zum Hauptinhalt
Bäume als Lehrer. Auf der neuen Streuobstwiese in Glindow können Kinder ab dem kommenden Jahr Schafe beobachten, Apfelsorten erkennen und erfahren, was eine Wild- von einer Honigbiene unterscheidet.

© Andreas Klaer

Streuobstwiese in Glindow: Hasenkopf und Kaiser Wilhelm

Auf einer neuen Streuobstwiese in Glindow sollen auch alte Apfelsorten wachsen. Auch mit dabei: "Prinz Albrecht von Preußen".

Werder (Havel) - Farbenfroh gestrichene Nistkästen, Greifvogel-Landeplätze und ein Insektenhotel: Auf der neuen Streuobstwiese in Glindow sollen sich möglichst viele Tier- und Pflanzenarten willkommen fühlen. Gepachtet hat das Areal am Kreuzweg Thomas Giese, Geschäftsführer der Firma Havelfrucht. Bewirtschaftet wird die Fläche vom Nabu Brandenburg. Der Lebensmittelkonzern Rewe unterstützte das Projekt mit 35 000 Euro im Rahmen seines Nachhaltigkeitsprogramms Pro Planet.

„Seit Montag haben wir schon über 150 Bäume gepflanzt“, sagt Heidrun Schöning, Nabu-Mitarbeiterin und Projektverantwortliche. Insgesamt sollen am Ende 190 Obstbäume auf der Wiese stehen – hauptsächlich Apfelbäume, aber auch Pflaumen, Kirschen und Walnüsse sollen dort gedeihen. Der Nabu will in den kommenden Monaten an Grundschulen und Kindergärten in der Region herantreten, sagt Schöning, denn schließlich lasse sich an keinem anderen Ort besser etwas über Artenvielfalt lernen als direkt in der Natur.

Die Bäume auf der Streuobstwiese werden im Bioanbau bewirtschaftet, auf Pflanzenschutzmittel verzichtet der Nabu komplett. „Für den konventionellen Anbau wäre auch die Fläche viel zu klein gewesen“, sagt Obstexperte Giese. Auf Gieses Vorschlag hin sollen Krainer Steinschafe, eine alte Schafrasse, jeweils Teilflächen beweiden und für eine natürliche Düngung der Pflanzen sorgen. Das soll außerdem zu einer artenreichen Wiese beitragen. Zum Schutz vor Wölfen baut der Nabu spezielle Zäune rund um das Gelände, die mit einem „Untergrabschutz“ versehen sind. Außerdem wird es Elektrozäune geben.

Die Firma Havelfrucht pachtet die 2,1 Hektar große Fläche von der Heilig- Geist-Kirchengemeinde für nur 400 Euro im Jahr. Der vorherige Pächter habe die Fläche zur Lagerung von Abfall genutzt, erzählt Giese. Neben Drahtzaunresten und imprägnierten Eisenbahnschienen hätten hier und da auch Asbestplatten gelegen. Bevor es ans Pflanzen der Bäume gehen konnte, hätten somit fünf Leute das Areal erst einmal 14 Tage lang aufräumen müssen. All die Arbeit sei nicht komplett uneigennützig gewesen, betont der Havelfrucht-Geschäftsführer: „Unsere Branche hat immense Nachwuchsprobleme – ich hoffe, dass ein paar der jungen Besucher der Streuobstwiese den Obstbau als Arbeitsplatz in Erwägung ziehen.“

Thomas Giese ist es besonders wichtig, auf der Wiese auch alte Apfelsorten zu erhalten. „Wenn diese Sorten aussterben, geht damit ein Stück Artenvielfalt verloren.“ Unter den rund 1600 Apfelsorten, die allein in Deutschland wachsen, sind etwa der „Prinz Albrecht von Preußen“, der „Kaiser Wilhelm“ oder der „Hasenkopf“ seit einigen Jahrzehnten selten geworden. An den Bäumen auf der Glindower Streuobstwiese sollen sie nun wieder wachsen.

Bis die noch recht schlanken Äste der Obstbäume erste Früchte tragen, werden mindestens drei Jahre vergehen, sagt die Projektverantwortliche Heidrun Schöning. Realistischer seien fünf bis zehn Jahre. „Aber auch vorher können Kinder und Erwachsene auf der Streuobstwiese schon viel lernen – über den Unterschied zwischen Wildbiene und Honigbiene beispielsweise.“ Der Nabu bewirtschaftet in Werder ebenso wie in vielen anderen deutschen Städten eine große Zahl weiterer Streuobstwiesen als Umweltbildungsprojekte. „Wir können in dem Bereich auf einen großen Erfahrungsschatz zugreifen“, so Schöning.

Die Streuobstwiese soll allerdings nicht ausschließlich für den Nachwuchs da sein. Man denke beim Nabu auch darüber nach, Patenschaften für einzelne Bäume anzubieten, erklärt die Projektverantwortliche. Außerdem soll die Wiese zu besonderen Anlässen wie etwa dem Baumblütenfest öffentlich zugänglich sein. Denkbar sei auch, dass in Zukunft Selbstpflücke auf der Streuobstwiese angeboten werde.

Die Firma Havelfrucht arbeitet schon seit 2011 als Zulieferer mit dem Lebensmittelkonzern Rewe zusammen. Außer dem Nabu bewirtschaften auch der Verein Zuckerbaum und die Björn-Schulz- Stiftung Streuobstwiesen in Werder. 

+++

40 Apfelsorten: 

In Michendorf hat der Verein „Langerwischer Obstgarten“ Anfang November im Priesterweg eine neue Streuobstwiese eröffnet. Dafür hat der Verein einen Hektar Land von der evangelischen Kirchengemeinde gepachtet. Auch in Langerwisch gibt es alte Sorten wie Kaiser Wilhelm und den Gelben Richard, die in den Supermärkten nicht zu finden sind. Insgesamt wurden am Priesterweg 120 Obstbäume in die Erde gesetzt, darunter mehr als 40 verschiedene Apfelsorten. Daneben wachsen Kirschen, Birnen, Pflaumen, Walnüsse und die essbare mährische Eberesche auf der Streuobstwiese. Das Projekt wurde von der Stiftung Natur-Schutz-Fonds Brandenburg mit 25 000 Euro gefördert. juf

Zur Startseite