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Teltow: Bitte nicht stören!

Wie Jugendliche in der Region Teltow um einen Ort für ausgelassene Feiern ringen

Von Eva Schmid

Region Teltow - Laut dröhnen die Bässe, bis zu 500 Jugendliche stampfen rhythmisch auf den sandigen Boden. Auf dem alten Militärgelände hinter der Bundesreiterstaffel in Stahnsdorf finden im Sommer rund einmal pro Woche illegale Technopartys statt. Über die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram wird sich dazu verabredet. Nachdem die Polizei die Partys regelmäßig auflöst, haben die Jugendlichen damit begonnen, für einen Ort in der Region Teltow zu demonstrieren, an dem sie feiern dürfen. Legal, laut und ungestört.

Doch das ist schwierig: Überall, wo sich Jugendliche abends draußen aufhalten, scheinen sie zu stören. So haben die Klagen der Bewohner rund um den Kleinmachnower Rathausmarkt wieder zugenommen. Der Ortsverband der CDU will erneut Wachschützer einsetzen lassen. Vor einigen Jahren hatten sie bereits auf Anordnung des Kleinmachnower Bürgermeisters für Ruhe und Ordnung gesorgt. Es sei ein Saisonproblem, kommentiert die Kleinmachnower CDU ihren Vorstoß.

Fragt man bei Jugendlichen aus Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow nach, ergibt sich ein ähnliches Bild. Sie alle waren schon auf illegalen Partys oder kennen sie; sie alle wissen, wie schwierig es ist, ungestört feiern zu können. Nur wer das nötige Kleingeld habe, könne es sich leisten, regelmäßig in Clubs nach Potsdam oder Berlin zu gehen. Und dann habe man das Problem, wie man nachts nach Hause komme.

Simon Behling von den Teltower Linken, Alan Oeff von den Kleinmachnower Grünen und der Stahnsdorfer Alexander Schweda, Kreisvorsitzender der Jungen Union, alle drei 22 Jahre alt, kennen die Probleme der Jugendlichen gut. „Die Wachschützer vom Rathausmarkt waren damals ganz nett zu mir“, erinnert sich Behling. Doch das Vertreiben habe nicht viel gebracht, er und seine Freunde seien ein paar Straßen weitergegangen und hätten weitergemacht.

„Man hat das Gefühl, dass man hier nicht willkommen ist.“ Der Region fehle es an Angeboten für 15- bis 18-Jährige, die keine Lust mehr hätten, sich in Jugendklubs zu treffen. „Zumal die auch abends und am Wochenende geschlossen sind“, sagt Behling.

Seit Jahren kämpft die Region mit ihren Jugendlichen: Einerseits wird ihnen Ruhestörung und zum Teil auch Vandalismus vorgeworfen, zum anderen verweisen Politik und Verwaltung darauf, wie viel für die Altersgruppe doch bereits gemacht werde. Es gibt einen Skaterpark in Stahnsdorf, eine Parcoursanlage im Kleinmachnower Europarc, mehrere Pavillons mit Bänken. Geplant ist in Stahnsdorf eine Dirtstrecke. Ein alter Bauwagen soll in Kleinmachnow neuer Treffpunkt sein. Kleinmachnow hat zudem zwei Streetworker, ein Budget für Projekte von Jugendlichen und eine Arbeitsgruppe Jugend.

Das sieht auf den ersten Blick nach viel aus. Reicht aber offenbar doch nicht: „Es sind alles Angebote für den Sommer“, sagt Alexander Schweda, Kreisvorsitzender der Jungen Union. Im Winter würden die Partys bei Jugendlichen zu Hause stattfinden, auch dort sei dann regelmäßig wegen Ruhestörung Schluss, erzählt der Stahnsdorfer. Er spricht davon, dass es in der Region viele Angebote für Kita- und Grundschulkinder gebe „und dann kommt lange Zeit nichts mehr“. Auch Alan Oeff versucht als Mitglied der Kleinmachnower Arbeitsgruppe Jugend dabei zu helfen, passende Angebote zu schaffen. Er weiß jedoch, wie verhärtet die Fronten sind: „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man einen Standort für Open-Air-Partys findet, der Konsens ist.“

Wie oft die Polizei in diesem und im vergangenen Jahr wegen Ruhestörung in der Region ausrücken musste und wie viele illegale Partys sie untersagte, konnten die Behörden auf Anfrage am Mittwoch nicht beantworten.

Die drei jungen Politiker indes begrüßen es, dass die Jugendlichen für ihr Anliegen nun tanzend auf die Straße gehen. Die erste Demo dieser Art hat wie berichtet am Samstag auf dem Vorplatz des Teltower S-Bahnhofes stattgefunden. Rund 100 Teilnehmer haben laut Veranstalter daran teilgenommen. Die Resonanz sei gut gewesen, sagt Marco Oede. Der 48-jährige Stahnsdorfer ist Vater eines 18-jährigen Sohnes, der selbst gerne auf die illegalen Partys geht. Oede will, dass sein Sohn und seine Freunde auch legal in der Region feiern dürfen und nicht nach Berlin oder Potsdam müssen.

„Der Stahnsdorfer Bürgermeister hat signalisiert, dass das Areal der Cross-Strecke in Schenkenhorst ein Ort fürs Feiern wäre“, so Oede. Jedoch sei das für viele Jugendliche schwer zu erreichen, besonders nachts: Dort hinaus führt kein Radweg entlang der Straße. Besser wäre etwas innerorts, eine alte Fabrikhalle zum Beispiel. Laut dem Stahnsdorfer Gemeindesprecher Stephan Reitzig „ist der einzige dafür geeignete Objekt in Stahnsdorf derzeit einem Gastronomen versprochen“. Gemeint ist das leerstehende Restaurant Waldschänke, zentral gelegen würde sie jedenfalls mehreren Hundert Leuten Platz bieten. Genügend Platz gibt es laut dem Kreischef der Jungen Union auch in der neuen Stahnsdorfer Begegnungsstätte in der Lindenstraße. Doch die ist laut Verwaltung für Senioren reserviert.

Dem Vater und Demoveranstalter Marco Oede ist es egal, wo Platz geschaffen wird. Hauptsache, es gibt einen großen, gut erreichbaren Raum. Bis der gefunden ist, will Oede gemeinsam mit den Jugendlichen weiter demonstrieren. Die nächste Tanzdemo plant er Mitte Juli vor dem Stahnsdorfer Gemeindezentrum – mit lauten Bässen und viel Gestampfe.

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