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Rund 20 Fotografen der Internet-Plattform Wikipedia durften am Wochenende das Caputher Schloss mit ihrer Kamera besichtigen – allerdings nur unter natürlichen Lichtverhältnissen.

© A. Klaer

Station in Schloss Caputh: Sonderführung für Wikipedia

Hoffen auf mehr und bessere Wikipedia-Einträge: Die Schlösserstiftung lädt Fotografen ins Schloss Caputh. Es ist die achte Station der "Wiki loves Monuments"-Tour.

Caputh – Pöllky stöhnt: „Die Lichtverhältnisse im Schlafzimmer des Kurfürsten sind katastrophal!“ Der Fotograf mit dem Spitznamen Pöllky ist einer von rund 7000 ehrenamtlichen Wikipedianern in Deutschland, die am größten Internet-Lexikon, der Wikipedia, mitarbeiten. Rund 20 von ihnen trafen sich am Wochenende im Schloss Caputh zur Aktion Glam on Tour. Mit Kärtchen versehen, auf denen der jeweilige Nickname stand, durften sie sich nach einer Sonderführung im Schloss frei bewegen, um Motive zu sammeln und Texte zu erstellen. Im einstigen Schlafgemach des Monarchen stehen zwar keine Betten mehr, aber an Wänden und Decke gibt es jede Menge Bilder zu sehen, allerdings kommt nicht viel Licht in den Raum.

Während der Führung ist Pöllky immer mal dicht an die Ölbilder herangetreten, um die Reflexionen des Firnis zu begutachten. Von den fünf Wiki-Fotografen ist er für die schwierigen Fälle zuständig, besonders für Gemälde, deren dunkle Farbtöne fast ins Schwarz abdriften. Solche Probleme lassen sich zwar mit gelbem Blitzlicht lösen, doch das ist im Schloss tabu. Auch Vorhänge dürfen nicht angefasst, ebenso keine Gegenstände für Fotos umdekoriert werden, so wollen es die Richtlinien der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

Schlösserstiftung nimmt zum ersten Mal an Wikipedia-Aktion teil

Erstmals nimmt die SPSG damit an der seit 2011 jährlich stattfindenden Aktion „Wiki loves Monuments“, einem internationalen Fotowettbewerb zu Kultur- und Baudenkmälern, teil. Ziel sei es, so die Veranstalter, die Kommunikation mit Wikipedia zu verbessern – also im Fall Caputher Schloss mehr und bessere Fotos sowie genauere Informationen im Netz bereitzustellen. Das sei ganz im Sinne der Stiftung, Wissen und Kulturgut auf vielfältige Weise frei zugänglich zu machen, sagt Holger Plickert von der Marketingabteilung der Stiftung. Daher sollen auch Sanssouci und weitere Schlösser noch umfassender auf Wikipedia dargestellt werden. „Wir hoffen da aber auch auf Anregungen der Wikipedianer“, sagte Plickert. Er selbst hat auch schon Artikel für das Internet-Lexikon geschrieben und daher einen guten Draht zu anderen Wiki-Leuten.

Anfangs ging es noch darum, die zahlreichen Einträge zu den SPSG bei Wikipedia zu korrigieren, da nicht alle Details vollständig und korrekt waren, insbesondere Jahreszahlen. Berichtigt hat Plickert daher schon einen großen Teil der fast 70 Einträge. Anfang des Jahres sei es dann zu einer ersten Kontaktaufnahme, und später zu einer Vereinbarung zwischen der Stiftung und Wikimedia Deutschland, der Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V. gekommen, berichtete er. Vorab mussten für das Projekt aber einige Hürden genommen werden, wie die Bildrechte. Denn auch das gehört zu den SPSG-Richtlinien: Foto-,Film- und Fernsehaufnahmen sind zustimmungspflichtig seit die Stiftung 2010 einen Rechtsstreit um die Verwertung von Fotografien ihrer Liegenschaften vor dem Bundesgerichtshof gewann. Dem steht gegenüber, dass das Medienarchiv Wikimedia Commons, Fotos überwiegend lizenzfrei verfügbar macht. Angesichts der Herausforderung, dass kulturelles Erbe zunehmend digitalisiert wird, habe es jedoch bei der Schlösser-Stiftung ein Umdenken gegeben, so Plickert. Hilfreich war da wohl auch die Erkenntnis: Wer nicht im Netz ist, ist nicht in der Welt – ein wichtiger Faktor in einer Zeit des Überangebotes an Informationen und der immer stärkeren Konkurrenz um Aufmerksamkeit.

"Glam on Tour": Schloss Caputh ist die 8. Station

Für das Team, dessen Teilnehmer aus der ganzen Bundesrepublik kamen, ist Schloss Caputh bereits die achte Station im Rahmen der Kulturinitiative „Glam on Tour“, berichtet Lilli Iliev von Wikimedia Deutschland. Zuvor waren sie im Braunschweigischem Landesmuseum, in der Bundeskunsthalle Bonn sowie in Görlitz und Wupperthal. Dass es auch Fehler in Wikipedia-Artikeln gibt, sieht sie gelassen, denn jeder, der es besser wisse, könne ja korrigieren. Dafür genügten meist nur einige Klicks, im Gegensatz zu einer gebundenen Lexikonausgabe, die erst in einer weiteren Auflage geändert werden könne, meint Iliev.

Pöllky hat derweil seine Kamera im schmalen Gang zu den Kabinetten aufgebaut. Für besseres Licht sorgt die Abdeckung einer heller Papierbahn, die zwei Leute hochhalten. Bevor das Foto im Kasten ist, muss die Kamera noch mittels Color-Checker – einer Farbtafel – kalibriert werden, um Farbstiche zu vermeiden. Etwa zehn Sekunden hält Lilli die Tafel vor ein Bild und hüpft dann behende über ein Absperrungsseil. Kurz darauf ruft Pöllky: „Jetzt ist Rubens drin“. Eine Dame vom Aufsichtspersonal nimmt das Seil anschließend vom Haken, „weil das ziemlich gefährlich aussieht, wie die junge Frau da rüberhopst“.

Ungewöhnliche Elemente für barocken Stuck

Im Kurfürstlichen Schlafzimmer liegt derweil ein anderer Fotograf auf den Dielenbrettern, um aus dieser Perspektive eine Deckenszene mit Putten samt Rosenkranz abzulichten. Auch der barocke Kalkstuck an der Decke ist eine Besonderheit des Schlosses und für die Wiki-Leute interessant, weil der erst oben an der Decke ausgeformt wurde. Zuvor hatten sich die Texter aufgeschrieben, welche Materialien seinerzeit für solche Stuckelemente verwendet wurden. Kalk und Sand war nachvollziehbar, bemerkenswert für sie aber war, dass sozusagen als historische Ökovariante auch Hasenpopel untergemischt wurde. Auch das gehört zur Schlossgeschichte und wird vielleicht künftig im digitalen Gedächtnis von Wikipedia aufbewahrt werden.

Kirsten Graulich

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