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Stahnsdorfer Todesfahrt: Staatsanwalt plädiert auf zwölf Jahre für Michael A.

Der Angeklagte Michael A. bleibt bei seiner Aussage, sich nicht an den Verlauf der Todesfahrt erinnern zu können. Der Verteidiger fordert den Freispruch - der Staatsanwalt ist vom Vorsatz des Mannes überzeugt.

Potsdam, Stahnsdorf - Vorsatz, aber auch verminderte Schuldfähigkeit: Staatsanwalt Jörg Möbius ist der Ansicht, dass Michael A. seine Frau Anna am 25. Dezember 2015 absichtlich tötete, als er mit ihr auf dem Beifahrersitz seines Dienstwagens gegen einen Baum fuhr. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt in einer akuten depressiven Phase befunden habe, die sein Urteilsvermögen einschränkte, so der Staatsanwalt. Aufgrund der dadurch verminderten Schuldfähigkeit des 63-Jährigen plädierte Möbius am gestrigen Donnerstag, dem siebten Prozesstag vor dem Potsdamer Landgericht, auf eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren für den Angeklagten.

Als Indizien für die Vorsätzlichkeit von Michael A.s Tat wertete Möbius, dass der Angeklagte in den Jahren zuvor während depressiver Phasen mehrfach angekündigt hatte, sich selbst und seine Frau umbringen zu wollen. Rund ein Jahr vor der Tat hatte er seine damalige Chefin um eine Kündigung gebeten und der entsetzten Frau erklärt, er werde gemeinsam mit Anna A. mittels einer Giftspritze aus dem Leben scheiden. „Er wollte offenbar, dass alles korrekt läuft, darum die vorherige Bitte um Kündigung“, so Möbius. Der Staatsanwalt ist der Ansicht, dass Michael A. auch vor dem 25. Dezember 2015 Vorkehrungen traf: „Er wollte seinen Kindern keine Schulden hinterlassen, darum nutzte er nicht sein eigenes, noch nicht abbezahltes Auto, sondern den Dienstwagen.“ Seiner ehemaligen Geliebten Tatjana H. zahlte er einen geliehenen Betrag von 500 Euro wenige Tage vor Weihnachten zurück. Nach der Tat hatte Michael A. laut Zeugen eine auffallende Emotionslosigkeit angesichts der Nachricht vom Tod seiner Frau gezeigt. Er habe sich weder um die Organisation ihrer Beerdigung gekümmert noch sei er zu dieser erschienen.

„Ein toller Mensch“: Tajana H. einzige Zeugin, die Positives über Michael A. sagte

Tajana H., die bei einem der vergangenen Prozesstermine ausgesagt hatte, Michael A. sei „ein toller Mensch“, sei unter den vernommenen Zeugen die einzige Person gewesen, die Positives über den Angeklagten zu sagen hatte, so Möbius. Auch beim gestrigen Prozesstermin saß sie im Publikum und demonstrierte durch gelegentliches verächtliches Schnauben, dass sie die Anschuldigungen gegen Michael A. für Unsinn halte. Alle anderen Zeugenaussagen hatten nach und nach das Bild einer dysfunktionalen Beziehung zwischen Michael A. und seiner Frau ergeben, in der es keinerlei gemeinsame Interessen gab, Anna A. immer wieder Schläge erlitten habe und von ihrem Mann vergewaltigt wurde.

Michael A.s Verteidiger Steffen Voigt plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten. Es gebe keine Beweise dafür, dass der Angeklagte seine Tat geplant habe. Den Firmenwagen könne Michael A. etwa genutzt haben, um Geld zu sparen. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass es im Auto während der Fahrt eine Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten gegeben habe und Michael A. durch die daraus resultierende Erregung die Kontrolle über das Fahrzeug verlor.

Anna A. soll Angeklagten im Zustand der Trunkenheit zuweilen als „russischen Lump“ bezeichnet haben

Nach den Plädoyers ließ es sich der Angeklagte nicht nehmen, nochmals ausführlich seine Sicht auf die Geschehnisse zu erläutern, die in der Todesfahrt am Ersten Weihnachtstag 2015 mündeten. „Zwei Dinge werden nicht aufhören in meinem Kopf herumzugehen: der Sternenhimmel und das moralische Gesetz in mir“, ließ er seine vorbereiteten Worte durch den russischen Gerichtsdolmetscher übersetzen. Nach längeren Ausführungen über das Gewissen und das Ego des Menschen kam er darauf zu sprechen, was ihn einst zu seiner verstorbenen Ehefrau hingezogen habe: „Als wir uns kennenlernten, hat sie mir gut gefallen, weil sie sehr diszipliniert war, weil sie alles sehr schnell erledigt und immer auf die Sauberkeit in der Wohnung geachtet hat.“

Leider habe er mit der Zeit festgestellt, dass seine Frau eine Neigung zum Alkohol gehabt habe. Dass Anna A. ihn im Zustand der Trunkenheit zuweilen als „russischer Lump“ bezeichnet habe, habe ihn geärgert, zumal er sie so „warmherzig aufgenommen“ habe, nachdem sie aus Lettland zu ihm nach Potsdam gezogen war. Er habe seine Frau aber weder vorsätzlich umgebracht noch sie je geschlagen oder ihr sonst körperliche Gewalt angetan. An den Verlauf der Autofahrt am 25. Dezember 2015 könne er sich nach wie vor nicht erinnern. Das Urteil soll am Montag, 5. Februar, fallen.

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