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Tagung zur Zukunft ländlicher Räume: Schnelles Internet allein reicht nicht

Wie lockt man Menschen von der Stadt auf das Land? Darüber wurde bei einem Zukunftsforum in Seddin beraten. 

Von Enrico Bellin

Seddiner See - Auch im ländlichen Raum muss künftig überall schnelles Internet nach 5G-Standard verfügbar sein. Das allein reicht jedoch nicht, um Menschen aus der Stadt aufs Land zu bringen. So könnte man die erste Jahrestagung zur Zukunft und Digitalisierung der ländlichen Räume zusammenfassen, die das Forum ländlicher Raum am Mittwoch in der Seddiner Heimvolkshochschule organisiert hat. „Niemand wird wegen einer Digitalanwendung im ländlichen Raum bleiben oder dorthin ziehen“, so Tino Schuppan, Wissenschaftlicher Direktor des Stein-Hardenberg Instituts, welches zu moderner Verwaltung forscht. Es brauche immer noch Busverbindungen, Ärzte und Bildungseinrichtungen vor Ort.

Trotzdem muss 5G künftig auch im ländlichen Raum Standard werden, sind sich Schuppan und Martin Talmeier vom Hasso-Plattner-Institut einig. „Sonst gibt es wieder eine Kluft zwischen der Bevölkerung in der Metropole und auf dem Land, da alle Anwendungen künftig so entwickelt werden, dass sie 5G brauchen.“ Auch für autonom fahrende Autos sei schnelles Internet auf dem Land nötig. „Man kann polemisch sagen: Die Politik muss alles Geld ins Land geben, in der Stadt regelt der Markt den Ausbau schon allein“, so Talmeier.

Symptomatisch: Auch im Tagungsraum ist kein Handyempfang

Wie die Situation in der Mittelmark derzeit ist, wird am Mittwoch in der Heimvolkshochschule – immerhin einem Tagungszentrum, direkt an der B2 und nur 15 Kilometer von Potsdam entfernt – deutlich: Im Tagungsraum selbst gibt es gar keinen Handyempfang. Auf einem Hügel vorm Haus sind es im Telekom-Netz zwei Balken, das Öffnen des Mailfaches dauert mehrere Minuten. Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) kommentiert dies in seiner Begrüßungsrede launisch: „Da wird wenigstens dem Redner zugehört, anstatt dass die Teilnehmer ständig auf irgendwelche Apps schauen.“

Laut Landrat Wolfgang Blasig (SPD) soll dieser Zustand aber bald der Vergangenheit angehören: So seien Fördermittel beantragt, um einen Netzausbau finanzieren zu können. „Wir hoffen, im April den ersten Spatenstich vollziehen zu können.“ Nach erfolgtem Ausbau soll es eine hundertprozentige Netzabdeckung im Landkreis geben. Auch Jens Graf, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, betont auf PNN-Nachfrage, dass es regelmäßige Treffen mit den Mobilfunkanbietern gebe, auf denen die Beseitigung „weißer Flecken“ besprochen werde.

450 Millionen Euro werden investiert 

Wolfgang Blasig, der auch Vorsitzender des Brandenburger Landkreistages ist, betonte, dass im Land in den kommenden Jahren 450 Millionen Euro in die Digitalisierung und den Ausbau der Netze investiert werden. Alle Landkreise hätten bereits Förderzusagen für entsprechende Mittel erhalten. „Die Kreise schreiten bei der Digitalisierung voran, etwa bei der Bereitstellung von Geodaten oder der Möglichkeit, digital Bauanträge einreichen zu können.“ Bis Ende 2022 sollen alle Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert sein. Dafür müsse aber die Landesregierung auch in der Bevölkerung für digitale Angebote werben, noch würden zu viele Menschen Dienstleistungen übers Internet skeptisch gegenüberstehen.

Dass die Digitalisierung derzeit noch einige Kommunen überfordert, schildert der Amtsdirektor von Rhinow (Havelland), Jens Aasmann (SPD). Er in seiner Funktion müsse dafür garantieren, dass die eingesetzte Software sicher ist. „Es ist für uns aber nicht nachvollziehbar, wo genau welche Daten landen.“ So würde seine Verwaltung gern Online-Bezahldienste anbieten, bekomme dafür aber keinerlei Anhaltspunkte vom Land, welche Programme sicher genug sind. Ein Digitalisierungsgesetz hat das Land Ende vergangenen Jahres beschlossen, die entsprechenden Verordnungen zur Umsetzung werden aber erst nach und nach erlassen. „In Sachsen etwa gibt es eine Auswahl an geprüften Programmen, aus denen sich die Kommunen bedienen können“, so Aasmann.

„Bei der nächsten Konferenz darf nicht nur der Landwirtschaftsminister anwesend sein"

Ähnliches soll es langfristig auch in Brandenburg geben, aber nicht vom Land organisiert, sondern von den Kommunen selbst. So werde derzeit die Gründung einer Gruppe für interkommunale Zusammenarbeit zum 1. Januar 2020 vorbereitet, sagt Jens Graf. Dort sollen sich die Kommunen untereinander austauschen und Standards zu Verwaltungsprogrammen festlegen.

Dass die Digitalisierung von Verwaltung und schnelles Internet nicht alles sind, was Menschen auf dem Land hält, betont Barbara Klembt, die frühere Bürgermeisterin von Wiesenburg, die dort jetzt ein Projekt zur Vernetzung von Initiativen und Werbung für das Landleben betreut: So habe die Politik falsche Vorgaben etwa zu Schulgrößen gemacht, die kleine Gesamtschulen auf dem Land mit innovativen Konzepten verhindern. „Bei der nächsten Konferenz zum ländlichen Raum darf deshalb nicht mehr nur der Landwirtschaftsminister anwesend sein“, so Klembt. Einen Termin für die nächste Sitzung gibt es zwar noch nicht. Aber auch Wolfgang Blasig hofft, dass dann zumindest der auch für Kommunales zuständige Innenminister teilnimmt. „Im ländlichen Raum wohnen in Brandenburg schließlich zwei Millionen Menschen.“

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