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Fast vier Jahre Streik. Durch die 1336 Tage Arbeitsniederlegung kam der Tee zu seinem Namen. In Zukunft soll man ihn etwa in der Teltower Tourist-Info kaufen können.

© A. Klaer

Teltow: Französischer Rebellen-Tee für Teltow

Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt will den 1336-Tee von einer französischen Genossenschaft hier bekannt machen.

Teltow - 1336 – diese Zahl kennen im Nachbarland Frankreich nicht nur Teefreunde. Denn die Nummernfolge symbolisiert neben Gaumenfreuden auch einen der längsten Streiks: 1336 Tage. So lange hielt die Belegschaft der Teefirma Fralib im südfranzösischen Gémenos ihre Fabrik besetzt, nachdem deren Besitzer angekündigt hatte, aus Kostengründen die Produktion nach Polen zu verlagern. Seit einem Jahr ist Fralib eine Genossenschaft und die Packungen mit der Zahl 1336 stehen in den Regalen vieler französischer Supermärkte neben den Produkten der einstigen Firma. Es ist eine Geschichte, die wie nach einer Neuauflage des Kampfes von David gegen Goliath klingt, in Frankreich für Aufsehen sorgte und den Tee-Rebellen viele Sympathien einbrachte. Als Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) kürzlich bei einem Besuch in der Partnerstadt Gonfreville davon hörte, versprach er, die Coopérative Francaise zu unterstützen.

Kurz zuvor hatte er Pierre Leberquier getroffen, der auf dem Markt an einem Stand die Packungen mit der Aufschrift 1336 anbot. Der 83-Jährige ist der Vater des heutigen Chefs der Genossenschaft und auf der Facebookseite von Gonfreville ist ein Foto zu sehen, auf dem Leberquier an seinem Stand hinter einem Stapel Teepackungen steht. Darunter viele Likes und aufmunternde Kommentare für den alten Gewerkschafter mit dem roten Schal, den die meisten in seiner Heimatstadt Pierrot nennen und dem vor allem die Gespräche mit den Kunden wichtig sind. Auch Gonfrevilles Bürgermeister Jean Paul Lecoq unterstützt die Fralibs und lässt regelmäßig Tee aus Gémenos ordern, um ihn Besuchern zu servieren. Denn nicht nur die Streikgeschichte ist bei vielen Franzosen populär, sondern auch das Produkt selbst überzeugt.

Wurden die Teebeutel der Marke Eléfant zuvor noch mit künstlichen Aromen angereichert, setzen die neuen Eigentümer ausschließlich auf natürliche Aromen, wie Süßholz und Zitronenstrauch. Auch eine faire Kooperation mit Zulieferern gehört zu dem alternativen Projekt. Unterstützt wurden die Tee-Rebellen von den Kommunen im Umland, der Metropolregion Marseille, die das Werksgelände aufkaufte und es der Genossenschaft für einen symbolischen Euro zur Nutzung übergab. Doch das war erst möglich, nachdem die Firmeneigentümer eine Niederlage vor dem Gericht in Nanterre bei Paris einstecken mussten und der öffentliche Druck so groß wurde, dass zunehmend ihr Firmenimage beschädigt wurde.

Erst kamen Anwälte, dann Schläger mit Rohrstöcken

Die Eigentümer waren nun zu Verhandlungen bereit und boten sogar 20 Millionen Euro für den Neustart als Genossenschaft, allerdings ohne die Marke Eléfant. Dabei sah es zu Streikbeginn nicht danach aus. Schon zuvor war die Produktion gedrosselt worden, gab es Entlassungen und immer wieder Sozialpläne. Dann kamen Anwälte und später Schläger mit Rohrstöcken. Doch die Fralibs, ihre Familien und Freunde bewachten die Fabrik Tag und Nacht, um so zu verhindern, dass Maschinen abgebaut wurden.

Nach dem Regierungswechsel erhielten die Tee-Rebellen dann sogar Unterstützung von Präsident Hollande, der auch zur Wiederaufnahme der Produktion am 4. Juni 2015 genau um 13.36 Uhr auf den Startknopf drückte. Der Präsident empfing die Genossenschaftler sogar im Elysée-Palast, wo Staatsgästen seither „1336“-Tees serviert werden.

In Deutschland ist der Tee noch nicht zu haben, aber Bürgermeister Schmidt hat Ideen für eine „Deutschland-Premiere 1336“ entwickelt. Neben Gesprächen mit einer Supermarktkette, die bereits Interesse signalisierte, kann Schmidt sich auch vorstellen, in Teltows Tourist-Information demnächst den Rebellen-Tee anzubieten. Um auf den Geschmack zu kommen, hatte Pierre Leberquier ihm kürzlich auf einem Empfang beim Teltower Stadtfest, zu dem regelmäßig auch Vertreter der Partnerstädte eingeladen sind, Packungen verschiedener Teesorten zum Probieren überreicht. 

Kirsten Graulich

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