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Teltow: Forschen am Pflaster von morgen

Der Forschungsstandort des Helmholtz-Zentrums im Teltower Ortsteil Seehof soll weiter wachsen. Weitere 10 Millionen Euro werden am Standort in Teltow-Seehof investiert.

Teltow - Es scheppert und das Geschrei ist groß. Tränen kullern aus kleinen Augen, Bluttropfen rinnen den Ellbogen hinab. Der erste Fahrradfahrversuch des Nachwuchses ging mal wieder daneben. Was vielen Eltern in solchen Situationen fehlt ist ein Pflaster, das hält was es verspricht: Einmal drauf und alles wird gut – ein Verband, der die Blutung stoppt, den Schmerz stillt und die Haut narbenfrei verheilen lässt. Noch ist es ein Zukunftstraum, in Teltow wird daran in bald noch größeren Laboren geforscht.

Der Forschungsstandort des Helmholtz-Zentrums Geesthacht im Teltower Ortsteil Seehof soll weiter wachsen. Für rund 10,1 Millionen Euro soll an der Kantstraße ein drittes biomedizinisches Technikum entstehen. Der geplante zweigeschossige Bau soll Platz für 84 neue Mitarbeiter bieten. Damit wird sich die Zahl der Wissenschaftler vor Ort auf knapp 230 erhöhen. Das sagt Marc Behl, stellvertretender Leiter der Teltower Einrichtung, im Gespräch mit den PNN. Finanziert wird das Projekt auch mit Fördermitteln des Landes.

Baubeginn ist am 13. Juni, in zwei Jahren soll das Gebäude bezogen werden. Chemiker, Biologen, Mediziner, Pharmazeuten und Ingenieure aus Deutschland und aller Welt sollen in den neuen Laboren Biomaterialien für den Bereich der regenerativen Medizin weiterentwickeln. Gemeint sind Kunststoffe, die sich zum Beispiel wie eine zweite Haut über Wunden legen und die Heilung beschleunigen – ein Pflaster der Zukunft.

Geforscht wird in Teltow aber auch an Kunststofffäden. Sie sollen bei Operationen im Körper zum Einsatz kommen. Auf der Basis von Milch- und Glycolsäure lösen sich die Fäden nach 150 bis 240 Tagen im Körper auf. Schon bei der Operation sollen sie sich zudem selbstständig verknoten, ein sogenannter Formgedächtniseffekt.

„Wir entwickeln und forschen hier an den Grundlagen“, erklärt Chemiker Behl. Ehe die neuen Pflaster und Fäden aber tatsächlich in der Medizin zum Einsatz kommen, können bis zu 15 Jahre vergehen. Zumal die Forscher des Helmholtz-Zentrums immer auf die Hilfe von Partnern aus Industrie und Kliniken angewiesen sind. Sie sollen die Produkte letztlich produzieren und anwenden. Mit dem geplanten millionenteuren Anbau soll es gelingen, die Partner frühzeitig ins Boot zu holen, erklärt Behl.

Das Helmholtz-Zentrum setzt auf kurze Wege und Arbeitsteilung. Die neuen chemischen Apparaturen und Labore sollen demnach auch von den Forschern der Partner genutzt werden können. Dazu zählen unter anderem die Freie Universität Berlin und künftig die Bundesanstalt für Materialforschung. Doch schon jetzt sei klar, dass auch die neuen Arbeitsflächen nicht reichen, sagt Behl. Wie viele andere Teltower Forscher setzt auch der 38-Jährige auf ein weiteres geplantes Bauprojekt, das der Landkreis und das Land am Standort finanzieren wollen: Ein Kompetenz- und Innovationszentrum für kleine und mittelständische Forschungsunternehmen.

Es wäre eine Investition, die sich lohnt, sagt Behl. „Die Materialien die wir hier entwickeln, sind oft auch für andere Anwendungsbereiche gut.“ So eigne sich Kunststoff aus der Medizin auch, um Lebensmittel zu konservieren. Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft müssen zudem in der Medizin immer neue Therapien entwickelt werden. Sie sollen besser wirken und gleichzeitig Geld sparen.

So werden in dem bald 100 Jahre alten Forschungsstandort in Teltow bereits hochmoderne Gefäßstützen oder Knochenimplantate entwickelt. Letztere sollen zum Einsatz kommen, wenn Knochen nach einem Unfall von alleine nicht mehr zusammenwachsen, weil einzelne Teile mehr als einen Zentimeter weit auseinandergebrochen sind oder ein Stück fehlt. „Dafür sind heute oft noch langwierige und schmerzhafte Behandlungen nötig“, sagt Behl. Mit Gewalt werden die Knochenteile wieder aneinander geschoben oder mit menschlichen Ersatzteilen aus dem Beckenkamm geflickt.

In Zukunft könnten moderne Kunststoffe aus Teltower Forschung die Lücke füllen. Die Implantate könnten den Knochen heilen und sich anschließend auflösen. Erste Versuche an Ratten seien bereits geglückt – und auch das narbenfreie Pflaster wird es irgendwann für alle Fahrradfahranfänger geben, ist Behl überzeugt.

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