aufgearbeitet und im Ausstellungsteil „Als ich ein kleines Mädchen war“, eben die Jugendzeit künstlerisch dargestellt.

Die Collage von Zeynab etwa zeigt ein Bild von ihr als Fünfjähriger, Schafe aus ihrer Lieblingsanimationsserie in der afghanischen Heimat, ein Himmel-und- Hölle-Spiel. Erinnerungen an eine glückliche Kindheit. Auch ihr Hund ist auf ihrem Werk zu sehen. Bei ihrer Flucht in den Iran musste die Familie ihn zurücklassen. Ein Hinweis auf den Abschied von Kindheit und Heimat, den Anfang einer langen Reise, die sie und ihre drei Schwestern zusammen mit ihren Eltern vor zwei Jahren nach Deutschland brachte.

Malen, zeichnen, basteln und marmorieren mit Unterstützung der Landesregierung

Die 16-jährige Zeynab wohnt mit ihrer Familie in Teltow und geht auf das Potsdamer Schiller-Gymnasium. Zur Mädchenzukunftswerkstatt fand sie durch eine Betreuerin. Bereits im vergangenen Jahr nahm sie mit ihren Schwestern am Kunstprojekt unter Anleitung der Künstlergruppe Blutorangen teil. Damals fertigte die Gruppe einen künstlerischen Flickenteppich an. Dieses Jahr folgen jetzt die „Lebenswege“.

Von März bis Dezember arbeiteten Mädchen und Frauen aus Deutschland, Tschetschenien, Syrien, Afghanistan, Georgien und Korea jeden Samstag an der Ausstellung. Malten, zeichneten, bastelten und marmorierten. Unterstützt wird das Projekt bereits im zweiten Jahr von Brandenburgs Landesregierung.

Zur Eröffnung kam auch Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski (Linke), die gleichzeitig Vizepräsidentin des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg ist, Träger der Mädchenzukunftswerkstatt. Trochowski sagte, Kunstprojekte machten es leichter, Erlebtes zu verarbeiten – gerade für Menschen, die aus der Heimat geflohen sind. Die MZW sei seit mehr als 20 Jahren Anlaufstelle für Mädchen, die sich in diversen Projekten selbst finden und Selbstbewusstsein bilden könnten. Die Kunstprojekte könnten „ein Tor aufstoßen für ein selbstbestimmtes Leben“.

Schwierige Wohnungssuche mit der Familie

Das hoffen auch Zeynab und ihre Schwestern. Obwohl sie bereits seit mehr als einem Jahr in Teltow lebt und anerkannt asylberechtigt ist, wohnt die Familien noch in einer Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises. Seit einem halben Jahr suchen sie nach einer Wohnung. Nicht leicht für eine so große Familie.

Michael Kuschel, Geschäftsführer der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft WGT, erklärte auf PNN-Anfrage: „Das Problem ist die Anzahl der Wohnungen.“ 2017 seien deutlich weniger Wohnungen frei geworden als noch das Jahr zuvor. Auf der anderen Seite steige die Nachfrage nach Wohnungen in Teltow. Zwar hat die WGT eine Kooperation mit der Awo, um anerkannten und geduldeten Flüchtlingen Wohnungen zu beschaffen, doch: „Wir haben lange Wartelisten.“ Auf denen nicht nur Flüchtlingsfamilien stehen. Man müsse je nach Art der Wohnung die jeweiligen Interessen abwägen, sagt Kuschel. Im vergangenen Jahr habe man für etwa 40 Flüchtlinge Wohnungen vermittelt – 20 in Teltow und 20 in Stahnsdorf.

Doch die Zahl derer, die trotz rechtlicher Möglichkeit auszuziehen in den Unterkünften verbleiben ist mit 456 etwa gleich geblieben

Beim Landkreis Potsdam-Mittelmark kennt man das Problem. Zwar ist die Gesamtzahl der Bewohner in den Gemeinschaftsunterkünften im vergangenen Jahr um gut 14 Prozent auf 1346 zurückgegangen. Im vergangenen Monat wurden nur acht neue Asylbewerber aufgenommen. Doch die Zahl derer, die trotz rechtlicher Möglichkeit auszuziehen in den Unterkünften verbleiben, mit 456 etwa gleich geblieben. Laut Kreissprecherin Andrea Metzler liegt das auch daran, dass die Bewohner gerne dorthin wollen, wo wenig Wohnraum frei ist. „Viele wollen nicht in die Dörfer, sie wollen in die Zentren.“

"Auf das Mitmachen kommt es an"

Wohin die Lebenswege der insgesamt 15 Künstlerinnen führen, ist also noch offen. Für die 15-jährige Angelina aus Teltow stehen zum Beispiel Dinge wie der Führerschein und das Abitur an den verlängerten Lebenslinien der Hand. Die Schülerin des Kant-Gymnasiums geht regelmäßig in die Mädchenzukunftswerkstatt. Sie findet es schön, dass es einen Rückzugsraum gibt, in dem man „offen reden“ könne. Als das Projekt anfing, hatte sie eigentlich keine Lust, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Inzwischen findet sie es gut, sich Gedanken dazu gemacht zu haben. Der Austausch mit den anderen Frauen und Mädchen, „mit und ohne Fluchthintergrund“, wie MZW-Leiterin Sonja Roque sagt, hat Angelina gefallen. Ein Austausch mit künstlerischen Mitteln. Das Ergebnis ist noch bis Ende Januar im Foyer der AOK Nordost in Teltow zu sehen.

Niederlassungsleiter Matthias Kremser verlieh am Montag seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Ausstellung in den Räumen der AOK gezeigt wird. „Was in den vergangenen Monaten in der Mädchenzukunftswerkstatt entstanden ist, zeigt uns, wie gut Integration im Alltag funktionieren kann“, sagte er. Auch Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD), der ebenfalls zur Eröffnung gekommen war, lobte das Projekt: „Darauf kommt es an, auf das Mitmachen.“

Martin Anton

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